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Brot, Joghurt und Schinken: Der Mehrpreis steckt im Detailhandel

Produkte wie Brot, Joghurt und Rohschinken kosten in der Schweiz mehr als in Deutschland, Frankreich und Italien. Kostentreibend wirken in erster Linie die Verarbeitung und der Detailhandel, wie eine Analyse der Wertschöpfungsketten zeigt.
Brot wäre in der Schweiz selbst dann teurer als in Deutschland, wenn die Bauern den Mühlen das Getreide schenkten. Swissmill in Zürich. (Bild: Keystone)

Kein anderes Land in Europa hat so hohe Lebensmittelpreise wie die Schweiz. Laut der Statistikbehörde Eurostat liegen sie um 73 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Bei allen anderen Warengruppen ist der Preisunterschied geringer. Während Haushaltsgeräte noch um etwa 20 Prozent teurer sind als in der EU, sind Möbel und Unterhaltungselektronik sogar etwas günstiger.

Im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) haben wir die Lebensmittelpreise entlang der Wertschöpfungsketten von Weissbrot, Naturjoghurt und Rohschinken untersucht.[1] Diese drei Lebensmittel stehen exemplarisch für je ein Getreide-, Milch- und Fleischprodukt. In der Studie analysierten wir die Produktions- und Handelsdaten, den Preis, die Kosten sowie den Ertrag. Dazu verglichen wir, je nach Lebensmittel, die Situation in der Schweiz mit Deutschland, Frankreich und Italien. Zusätzlich befragten wir Sektorexperten und Marktakteure in diesen Ländern. Als wichtigste Ursache für die Preisunterschiede werden oft Einfuhrzölle auf Agrarprodukte genannt. So können viele Produkte – wie beispielsweise Weizen – nur innerhalb von beschränkten Zollkontingenten günstig in die Schweiz eingeführt werden.

Handel erfolgt an unterschiedlichen Stellen der Wertschöpfungskette: Bei Weissbrot stammt beispielsweise rund die Hälfte des Getreides aus dem Ausland. Darüber hinaus werden etwa 2 Prozent des Mehls und 5 Prozent des Brotes importiert – Tendenz steigend. Sprach früher die Verderblichkeit gegen Handel mit frischem Brot, haben moderne Lebensmitteltechnologien inzwischen auch Brot zu einer handelbaren Ware gemacht. Somit sind Preise und Kosten aller Stufen der Wertschöpfungskette miteinander zu vergleichen. Sind es also die hohen Produktionskosten der Lebensmittel, die die hohen Preise in der Schweiz verursachen?

Weissbrot ist doppelt so teuer


Im Supermarkt kostet ein Kilogramm Weissbrot in der Schweiz mit durchschnittlich 6 Franken doppelt so viel wie in Deutschland. Ein Blick auf die Wertschöpfungskette zeigt, dass die landwirtschaftliche Produktion bei den Mehrkosten eine untergeordnete Rolle spielt (siehe Abbildung 1). So wäre Brot selbst dann deutlich teurer als in Deutschland, wenn die Schweizer Landwirte den Mühlen ihr Getreide schenken würden – derzeit bekommen sie pro Kilogramm Brot 41 Rappen. Stattdessen sind die Mehrkosten auf den Stufen Bäckereien und Detailhandel (Supermärkte) zu finden. Erstens liegen die Lohnkosten in der Schweiz deutlich höher als in Deutschland, was sich fast proportional auf die Arbeitskosten der Bäcker und Detailhändler niederschlägt. Zweitens sind die Infrastrukturkosten, die unter anderem sowohl Kosten für Gebäude als auch für Marketing umfassen, wesentlich höher. Diese Infrastrukturkosten sind indirekt zum Teil wiederum dem höheren Lohnkostenniveau geschuldet. Schliesslich ist die Gewinnmarge im Schweizer Detailhandel mit 6 Prozent deutlich höher als im nördlichen Nachbarland, wo der harte Wettbewerb auf Detailhandelsstufe kaum Margen zulässt.

Abb. 1: Mehrkosten von einem Kilo Weissbrot entlang der Schweizer Wertschöpfungskette im Vergleich zu Deutschland




Anmerkung: Eurostat-Daten für 2013–2015, ohne Mehrwertsteuer. Umrechnung in Franken basierend auf durchschnittlichen jährlichen Eurostat-Wechselkursen. Für Details siehe Studie.


