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Verdeckter Arbeitsmarkt in der Schweiz ist eher klein

In der Schweiz werden 80 Prozent der offenen Stellen ausgeschrieben. In einem Fünftel der Fälle werden die Stellen über «verdeckte» Kanäle wie das persönliche Netzwerk oder Social-Media-Plattformen vergeben.
Nur wer von einer Stelle Kenntnis hat, schafft es bis zum Vorstellungsgespräch. (Bild: Keystone)

Noch vor wenigen Jahren schalteten die Unternehmen ein Zeitungsinserat oder liessen die Beziehungsnetzwerke der Mitarbeitenden spielen, wenn es eine Stelle zu besetzen galt. Mit dem Aufkommen von Online-Portalen und Karrierenetzwerken wie Linkedin und Xing stellt sich die Frage: Wie suchen Firmen in der Schweiz im digitalen Zeitalter nach Mitarbeitenden?

Bislang gibt es kaum gesichertes Wissen über die von den Firmen benutzten Kanäle zur Personalsuche und über den Anteil der öffentlich ausgeschriebenen Vakanzen. Solche Kenntnisse sind bedeutsam, da Personalsuche und Stellenbesetzung wesentlich über den Erfolg von Unternehmen mitbestimmen.[1] Zudem zeigen die Informationen, wie transparent der Stellenmarkt ist. Wird eine Vakanz nicht öffentlich ausgeschrieben, bleiben Personen ohne Zugang zu den entsprechenden Netzwerken von vornherein vom Bewerberpool ausgeschlossen.[2] Dies dürfte vergleichsweise häufig auf Berufseinsteiger, neu zugezogene Personen oder Personen nach einer längeren Phase der Erwerbslosigkeit zutreffen. Weiter bestimmen die Suchkanäle darüber, welche Personengruppen die Unternehmen erreichen. Insbesondere die Personalsuche über Beziehungsnetzwerke dürfte eine einseitige Zusammensetzung der Belegschaft und so die Segregation bestimmter Arbeitsplatzkategorien, etwa nach Geschlecht, fördern.[3]

Eine Schweizer Besonderheit ist die Stellenmeldepflicht: Seit Juli müssen Firmen offene Stellen in Berufen, in denen die Arbeitslosenquote einen bestimmten Schwellenwert übersteigt, den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) melden. Betroffen sind beispielsweise Bauberufe, Lageristen, Marketingfachleute, Kuriere sowie Service- und Küchenpersonal. Diese Massnahme sollte auch dazu führen, dass weniger Stellen über Beziehungsnetzwerke vergeben werden und der Arbeitsmarkt so transparenter wird.

Mehrheit der Stellen wird ausgeschrieben


Daten zur Praxis der Personalsuche liefert der Stellenmarktmonitor Schweiz (SMM) der Universität Zürich. Seit 2003 befragt die Universität Zürich jährlich eine nach Branchen und Firmengrösse gezogene repräsentative Stichprobe von Unternehmen in der gesamten Schweiz. Im Jahr 2017 wurde zudem eine erweiterte, detaillierte Befragung zu Personalsuche und Stellenbesetzung durchgeführt.[4] Dank eines für Firmenbefragungen exzellent hohen Rücklaufs von rund 60 Prozent sind die Resultate der Befragungen zuverlässig.

Aktuell schreiben die Unternehmen knapp 80 Prozent aller offenen Stellen aus (siehe Abbildung 1). Der SMM ermittelt zudem einen ähnlichen Ausschreibungsanteil, wenn explizit auch nach jenen Stellen gefragt wird, die — möglicherweise extra für die stellensuchende Person — neu geschaffen wurden und somit kaum je als vakant galten.[5] Beinahe die Hälfte aller Vakanzen schreiben die Unternehmen über mehr als einen Kanal aus. So nutzen sie beispielsweise neben ihrer eigenen Website auch Online-Stellenportale.

