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Warum sind Dünger und Pestizide in der Schweiz teurer als in der EU?

Dünger und Pestizide kosten in der Schweiz deutlich mehr als in den Nachbarländern Frankreich, Deutschland und Italien. Verantwortlich dafür sind unter anderem die aufgrund des komplexen Direktzahlungssystems notwendigen Fachberatungen für Bauern.
Ein Traktor zieht einen Pflanzenschutzroboter auf einem Salatfeld im freiburgischen Galmiz. (Bild: Keystone)

Schweizer Bauernhöfe wenden in der Regel 5 bis 10 Prozent der Betriebskosten für Dünger und Pestizide auf, wie Daten von Agroscope zeigen.[1] Aus früheren Studien geht hervor, dass die Preise für landwirtschaftliche Vorleistungen in der Schweiz tendenziell höher sind als in anderen europäischen Ländern und dass der Markt für Dünger und Pestizide wenig transparent ist.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat das italienische Forschungs- und Beratungsbüro Areté beauftragt, diese Preisunterschiede zwischen der Schweiz und den Nachbarländern Frankreich, Deutschland und Italien zu beziffern, die Gründe für diese Abweichungen zu ermitteln und den Einfluss des Schweizer Marktes sowie der Vertriebsstrukturen auf die hiesigen Dünger- und Pestizidpreise zu untersuchen.[2] Die Studie stützt sich hauptsächlich auf quantitative Marktdaten, qualitative Daten aus Literaturrecherchen sowie auf Expertenbefragungen.

Hohe Marktkonzentration auf dem Düngermarkt


Die vergleichende Analyse für fünf häufig verwendete Düngemittelarten zeigt: Die Preise sind in der Schweiz zwischen 16 und 45 Prozent höher als in den Nachbarländern. Im Durchschnitt beträgt die Preisdifferenz 27 Prozent (siehe Abbildung).

Die unterschiedlichen Preise lassen sich – zumindest teilweise – durch die strikten Schweizer Regelungen erklären. So führen beispielsweise die Anforderungen an das Reporting bei der Verwendung von Düngemitteln dazu, dass die meisten Landwirte auf fachliche Unterstützung und Beratung angewiesen sind, welche von den schweizerischen Düngemittel-Vertreibern übernommen werden. Diese kostspieligen Dienstleistungen sind mitverantwortlich für die höheren Preise.

Ein weiterer Kostenfaktor sind unterschiedliche Grenzwerte: Der maximal zulässige Anteil an Cadmium in mineralischem Phosphatdünger ist in der Schweiz tiefer als in den Nachbarländern – was den Import von bestimmten Düngersorten verteuert. Weiter können sich gewisse Marktteilnehmer aufgrund der Pflicht zur Lagerhaltung von bestimmten Düngemitteln dazu gezwungen sehen, diese selbst bei hohen Preisen zu kaufen.

Eine Rolle spielt auch die vergleichsweise kleine Marktgrösse der Schweiz. Zudem sind die Bauernhöfe im Durchschnitt kleiner und weniger spezialisiert als in den Nachbarländern. Bei den kleinen Liefermengen von Düngemitteln fallen die Vertriebskosten stärker ins Gewicht. Kommt hinzu: Schweizer Betriebe bevorzugen generell Düngerlieferungen im Sack gegenüber Loselieferungen, was zu höheren Kosten für Verpackungsmaterial, Beschriftung und Vertrieb der Düngemittel führt.

Zusammengenommen ergeben sich erhebliche Eintrittshürden für ausländische Lieferanten, was sich in der hohen Marktkonzentration im Einzelhandel für Dünger in der Schweiz widerspiegelt und den Konkurrenzdruck auf die etablierten Einzelhändler verringert. Entsprechend tief ist der Druck für die Einzelhändler, potenzielle Ineffizienzen im Vertriebsprozess zu reduzieren. Kommt dann auch noch die grosse Marktmacht der Schweizer Einzelhändler hinzu, sind die höheren Preise besiegelt.

Abweichungen der Schweizer Preise für ausgewählte Düngemittel




* Im Fall von Frankreich sind die Abweichungen aufgrund der verfügbaren Preisdaten (diese gelten für Losekäufe von Importeuren/Grosshändlern) möglicherweise grösser.

Anmerkung: Die untersuchten Düngerpreise sind in der Schweiz im Durchschnitt 32 Prozent höher als in Deutschland. Gegenüber Frankreich beträgt der Unterschied 29 Prozent und gegenüber Italien 19 Prozent. In Frankreich und Italien waren für bestimmte Produkte keine Daten verfügbar.

Quelle: Fenaco (Schweiz), Agridea Reflex Report 2017 (für NPK 15-15-15), terre-net (Frankreich), AMI (Deutschland), Borsa Merci Modena (Italien) / Die Volkswirtschaft

Pestizide in Deutschland deutlich günstiger


Um die Pestizidpreise zu messen, wurden 50 verbreitet eingesetzte Markenprodukte miteinander verglichen. Diese können den Hauptkategorien Herbizid, Fungizid und Insektizid zugeordnet werden. Nach der vorsichtigsten Berechnungsmethode, bei welcher der tiefste Preis in der Schweiz mit dem jeweils höchsten Preis in den Nachbarländern verglichen wird, sind Insektizide durchschnittlich 68 Prozent teurer (siehe Tabelle). Bei den Herbiziden beträgt der Unterschied 63 Prozent und bei den Fungiziden 64 Prozent. Nimmt man Durchschnittspreise als Vergleichswerte, steigert sich die Differenz bei Insektiziden sogar auf 81 Prozent respektive auf 75 Prozent bei Herbiziden und auf 68 Prozent bei Fungiziden. Die grössten Preisunterschiede finden sich im Vergleich zu Deutschland.

