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Türen zu asiatischen Finanzmärkten öffnen

Der Schweizer Finanzplatz stösst beim Zugang zu den grossen asiatischen Märkten China, Indien und Japan auf Hürden. Auf multilateraler und bilateraler Ebene setzt sich die Schweiz für eine Öffnung und die Integration dieser Märkte ins globale Finanzsystem ein.

Türen zu asiatischen Finanzmärkten öffnen

Oft eine wichtige Zwischenstation beim Bankengeschäft zwischen der Schweiz und China: Hongkong. (Bild: Keystone)

Auf dem Titelbild des aktuellen Jahresberichts einer Schweizer Grossbank blickt der Leser vorbei am höchsten Wolkenkratzer Hongkongs westwärts auf den Victoria Harbour. Durch die Wasserstrasse zwischen der Hong Kong Island und dem Festland passiert ein Drittel des globalen marinen Güterverkehrs. Nordwärts gelangt man zur zweit- und zur drittgrössten Volkswirtschaft der Welt, China und Japan; südwärts durch die Strasse von Malakka und vorbei an Singapur zur sechstgrössten Volkswirtschaft Indien. Dazwischen liegen Indonesien mit der viertgrössten Bevölkerung und die aufstrebenden Ökonomien Südostasiens.

Die Bildwahl ist nicht zufällig: Schweizer Banken und Versicherungen setzen auf Asien. Denn der asiatisch-pazifische Raum sorgt im Finanzbereich für Superlative. So beheimatet die Region unter anderem die fünf grössten Banken der Welt, vier der zehn wichtigsten globalen Finanzplätze und vier der zehn grössten Börsen und Versicherungsmärkte. Zudem hat die Zahl der Reichen stark zugenommen: Mittlerweile lebt jeder vierte Millionär in Asien. Und: Fintech-Applikationen sind in Asien am meisten verbreitet.

Asiens Aufstieg


Den Anfang des asiatischen (Wieder-)Aufstiegs an die Weltspitze machte Japan mit einem rasanten Wirtschaftswachstum in den Sechzigerjahren. Damals wurde unter anderem die regionale, multilaterale Entwicklungsbank Asian Development Bank (ADB) gegründet – mit Japan als grösstem Eigentümer. Im Internationalen Währungsfonds (IWF) wurde Japan bald zum zweitgrössten Anteilseigner. Als Ende der Achtzigerjahre die Immobilienfirma der japanischen Mitsubishi Group das Rockefeller Center in New York kaufte, schien der Aufstieg zur dominierenden Wirtschaftsmacht des 21. Jahrhunderts unaufhaltsam. Nebst Japan prägten Hongkong, Südkorea, Singapur und Taiwan das «ostasiatische Wirtschaftswunder». Die zehn südostasiatischen Staaten, welche sich zum Verband Südostasiatischer Nationen (Asean) zusammengeschlossen haben, erwirtschaften mittlerweile 3 Prozent der globalen Wertschöpfung und sind bestrebt, die Finanzmärkte der Region enger zusammenzuführen.

China, dessen Reform- und Öffnungspolitik in den Achtzigerjahren begonnen hatte, überholte Japan im Jahr 2010 und ist hinter den USA zur zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen. Auch im internationalen Finanzbereich strebt China eine Führungsrolle an: Im IWF ist das Land inzwischen der drittgrösste Eigentümer, und spätestens seit der G-20-Präsidentschaft vor zwei Jahren gehört es zu den gewichtigen Mitgliedern des exklusiven Staatenclubs. Weitere Meilensteine setzte China im Jahr 2016 mit der Inklusion der chinesischen Währung in den Weltwährungskorb des IWF und 2018 mit der Aufnahme der chinesischen Festlandaktien in den MSCI Emerging Markets Index. Die Integration der regionalen Finanzmärkte treibt China mit der «Belt and Road Initiative» voran. Zu diesem Zweck gründete China im Jahr 2015 unter anderem die regionale, multilaterale Entwicklungsbank Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB). Weitere regionale Gremien und Organisationen unter chinesischer Führung zur Entwicklung von Standards im Finanzbereich zeichnen sich ab.

Indien schiebt bis heute sein Potenzial vor sich her. Nichtsdestotrotz ist das mehr als 1,3 Milliarden Einwohner zählende Land ein wichtiger Akteur auf der internationalen Ebene und verfügt über einen Markt mit hohen Wachstumsraten.

Interessant aus Schweizer Perspektive ist insbesondere auch der Aufstieg von Hongkong und Singapur zu internationalen Finanzzentren. Während die Grösse der Finanzkennzahlen von China, Indien und Japan angesichts der Bevölkerungszahl, der Wirtschaftsleistung und der Marktkonzentration nicht erstaunt, stechen Hongkong und Singapur durch ihre hohe Spezialisierung auf Finanzdienstleistungen hervor. Beide liegen auf internationalen Handelsrouten, bieten Stabilität, verfügen über starke Institutionen und Rechtssysteme sowie über gut qualifizierte Arbeitskräfte – und sind damit der Schweiz nicht unähnlich.

Hohe Hürden


Der Schweizer Finanzplatz beteiligt sich am Wachstum der grossen asiatischen Volkswirtschaften. Doch der Zugang ist hürdenreich. So machten die Einnahmen aus Finanzdienstleistungen (ohne Versicherungen) gegenüber Asien letztes Jahr nur rund 3 Prozent aller ausländischen Einnahmen in der Schweizer Zahlungsbilanz aus.[1] Rund 70 Prozent dieser Einnahmen stammen aus Hongkong und Singapur, während China und Japan nur je rund 8 Prozent beisteuern, Indien lediglich 2 Prozent. Die Versicherungen in der Schweiz generierten 2017 rund 10 Prozent ihrer ausländischen Einnahmen in Asien. Davon kommen je rund 30 Prozent aus China und Japan, 12 Prozent stammen aus Singapur und 3 Prozent aus Hongkong. Indien bildet auch hier mit 2 Prozent das Schlusslicht.