Quelle: Experteninformation/Interviews und Eurostat-Daten, Berechnungen Wageningen Economic Research / Die Volkswirtschaft

Joghurt: Vergleich mit Frankreich


Beim Naturjoghurt untersuchten wir die Kosten beziehungsweise den Preisunterschied zum Referenzland Frankreich. Schlägt das Kilogramm Naturjoghurt in Frankreich mit umgerechnet 1.84 Franken zu Buche, muss in der Schweiz im Durchschnitt 2.22 Franken bezahlt werden. Der Unterschied beträgt somit rund 40 Rappen.

Wie beim Brot beginnen die höheren Kosten in der Wertschöpfungskette bei der Primärproduktion. So kostet die Produktion eines Liters Milch in der Schweiz zwischen 60 und 70 Rappen – das sind umgerechnet rund 20 Rappen mehr als in Frankreich. Kostentreibend sind kleinere und pro Stallplatz teurere Milchviehställe. Dagegen halten sich die Futterkosten pro Liter Milch in beiden Ländern die Waage. Denn während die Kraftfutterkosten pro Tonne in der Schweiz zwar deutlich höher sind, ist der Anteil von im Vergleich zu Kraftfutter günstigerem Gras, Heu und Silage in der Futterration von Schweizer Milchkühen ebenfalls deutlich höher. Allerdings spielt es für die durchschnittlich höheren Kosten in der Schweiz auch eine Rolle, dass der Anteil von kostenintensiver produzierter Bio-Milch mit 7 Prozent über dem französischen Anteil von 2 Prozent liegt und Verbraucher in der Schweiz somit Bio-Milch und deren ökologische Qualität tendenziell bevorzugen.

Auf der nächsten Stufe der Wertschöpfungskette – bei den Molkereien – stechen die Grössenunterschiede ins Auge: Während Emmi als grösster Milchverarbeiter der Schweiz jährlich 3,4 Milliarden Franken umsetzt, sind es beim grössten französischen Milchverarbeiter Danone 28 Milliarden Franken.[2] Der Grössennachteil übersetzt sich in der Schweiz aber keinesfalls in höhere Verarbeitungskosten. Im Gegenteil: Die meist kleinbetrieblichen Milchverarbeiter scheinen einen gewissen komparativen Vorteil zu haben (siehe Abbildung 2). Zwar liegen die Arbeitskosten bei der Milchverarbeitung über denen in Frankreich, was aber durch vergleichsweise niedrigere Infrastruktur- bzw. Allgemeinkosten kompensiert wird. Beim Joghurt dürften diese Kosten in der Schweiz vor allem durch die vertikale Integration und Marktkonzentration in der Wertschöpfungskette niedriger sein als in Frankreich. Zum Beispiel sind die Kosten bei der Milchverarbeitung in der Schweiz niedriger als in Frankreich, weil dort auf dieser Wertschöpfungsstufe Marketing- und Kommunikationskosten anfallen. In der Schweiz sind diese Kosten vor allem im integrierten Detailhandel zu finden. Des Weiteren werden auf der Stufe Detailhandel in der Schweiz höhere Margen erzielt, sodass hier im Vergleich zu den anderen Stufen in der Wertschöpfungskette die grössten Mehrkosten zu verzeichnen sind.

Abb. 2: Mehrkosten von einem Kilo Joghurt entlang der Schweizer Wertschöpfungskette im Vergleich zu Frankreich


Anmerkung: Eurostat-Daten für 2013–2015, ohne Mehrwertsteuer. Umrechnung in Franken basierend auf durchschnittlichen jährlichen Eurostat-Wechselkursen. Für Details siehe Studie.

Quelle: Experteninformation/Interviews, BLW und Eurostat-Daten, Berechnungen von Wageningen Economic Research / Die Volkswirtschaft

Weiter macht die Analyse deutlich, dass eine unterschiedliche Kaufkraftstruktur auch zu unterschiedlichen Segmentierungsstrategien im Markt von Joghurt führt. Teilt man den Joghurtmarkt in fünf Qualitätssegmente auf, so finden im französischen Markt 43 Prozent des Absatzes im niedrigsten Segment statt, während es in der Schweiz nur 25 Prozent sind. Umgekehrt werden in der Schweiz 12 Prozent im obersten der fünf Segmente abgesetzt – in Frankreich sind es nur 3 Prozent. Ein weiterer Unterschied ist die Dominanz von Handelsmarken der Detailhändler in der Schweiz, die weit in die Milchverarbeitung und somit vertikal in die Wertschöpfungskette integriert sind, während in Frankreich Herstellermarken, die sich im Wettbewerb um Regalplätze im Supermarkt behaupten müssen, eine deutlich grössere Rolle spielen.