Die Resultate verdeutlichen, dass die Unternehmen derzeit für lediglich ein Fünftel der offenen Stellen ausschliesslich über informelle Kanäle nach neuem Personal suchen. Der «verdeckte Arbeitsmarkt» ist also eher klein und scheint kein gewichtiges Problem für die Stellensuchenden darzustellen. Die bei der Befragung noch nicht berücksichtigte Stellenmeldepflicht dürfte den Anteil der ausgeschriebenen an den offenen Stellen zudem weiter erhöhen, da die bei den RAV gemeldeten Stellen nach Ablauf einer fünftägigen Sperrfrist wohl häufig auch auf der öffentlich zugänglichen RAV-Stellenplattform Job-Room.ch publiziert werden. Dadurch dürfte sich der verdeckte Arbeitsmarkt nicht nur für arbeitslose Personen, sondern für alle Stellensuchenden verkleinern.

Abb. 1: Anteil der ausgeschriebenen Stellen an allen Vakanzen (2003–2018)




Quelle: SMM (2018) / Die Volkswirtschaft

Im Vergleich zu 2003 ist der Anteil der ausgeschriebenen Stellen bis zum Ausbruch der Wirtschaftskrise 2009 angestiegen und stagniert seither. Die Zunahme seit der Jahrtausendwende dürfte vor allem daran liegen, dass dank des Internets einfach zugängliche und kostengünstige Ausschreibungskanäle verfügbar sind. So verfügen mittlerweile auch kleinere Firmen immer häufiger über eine eigene Internetsite, welche sie auch für die Personalsuche nutzen. Entgegen häufig geäusserten Befürchtungen hat der verdeckte Arbeitsmarkt über die Zeit also nicht zugenommen.

Eigene Website häufig eingesetzt


Welche Medien und welche informellen Suchkanäle nutzen die Unternehmen bei der Personalsuche, und für welchen Anteil der offenen Stellen tun sie dies? Die ausführliche Befragung von Personalverantwortlichen in der Schweiz durch den SMM aus dem Jahr 2017 zeigt: Unter den Ausschreibungskanälen ist die firmeneigene Internetsite der am weitesten verbreitete Suchkanal (siehe Abbildung 2). Rund zwei Drittel aller offenen Stellen waren im vergangenen Jahr auf diesem Weg ausgeschrieben. Die Nutzung der eigenen Website ist für Firmen attraktiv: Mit geringem Aufwand lässt sich so wohl ein relativ breiter Bewerberpool gewinnen. Gleichzeitig können Firmen gezielt ein mit dem Unternehmen oder der Branche bereits verbun­de­nes Publikum ansprechen, zu dem meist auch spezialisierte Fach­kräfte und potenzielle Mitarbei­tende zählen. Allerdings: Die wenigsten Unternehmen setzen die eigene Website als einziges Suchmittel ein.

Abb. 2: Kanäle der Personalsuche (2017)




Quelle: SMM (2017) / Die Volkswirtschaft

Ein weiterer beliebter Ausschreibungskanal sind Stellenbörsen im Internet, wo gemäss der Befragung knapp 60 Prozent der offenen Stellen platziert werden. Einige Stellen finden sich sogar ausschliesslich auf Online-Stellenbörsen. Andere Ausschreibungskanäle – wie Presse oder Fach- und Branchenzeit­schriften – sind mit Anteilen von je rund 10 Prozent von deutlich geringerer Bedeutung.

Auch die Meldung einer offenen Stelle bei den RAV kann man als Ausschreibung zählen, da diese Stellen in der Regel auch auf der Plattform Job-Room.ch ausgeschrieben werden. Allerdings war der Anteil der Stellen, welche die befragten Firmen den RAV meldeten, im vergangenen Jahr mit gut 10 Prozent eher gering. Mit Einführung der Stellenmeldepflicht dürfte sich dieser Anteil insbesondere bei den betroffenen Berufsgruppen stark erhöhen.

