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Warum ist Tierfutter in der Schweiz so teuer?

Schweizer Landwirte zahlen für Tierfutter deutlich mehr als ihre Berufskollegen in Deutschland. Eine Studie hat nach den Gründen gesucht.
Bei einem Zollabbau würde in der Schweiz weniger Mais angebaut. (Bild: Keystone)

Schweizer Geflügelzüchter klagen über hohe Futterkosten: «Bei uns machen die Futterkosten die Hälfte der Produktionskosten aus», sagt Hans Ulrich Wüthrich, Sekretär der Schweizerischen Geflügelproduzenten. Kein Wunder: Ein typisches Futtermittel schlägt in der Schweiz mit etwa 60 Franken pro 100 Kilogramm zu Buche, während in unseren Nach­bar­ländern dafür nur etwa umgerechnet 35 Franken bezahlt werden müssen. In der gesamten Schweizer Landwirtschaft machen Futtermittel 39 Prozent der Vorleistungen aus. Zwar ist der Kostenanteil in Deutschland und Österreich noch höher – allerdings hat dies unter anderem mit einer unterschiedlichen Struktur der Landwirtschaft zu tun.

Wie können die Preisdifferenzen zu unseren Nachbarländern erklärt werden? In einer Studie im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) haben wir diese Frage anhand von Expertengesprä­chen, Datenanalysen und Modellrechnungen untersucht.[1] Da Mischfutter durchschnittlich aus 15 Zutaten besteht, fällt die Analyse relativ komplex aus.

Ein wichtiger Akteur im Schweizer Futtermittelmarkt ist die Genossenschaft Fenaco, die an einigen Punkten der Wertschöpfungskette einen Marktanteil von über 50 Prozent besitzt. In bisherigen Studien wurde deshalb analysiert, ob das Unternehmen monopolistische Renten abschöpft.[2] Eindeutige Indizien wurden bisher nicht gefunden.

Wie wirkt sich ein Zollabbau aus?


Anhand des internationalen Simulationsmodells Capri wurde der Einfluss des Grenzschutzes auf die Futtermittelpreise untersucht. Dabei zeigte sich: Während sich das Preisgefüge an einigen Stellen bei einem Wegfall der Zölle verändern würde, bleiben die Auswirkungen in der Summe begrenzt. Da Futtermittel wie Sojaschrot zollfrei in die Schweiz eingeführt werden dürfen und da auch der Zoll (einschliesslich Garantiefondsbeiträgen) auf ein einheimisches Futtergetreide wie Gerste und Mais nur 13 Franken pro Dezitonne beträgt und damit deutlich tiefer liegt als der Zoll auf Getreide für die menschliche Ernährung, sähe die Schweizer Landwirtschaft ohne den Grenzschutz auf Futtermittel nicht fundamental anders aus.

Um die Tatsache, dass viele Produkte – etwa Weizen, Roggen und Reis – sowohl als Futter-  als auch als Nahrungsmittel verwendet werden, zu berücksichtigen, wurden zwei Szenarien erstellt. Im ersten Szenario waren diese Mischprodukte ebenfalls von Zöllen befreit – im zweiten wurden die Zölle aufrechterhalten.

Das Modell zeigt, dass die Preise bei einem Zollabbau in der Pflanzenproduktion stärker sinken als in der Tierproduktion. Beispielsweise würden die Weizenpreise in der Schweiz um 47 Prozent fallen; bei anderen Getreidearten betrüge der Rückgang zwischen 15 und 30 Prozent. Die Fleischpreise wiederum sänken um 5 bis 8 Prozent. Hingegen bewegten sich die Milchpreise kaum nach unten.

Was zeigt das Modell bezüglich der Produktionsstruktur? Am stärksten betroffen von einem Zollabbau wäre die Körnermaisproduktion: Die inländische Produktion ginge hier um ein Viertel zurück. Bei den anderen Getreidesorten wäre ein Anbaurückgang von jeweils unter 10 Prozent zu verzeichnen. Die frei werdende Fläche würde vermutlich vor allem mit Ölsaaten wie Raps bebaut werden. Aufseiten der Tierproduktion sind die Effekte durch das preisgünstigere Futter deutlich geringer. Die Fleischproduktion in der Schweiz würde sich durch das kostengünstigere Futterangebot um 1 bis 2 Prozent ausdehnen; im Milchsektor sind die Wachstumseffekte sogar vernachlässigbar. Insgesamt sind die Auswirkungen eines Zollabbaus auf die Produktionsstruktur somit relativ bescheiden.

Verzicht auf Gentechnik


Neben dem Aussenschutz spielen bei den Schweizer Futtermittelpreisen auch Qualitätsfaktoren eine Rolle. Das wird bei Soja, das zwischen 10 und 20 Prozent der Rohstoffe ausmacht, besonders deutlich: Indem in der Schweiz ausschliesslich gentechnikfreies Soja eingeführt und verfüttert wird, entstehen Mehrkosten für die Volkswirtschaft in Höhe von 15 bis 50 Millionen Franken pro Jahr.[3] Hinzu kommt, dass Sojasorten mit besonders hohem Proteingehalt eingesetzt werden und auch der Anteil zertifizierten Sojas (mit dem Label «verantwortungsbewusst produziert») bei 96 Prozent liegt. Bezüglich der Qualitäten leisten sich die Marktakteure also einen Luxus, den es weltweit in kaum einem anderen Land gibt.