Im Vergleich des Joghurtmarktes zwischen der Schweiz und Frankreich wird die Auswirkung des EU-Binnenmarktes deutlich: Zwei Drittel der französischen Joghurtproduktion werden in andere EU-Mitgliedsländer exportiert, und umgekehrt wird ein Viertel der in Frankreich abgesetzten Joghurtmenge importiert. Im Gegensatz dazu wird in der Schweiz weniger als 1 Prozent der produzierten Joghurtmenge exportiert beziehungsweise importiert. Die Hauptgründe sind die hohen Preise beziehungsweise die limitierten Zollkontingente. Vielleicht beeinflusst auch die resultierende Bandbreite an Produkten den unterschiedlichen Konsum: Laut Eurostat isst ein Durchschnittsfranzose jährlich 28 Kilogramm Joghurt, ein Durchschnittsschweizer 17 Kilogramm.

Komplexe Wertschöpfungskette für Rohschinken


Von den drei in der Studie betrachteten Wertschöpfungsketten ist diejenige des Rohschinkens wohl die komplexeste. Schon die Aufzucht der Tiere findet gewöhnlich auf unterschiedlichen Betrieben (Ferkelproduzenten und Mastbetriebe) statt. Auch die Verarbeitung des Rohschinkens wird institutionell und räumlich oft von der Schlachtung der Tiere getrennt. Die Verpackung des Endproduktes des Rohschinkens zum Verkauf schliesslich wird teilweise von Herstellungsbetrieben (Lufttrocknung), teilweise vom Detailhandel übernommen.

Beim Rohschinken gilt zunächst zu beachten, dass der Kilopreis wesentlich höher ist als beim Brot und beim Joghurt. Der Aufpreis von 10 Franken, den die Schweizer Konsumenten für ein Kilogramm Rohschinken bezahlen, ist deshalb in Relation zu setzen zu den umgerechnet 55 Franken, die das Kilogramm Parmaschinken in Italien kostet. Laut Studie ist dieser Preisunterschied durch verschiedene Faktoren zu erklären. Auf der Stufe der landwirtschaftlichen Produktion ist beispielsweise ein grosser Unterschied bei der Bestandsgrösse auszumachen. Während in der Schweiz der gesetzlich zugelassene Höchstbestand von 1500 Masttieren nur selten ausgereizt wird, halten in Italien zahlreiche Betriebe zwischen 5000 und 10’000 Tiere. Gleichzeitig ist die Schweinehaltung in der Schweiz sowie im Vergleichsland Italien, und auch in anderen Ländern, räumlich konzentriert. Jedes vierte Schweizer Schwein lebt im Kanton Luzern, und 85 Prozent der italienischen Schweine werden in den Regionen Lombardei, Piemont und Emilia-Romagna gehalten, wo der Weg zur Verarbeitung zu Parmaschinken nicht weit ist. In beiden Ländern geht die Schweineproduktion in der Tendenz zurück, da die Nachfrage nach Schweinefleisch sinkt.

Die Marktkonzentration in der Verarbeitung ist in der Schweiz, wo sich die beiden Grossverteiler den Heimmarkt aufteilen, grösser als in Italien. Dagegen gibt es 138 Schlachthäuser allein in der Region Parma mit einer Lizenz für den entsprechenden Rohschinken. Auf der Verarbeitungsstufe sind in der Schweiz vor allem die höheren Lohnkosten preistreibend (siehe Abbildung 3).

Im Gegensatz zu Brot und Joghurt sind die Kosten in der Schweiz auf der Stufe des Detailhandels insgesamt geringer als in Italien. Während die Arbeitskosten in der Schweiz höher sind, sind die Kosten für den Verkauf verpackten Rohschinkens im Supermarkt in Italien höher als in der Schweiz. Laut dem befragten Experten entstehen in Italien im Supermarkt vergleichsweise hohe Kosten durch den Abfall von verpackter Ware, die nicht über das Verfallsdatum hinaus verkauft werden darf. In Italien geht Rohschinken meist als Frischprodukt in kleineren Geschäften über die Theke und nicht als verpacktes Produkt im Supermarkt, was zu den höheren Kosten des Detailhandels in Italien im Vergleich zur Schweiz beiträgt.