Unter den informellen Suchkanälen ist das Beziehungsnetz der Mitarbeitenden am stärksten verbreitet: Bei gut 60 Prozent aller offenen Stellen greifen die Schweizer Unternehmen darauf zurück – jede fünfte Stelle wurde sogar ausschliesslich über diesen Kanal besetzt, womit das Beziehungsnetz das wichtigste Element des verdeckten Arbeitsmarkts ist. Da hier die Konkurrenz aufgrund des eher geringen Suchradius vergleichsweise klein sein dürfte, ist die Stellensuche über Beziehungsnetzwerke für arbeitslose Personen besonders lohnenswert. Dies gilt umso mehr, als ebenfalls relativ häufig ausschliesslich über Kontakte mit Geschäftspartnern und Kunden nach neuem Personal gesucht wird.

Social Media noch wenig genutzt


Die Resultate weisen weiter darauf hin, dass trotz des hohen Anteils ausgeschriebener Vakanzen die Bedeutung der Personalsuche innerhalb der Unternehmen nicht zu unterschätzen ist. Bei einem Fünftel der offenen Stellen sprechen die Unternehmen gezielt ihre eigenen Mitarbeitenden an. Sogar fast 40 Prozent der offenen Stellen schreiben sie innerhalb des Unternehmens aus – wobei vor allem grosse Unternehmen diesen Kanal nutzen.

Demgegenüber ist die Bedeutung von internetbasierten Karrierenetzwerken wie Linkedin und Xing sowie von Social-Media-Plattformen wie Facebook und Twitter bisher noch vergleichsweise gering. Im Jahr 2017 schrieben die befragten Firmen nur rund 10 Prozent der offenen Stellen auf diesen Kanälen aus. Auch gezielte Anfragen in einem Karrierenetzwerk oder auf einer Social-Media-Plattform waren mit Anteilen von rund 5 respektive weniger als 2 Prozent ungebräuchlich. Kanäle der neuen Medien lösen die altbewährten also noch keineswegs ab. Als zusätzliche Suchstrategie bei der Personalrekrutierung finden sie jedoch zunehmend Eingang in die Praxis einiger Unternehmen.

  1. Siehe z. B. «NZZ am Sonntag» (2017). []
  2. Larquier und Marchal (2016); Mencken und Winfield (1998). []
  3. Mencken und Winfield (1998). []
  4. Buchs und von Ow (2017). []
  5. Buchs und von Ow (2017). []

Literaturverzeichnis

  • Buchs, Helen und Anna von Ow (2017). Personalsuche und Stellenbesetzung. Kurzreport zur Unternehmensbefragung 2017.
  • Larquier, Guillemette de und Marchal Emanuelle (2016). Does the Formalization of Hiring Practices Enhance Equal Hiring Opportunities? An Analysis of a French Nation-wide Employer Survey. Socio-Economic Review 14(3): 567–589.
  • Mencken, F. Carson und Idee Winfield (1998). In Search of Right Stuff: Informal and Formal Recruiting Practices in External Labor Markets. American Journal of Economics and Sociology 57 (2): 135–153.
  • NZZ am Sonntag (2017). Einen Job gibts mit Vitamin B, 17. Dezember 2017.

Bibliographie

  • Buchs, Helen und Anna von Ow (2017). Personalsuche und Stellenbesetzung. Kurzreport zur Unternehmensbefragung 2017.
  • Larquier, Guillemette de und Marchal Emanuelle (2016). Does the Formalization of Hiring Practices Enhance Equal Hiring Opportunities? An Analysis of a French Nation-wide Employer Survey. Socio-Economic Review 14(3): 567–589.
  • Mencken, F. Carson und Idee Winfield (1998). In Search of Right Stuff: Informal and Formal Recruiting Practices in External Labor Markets. American Journal of Economics and Sociology 57 (2): 135–153.
  • NZZ am Sonntag (2017). Einen Job gibts mit Vitamin B, 17. Dezember 2017.

Zitiervorschlag: Helen Buchs, Marlis Buchmann, (2018). Verdeckter Arbeitsmarkt in der Schweiz ist eher klein. Die Volkswirtschaft, 24. Oktober.