Abweichungen der Schweizer Preise für bestimmte Pestizide




Anmerkung: Der tiefste Preis in der Schweiz wurde mit dem jeweils höchsten Preis in den Nachbarländern verglichen.

Quelle: Bericht Agridea: Reflex 2017, Stähler Suisse, Agrileader, Agrilisa, MyAgrar, Agripiù, Confagricoltura, Fitogarden, Expertenbefragungen / Die Volkswirtschaft

Bei den Pestiziden wurde eine Reihe von Schlüsselfaktoren ermittelt, die Erklärungen für die Preisunterschiede liefern. Ein solcher Faktor sind die spezifischen Anforderungen im schweizerischen Zulassungsverfahren. Zusätzlich geforderte Studien und Tests zu den Auswirkungen der Pestizide auf die Umweltbedingungen in der Schweiz erhöhen die Zulassungskosten im Vergleich zur Europäischen Union. Diese Tests, die vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) verlangt werden, sind vor allem deshalb notwendig, weil zwischen der Schweiz und der EU kein Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung der Zulassung besteht. Angesichts der bescheidenen Grösse des Schweizer Pestizidmarktes können die Hersteller nicht mit grossen Absatzmengen rechnen. Die Ausgaben zur Vermarktung der Produkte holen sie deshalb über höhere Preise wieder rein.

Darüber hinaus tragen auch die Auflagen bei den Direktzahlungen – eine der wichtigsten Formen der Agrarunterstützung in der Schweiz – zur Erhöhung der Einzelhandelspreise für Pestizide bei. Viele Landwirte nehmen zur Erfüllung der Auflagen professionelle Beratungen zur korrekten Verwendung der Pestizide in Anspruch, die sowohl von den Herstellern als auch von den Einzelhändlern erbracht werden. Um sicher zu sein, die Auflagen zu erfüllen, scheinen die Landwirte tendenziell auch Markenprodukte mit hohem Mehrwert gegenüber Generika zu bevorzugen. Die Beratungskosten decken die Anbieter über höhere Einzelhandelspreise. Dank den Direktzahlungen können sich die Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz allerdings auch eher teure landwirtschaftliche Vorleistungen leisten als Betriebe in den Nachbarländern.

Strenge Anforderungen als Handelshemmnis


Die relativ grosszügigen Direktzahlungen und die strengen diesbezüglichen Anforderungen können somit den Kauf teurerer Markenpestizide und innovativer Produkte – die eine vollständige Rückverfolgbarkeit und bewährte Zuverlässigkeit bieten sollen – begünstigen. Zudem führen sie dazu, dass Pestizidvertreiber bevorzugt werden, die die benötigten Beratungsleistungen direkt auf dem Bauernhof erbringen. Überdies schränken die Anforderungen an die Landwirte für den Erhalt von Direktzahlungen die Möglichkeit ein, Generika zu importieren, was den Konkurrenzdruck auf die nationalen Vertreiber schwächt.

In Kombination mit dem Vertriebsnetz, das aufgrund der zersplitterten Struktur des schweizerischen Agrarsektors und der zahlreichen Bauernhöfe in abgelegenen Bergregionen fragmentiert ist, ist die Notwendigkeit kostspieliger Beratungsleistungen ein wesentliches Handelshemmnis. Wie bei den Düngemitteln verhilft das Zusammenspiel dieser Faktoren den etablierten Einzelhändlern zu einer grossen Marktmacht und verringert den Druck auf die Marktteilnehmer, Ineffizienzen zu beseitigen. Diese Situation lässt die bereits hohen Vertriebspreise weiter steigen und erhöht die Einzelhandelspreise für Pestizide in der Schweiz.

Unter dem Strich zahlen in der Schweiz Landwirtschaftsbetriebe deutlich höhere Preise für Dünger und Pestizide als in Frankreich, Deutschland und Italien. Gründe dafür sind die regulatorischen Rahmenbedingungen, die wirtschaftlichen Besonderheiten der Versorgungsketten, die Struktur der Landwirtschaft und des Vertriebsnetzes für Dünger und Pestizide sowie Markteintrittsbarrieren für ausländische Anbieter.

  1. Agroscope (2015). Grundlagenbericht 2014[]
  2. Gentile E., Gentile M., Loi A. et al. (2019). Fertilizers and pesticides: Price differences between Switzerland and neighbouring countries, Studie im Auftrag des Seco. []

Zitiervorschlag: Mario Gentile, Alberico Loi, Enrica Gentile, (2019). Warum sind Dünger und Pestizide in der Schweiz teurer als in der EU. Die Volkswirtschaft, 25. Februar.