Suche

Abo

Gezielte Integrationsmassnahmen vor und während der Sozialhilfe nützen mehr als Leistungsabbau.
Markus Kaufmann, Geschäftsführer Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (Skos), Bern

Standpunkt

Wer Sozialhilfe bezieht, hat oftmals vorher an vielen Integrationsmassnahmen teilgenommen. Viele gelten dann als nicht mehr arbeitsmarktfähig und werden ausgegrenzt. Die Aufgabe der Sozialhilfe ist es, das Potenzial dieser Menschen zu fördern, aber auch einzufordern. Diese Aufgaben gelten ebenso für die vorgelagerten Sozialversicherungen: Je mehr Personen die Arbeitslosenversicherung und die Invalidenversicherung nachhaltig integrieren können, desto weniger werden ausgesteuert und landen in der Sozialhilfe. Das soll eines der primären Ziele der IIZ sein.

Eine Zusammenarbeit ist aber auch nach Eintritt in die Sozialhilfe angesagt. So bleiben beispielsweise Sozialhilfebeziehende in verschiedenen Kantonen bei den Regionalen Arbeitsvermittlungsstellen angemeldet, wenn sie noch arbeitsmarktfähig sind. Jede Institution übernimmt damit die Aufgabe, für die sie am besten geeignet ist: Bei den RAV ist das die Vermittlung, bei der Sozialhilfe die persönliche Beratung und Integrationsförderung. Mit dem seit Anfang Juli gültigen Inländervorrang bekommt diese Aufgabenteilung eine noch wichtigere Funktion. Dass der Kanton Waadt aus der Zusammenarbeit RAV-Sozialhilfe, die er in einem Pilotprojekt getestet hat, eine Regelstruktur macht, kann Signalwirkung für das ganze Land haben.

Bildungsbedarf steigt

Mit der Digitalisierung steigen die Anforderungen an die Arbeitnehmenden. Der Bedarf an Nachholbildung nimmt daher zu. Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (Skos) hat Anfang Jahr gefordert, dass der Bund Mittel zur Verfügung stellt, um Grundkompetenzen wie Lesen, Schreiben, Rechnen oder IT-Kenntnisse zu fördern. Sozialdienste ihrerseits sollen in Zukunft Potenzialabklärungen durchführen und den Zugang zu geeigneten Bildungsmassnahmen ermöglichen. Auch hier wünscht sich die Sozialhilfe, dass das Bildungssystem, die ALV und die IV sich noch stärker um jene kümmern, die durch die Maschen des sozialen Sicherheitsnetzes zu fallen drohen.

Die Flüchtlingswelle in den Jahren 2014 und 2015 hat uns vor Augen geführt, dass unsere Strukturen zu wenig klar auf Integration ausgerichtet sind. Die Integrationsagenda ist nun die Antwort von Bund und Kantonen darauf. Für die Sozialhilfe ist es wichtig, dass die gesteckten Ziele erreicht werden. Ansonsten erhöht sich mittelfristig die Belastung für Kantone und Gemeinden massiv. Und der Handlungsspielraum der Sozialhilfe wird erheblich eingeengt.

In verschiedenen Kantonen sind zurzeit Vorschläge auf dem Tisch, die als Reaktion auf die steigenden Kosten in der Sozialhilfe eine Reduktion des Grundbedarfs fordern. Ihr Argument: Tiefere Sozialleistungen steigern den Anreiz zur Erwerbsarbeit. Doch in der Sozialhilfe ist sichtbar, dass ein Unterschreiten des sozialen Existenzminimums zu einem noch stärkeren Ausschluss aus der Gesellschaft führt. Wer keinen Computer besitzt und sich keine Busfahrt leisten kann, wird zum Aussenseiter. «Sozialhilfe macht einsam», sagen Betroffene. So weit sollten wir es nicht kommen lassen – die IIZ ist dafür ein wichtiges Werkzeug.

Zitiervorschlag: Markus Kaufmann (2018). Standpunkt: Integrieren statt ausgrenzen. Die Volkswirtschaft, 22. November.