In der Schweiz haben Migros und Coop im Detailhandel einen Marktanteil von über 80 Prozent. Demgegenüber gibt es in Italien zahlreiche unabhängige kleine Detailhändler.

Gemessen am Umsatz pro Laden sind Supermärkte in Italien allgemein kleiner und damit auch die erzielten Skalenerträge. Vergleicht man die Schweiz jedoch mit Deutschland, dann sind die Grössenunterschiede geringer. In Frankreich, wo Hyper-Marchés den Markt prägen, ist der Umsatz pro Laden grösser als in der Schweiz.

Abb. 3: Mehrkosten von einem Kilo Rohschinken entlang der Schweizer Wertschöpfungskette im Vergleich zu Italien





Anmerkung: Eurostat-Daten für 2013–2015, ohne Mehrwertsteuer. Umrechnung in Franken basierend auf durchschnittlichen jährlichen Eurostat-Wechselkursen. Für Details siehe Studie.

Quelle: Experteninformation/Interviews und Eurostat-Daten, Berechnungen Wageningen Economic Research / Die Volkswirtschaft

Marktkonzentration wirkt preistreibend


Insgesamt lässt sich sagen: Obwohl die Schweizer Agrarpolitik im Verbund mit einer kleinbetrieblichen Struktur Mehrkosten verursacht, erklären diese nur einen Teil der höheren Preise in der Schweiz. Viel stärker ins Gewicht fallen die Verarbeitung und der Detailhandel. Beim Brot und beim Joghurt treiben die Marktkonzentration im Detailhandel durch Migros und Coop sowie das Vordringen der Detailhändler in die Verarbeitungsstufe die Preise in die Höhe. Des Weiteren tragen die höheren Lohnkosten massgeblich zum Preisunterschied von Lebensmitteln bei. Über die Studienergebnisse hinausgehend, lässt sich kritisch festhalten, dass die höheren Löhne und Preise auch auf die starke Bewertung des Frankens hinweisen: Solange die Kaufkraft hoch bleibt und die Zuflucht ausländischer Anleger in den Franken anhält, werden auch Weissbrot, Joghurt und Rohschinken in der Schweiz mehr kosten als anderswo.

In der Schweiz schützen Handelspolitikmassnahmen die Produktion und den heimischen Markt. Somit werden die Preise bei Brot, Joghurt und Rohschinken – sowie bei den untersuchten Zwischenprodukten – künstlich hoch gehalten, und die Marktstruktur wird hin zu einem im europäischen Vergleich hohen Konzentrationsgrad beeinflusst. Beim Rohschinken und beim Brot im Supermarkt können die Importzölle, gemessen in Franken pro Kilogramm, den ermittelten Preisunterschied nicht vollständig erklären. Hier spielen auch andere Faktoren, vor allem die Präferenz der Schweizer Verbraucher für heimische Produkte aufgrund von Qualität und Frische und deren Zahlungsbereitschaft, eine Rolle. Dadurch reduzieren sich die Importe in die Schweiz, selbst wenn die ausländischen Produkte billiger sind.

  1. Logatcheva (2019); Naturjoghurt mit einem Milchfettgehalt von 3 bis 3,5 Prozent. []
  2. Umgerechnet mittels Eurostat-Euro-Franken-Wechselkurs für das Jahr 2017 = 1,1117. []

Literaturverzeichnis

Logatcheva, Katja, Michiel van Galen, Bas Janssens, Marie-Luise Rau, Willy Baltussen, Siemen van Berkum, Stefan Mann, Ali Ferjani, Mariana Cerca (2019). Factors Driving Up Prices Along the Food Value Chain in Switzerland – Case Studies on Bread, Yoghurt, and Cured Ham, Wageningen Economic Research und Agroscope, Studie im Auftrag des Seco.


Bibliographie

Logatcheva, Katja, Michiel van Galen, Bas Janssens, Marie-Luise Rau, Willy Baltussen, Siemen van Berkum, Stefan Mann, Ali Ferjani, Mariana Cerca (2019). Factors Driving Up Prices Along the Food Value Chain in Switzerland – Case Studies on Bread, Yoghurt, and Cured Ham, Wageningen Economic Research und Agroscope, Studie im Auftrag des Seco.

Zitiervorschlag: Stefan Mann, Katja Logatcheva, Michiel van Galen, Marie-Louise Rau, (2019). Brot, Joghurt und Schinken: Der Mehrpreis steckt im Detailhandel. Die Volkswirtschaft, 25. Februar.