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In der Klimapolitik braucht es ein Umdenken: Das Verursacherprinzip muss konsequent durchgesetzt werden.
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Thomas Vellacott, Geschäftsführer, WWF Schweiz, Zürich

«Paris macht die globale Energiewende unumkehrbar», haben deutsche Konzerne von Adidas bis Stabilo im Jahr 2015 in einem Inserat geschrieben. Ja, dazu haben sich alle Länder der Welt verpflichtet. Mit Paris alleine wird die globale Energiewende jedoch noch nicht Wirklichkeit – entscheidend ist vielmehr die Arbeit vor Ort. Gemacht wird die Wende in den Unternehmen, durch die Konsumenten, in Forschungslabors und den Ländern selbst. Dass viele Akteure einen Beitrag leisten wollen, ist drei Jahre nach Abschluss des Pariser Klimaabkommens offensichtlich geworden.

Noch nicht überall angekommen ist die Dringlichkeit: Industrieländer wie die Schweiz müssen in zwei Jahrzehnten komplett von Erdöl, Kohle und Erdgas wegkommen, wenn das in Paris festgelegte Ziel von maximal 1,5 Grad Celsius globaler Erwärmung in Reichweite bleiben soll. Oder anders gesagt: Wir müssen in der Schweiz das Tempo beim Klimaschutz verdoppeln. Wenn wir heute noch in fossile Infrastruktur investieren, produzieren wir damit Investitionsruinen. Eine neue Ölheizung kann nicht mehr 20 Jahre lang betrieben werden, wenn wir den Ausstoss von Treibhausgas in angemessenem Tempo reduzieren wollen. Um solche Fehlinvestitionen zu verhindern, brauchen wir eine verbindliche Klimaverträglichkeitsprüfung. Und vor allem brauchen wir ein radikal anderes Bewusstsein: Klimaschutz heisst bis heute noch für die meisten Akteure, dass untaugliche fossile Systeme ein bisschen optimiert werden. Das zeigt auch der Vorschlag des Bundesrats für das neue CO2-Gesetz.

Dass es anders geht, beweisen Länder wie Schweden: Öl- und Gasheizungen sind dort praktisch verschwunden, und für den Luft- und Strassenverkehr gibt es viel weiter gehende Klimaschutzmassnahmen als in der Schweiz. In besonders geforderten Sektoren wie der Stahlindustrie werden Lösungen für eine CO2-freie Zukunft breit erprobt. Vor allem aber gibt es in Schweden einen soliden politischen Konsens bis weit nach rechts: Spätestens 2045 ist Schluss mit fossilen Energien, und deshalb ist keine Zeit zu verlieren. Das bietet Unternehmen langfristig berechenbare Rahmenbedingungen, in denen sie ihre Innovationskraft entfalten können.

Die Schweiz darf sich nicht abhängen lassen. Sie könnte beispielsweise im Zementsektor eine ähnliche Pionierrolle einnehmen wie Schweden im Stahlsektor. Wichtigstes Instrument einer Paris-kompatiblen Klimapolitik ist eine Treibhausgasabgabe: So bezahlt statt der Allgemeinheit der Verursacher. Dieses Verursacherprinzip muss für alle Sektoren – insbesondere auch für den Verkehr – und alle Treibhausgase gelten. Auch die in den Importen enthaltenen grauen Emissionen müssen erfasst werden. Diese sind inzwischen viel höher als die Emissionen in der Schweiz. Gleichzeitig können die Exporte von allen Abgaben entlastet werden. Mit einem solchen Grenzsteuerausgleich kann die Schweiz sowohl ihre Position im Klimaschutz wie auf dem Weltmarkt massiv verbessern. «All business is local» gilt auch im Klimaschutz. Wenn wir es entschlossen anpacken, wird daraus eine globale (Markt-)Chance.

Zitiervorschlag: Vellacott, Thomas (2018). Klimaschutz: Nur die Tat zählt. Die Volkswirtschaft, 24. Oktober.