Diese Zahlen zeigen: Insbesondere für die Schweizer Banken ist es schwierig, für Kunden aus Japan, China und Indien Dienstleistungen zu erbringen. Während im Fall von China und Indien Kapitalverkehrskontrollen die grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit erschweren, ist die Bedienung japanischer Kunden von der Schweiz aus zu einem grossen Teil durch das japanische Finanzmarktrecht eingeschränkt.

Schweizer Banken und Versicherungen haben daher relativ früh begonnen, eine physische Präsenz in Asien zu etablieren. Allerdings bestehen auch vor Ort Restriktionen. So können Banken in China und Indien nur mit der Beteiligung lokaler Eigentümer gegründet werden. Zudem werden Banken mit ausländischer Beteiligung bei der Vergabe von Lizenzen und Bewilligungen teilweise schlechtergestellt als ihre lokale Konkurrenz. Entsprechend ist der Marktanteil ausländischer Banken beispielsweise in China bei unter 1 Prozent und seit Jahren sinkend. Im Versicherungsbereich liegt der Anteil seit Längerem konstant bei rund 4,5 Prozent. Kommt hinzu: Nur 2 Prozent der chinesischen Aktien sind im Besitz ausländischer Investoren. Bei den Obligationen ist der Wert sogar noch tiefer.

Trotz alledem: Die grossen Schweizer Banken und Versicherungen erwirtschaften mittlerweile jeden sechsten Franken in Asien, und sie beschäftigen 15 Prozent ihrer Mitarbeiter dort. Als Sprungbrett zu den grossen Volkswirtschaften der Region dienen ihnen dabei Singapur und Hongkong.

Umgekehrt bauen auch die asiatischen Finanzinstitute Brücken in die Schweiz, wo insgesamt 16 Banken aus Asien präsent sind. Seit der Eröffnung einer Präsenz der China Construction Bank (CCB) in Zürich im Jahr 2016 können in der Schweiz Zahlungen in der chinesischen Währung abgewickelt werden. Als zweites chinesisches Institut hat die Industrial and Construction Bank (ICBC) dieses Jahr eine Filiale in der Limmatstadt eröffnet.

Diplomatie als Werkzeug


Das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) setzt sich für die Interessen der Schweiz und des Schweizer Finanzplatzes in Asien ein. Im Fokus stehen dabei die Berücksichtigung internationaler Standards bei der regionalen Integration der Finanzmärkte, die Sicherung der Finanzstabilität angesichts der steigenden Bedeutung der asiatischen Märkte für das globale Finanzsystem sowie die Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Marktzugang.

Auf multilateraler Ebene leitet die Schweiz eine Stimmrechtsgruppe des IWF, der unter anderem die zentralasiatischen Staaten Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan angehören. Weiter ist die Schweiz Mitglied der Asian Development Bank (ADB) und der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB). Vergangenes Jahr nahm sie zudem auf höchster Stufe am ersten «Belt and Road Forum» in Peking teil. Sowohl in den etablierten Finanzinstitutionen IWF und Weltbank als auch in den regional ausgerichteten Institutionen ADB und AIIB setzt sich die Schweiz dafür ein, dass die Integration der asiatischen Wachstumsmärkte geordnet erfolgt und sich diese an hohen Standards ausrichtet. Weil die Schweiz an keinen geopolitischen Block gebunden ist, kann sie dabei effektiv und glaubwürdig vorgehen.

Auf bilateraler Ebene pflegt die Schweiz regelmässige Finanzdialoge mit den Partnerbehörden in China, Hongkong, Indien, Japan und Singapur. Im Rahmen solcher Dialoge findet ein regelmässiger Meinungs- und Erfahrungsaustausch statt, bei dem auch die Zusammenarbeit in Bereichen von gegenseitigem Interesse vertieft wird. Die Gespräche fokussieren sich auf die Entwicklungen im internationalen Finanzsystem, die Finanzmarktpolitik und Regulierungsfragen sowie die Positionierung in internationalen Finanzforen. Die bilateralen Kontakte bieten auch die Gelegenheit, die Anliegen der Finanzbranche einzubringen, insbesondere in Bezug auf den Marktzugang und die rechtlichen Rahmenbedingungen in Asien. So reiste der Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD), Ueli Maurer, im April 2017 zusammen mit hochrangigen Vertretern des Finanzplatzes nach Asien, um die konkrete Zusammenarbeit auf staatlicher und privatwirtschaftlicher Ebene zu fördern.

Die Schweiz unterstützt und beteiligt sich an der Öffnung und der Integration der asiatischen Finanzmärkte in das globale Finanzsystem. Trotz des Aufflammens protektionistischer Tendenzen in jüngster Zeit sind die asiatischen Märkte bestrebt, ihre Öffnungspolitik weiterzuverfolgen und die Früchte der Globalisierung zu ernten. Die Schweiz wird sich auch in Zukunft dafür einsetzen, dass die Schweiz und der Schweizer Finanzplatz die Chancen nutzen können, die sich daraus ergeben.

  1. SNB (2017), Zahlungsbilanz der Schweiz – Leistungsbilanz. []

Zitiervorschlag: Peter Stutz (2018). Türen zu asiatischen Finanzmärkten öffnen. Die Volkswirtschaft, 20. Dezember.