Die Unterschiede in den Rohstoffkosten zwischen der Schweiz und der EU, die der Grenzschutz ermöglicht, sind nur eine Seite der Medaille. So zeigt ein Vergleich zwischen den Futtermittelkosten in der Schweiz und in Deutschland, dass etwa die Hälfte der Preisdifferenz bei den Futtermühlen und -händlern verursacht wird (siehe Abbildung).

Mittels Datenanalysen und Expertengesprächen wurden die Margen von Mühlen und Händlern bei Gerste, Weizen und Sojaschrot sowie bei Mischfuttermittel unter die Lupe genommen. Dabei schälten sich zwei Kernfaktoren für die Kostenunterschiede auf Verarbeitungsstufe heraus: Erstens ist das Kostenniveau in der Schweiz durchgehend höher als im umliegenden Ausland. Wenn vom Chauffeur bis zum Berater alle Angestellten der Mühle deutlich höhere Löhne beziehen als etwa ihre deutschen Kollegen, muss das natürlich auch in höhere Vertriebspreise übersetzt werden. Zweitens spielen Skaleneffekte eine wichtige Rolle. Während 2017 in Alabama eine Futtermühle eröffnet wurde, die 25’000 Tonnen pro Woche produziert, zählt in der Schweiz schon zu den Grossen, wer 25’000 Tonnen pro Jahr erzeugt. Diese kleinbetriebliche Struktur führt zu einem hohen Fixkostenniveau, das sich ebenfalls bei den Preisen bemerkbar macht.

Mischfutter in Deutschland und in der Schweiz (Franken/100 Kilogramm)




Anmerkung: Die Mehrwertsteuer ist nicht dargestellt. In Deutschland ist diese umgerechnet 2,5 Franken höher.


Die Grössennachteile hängen auch mit dem Grenzschutz zusammen. So würden die Futtermittelproduzenten anders projektieren, wenn sie in europäischen statt in schweizerischen Dimensionen denken würden. Allerdings ist offen, in welchem Ausmass sich Schweizer Verarbeiter gegen globale Player wie die US-Konzerne Cargill und Bunge durchsetzen könnten. Klar ist: Die Preise würden in jedem Fall aufgrund von Skaleneffekten in den Futtermühlen sowie wegen des allgemein niedrigeren Preisniveaus der Rohstoffe sinken.

Bleibt die Frage, ob Fenaco die Preise künstlich hoch hält: In unseren Untersuchungen ergaben sich keine Hinweise auf eine Ausnutzung der Marktkonzentration. Auch die Schweizer Futtermittelhersteller profitieren nicht direkt vom Grenzschutz, da fertige Futtermittel nicht höher verzollt werden als ihre einzelnen Bestandteile.

Insgesamt zeigen die Modellberechnungen: Ein Zollabbau auf Futtermittel würde die Tierproduktion stärken und die Pflanzenproduktion schwächen. Allerdings dürften die Auswirkungen auf die Kaufkraft der Konsumenten gering bleiben. Erstens machen die Rohstoffkosten des Fleischpreises am Konsumentenfranken nur etwa ein Drittel aus. Zweitens gibt der Detailhandel Preisänderungen bei den Rohstoffkosten meist nicht unmittelbar an den Konsumenten weiter.[4] Insofern ist es fraglich, ob der Konsument überhaupt bemerken würde, wenn Schweizer Landwirte ihre Futtermittel zu Weltmarktpreisen einkaufen könnten.

  1. Cerca, M. et al. (2019). []
  2. Bakbasel (2014). []
  3. Mann, S. (2013). []
  4. Hillen (2018). []

Literaturverzeichnis

  • Bakbasel (2014). Landwirtschaft – Beschaffungsseite. Vorleistungsstrukturen und Kosten der Vorleistungen, Basel. Studie im Auftrag des Bundesamtes für Landwirtschaft.
  • Cerca, M., Mann, S., Kohler, A., Wunderlich, A., Logatcheva, K., van Galen, M., Helming, J., van Berkum, S.,  Rau, M. L. und Baltussen, W. (2019). Concentrate Animal Feed as an Input Good in Swiss Agricultural Production, Wageningen Economic Research und Agroscope, Studie im Auftrag des Seco.
  • Hillen, J. (2018). Wer gibt den Ton an? Ergebnisse zur Preistransmission. Vortrag auf der Agrarökonomie-Tagung Agroscope am 2. Oktober 2018.
  • Mann, S. (2013). Gentechnik und Wettbewerbsfähigkeit unter Schweizer Bedingungen.

Bibliographie

  • Bakbasel (2014). Landwirtschaft – Beschaffungsseite. Vorleistungsstrukturen und Kosten der Vorleistungen, Basel. Studie im Auftrag des Bundesamtes für Landwirtschaft.
  • Cerca, M., Mann, S., Kohler, A., Wunderlich, A., Logatcheva, K., van Galen, M., Helming, J., van Berkum, S.,  Rau, M. L. und Baltussen, W. (2019). Concentrate Animal Feed as an Input Good in Swiss Agricultural Production, Wageningen Economic Research und Agroscope, Studie im Auftrag des Seco.
  • Hillen, J. (2018). Wer gibt den Ton an? Ergebnisse zur Preistransmission. Vortrag auf der Agrarökonomie-Tagung Agroscope am 2. Oktober 2018.
  • Mann, S. (2013). Gentechnik und Wettbewerbsfähigkeit unter Schweizer Bedingungen.

Zitiervorschlag: Mariana Cerca, Stefan Mann, (2019). Warum ist Tierfutter in der Schweiz so teuer. Die Volkswirtschaft, 25. Februar.