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An der ILO-Jubiläumskonferenz soll eine Erklärung zur Zukunft der Arbeit verabschiedet werden. Der Schweizer Botschafter Jean-Jacques Elmiger ist an vorderster Front dabei.
Jean-Jacques Elmiger, Botschafter, Vorsitzender der Jubiläumskonferenz der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), Sonderbeauftragter der Direktion für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), Bern

Standpunkt

Herr Elmiger, Sie werden im Juni die Jubiläumskonferenz der ILO in Genf leiten. Was bedeutet diese Ernennung für die Schweiz?

Die Schweiz ist Gründungsmitglied und seit 1919 Gaststaat der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Indem die ILO damals den Hauptsitz in der Rhonestadt errichtete, wurde der Grundpfeiler für die Entwicklung des internationalen Genf im 20. Jahrhundert gelegt. Die tripartiten Vertreter der 187 Mitgliedsstaaten – Regierungen, Arbeitgebende und Arbeitnehmende – müssen meine Ernennung noch bestätigen. Sie bekräftigt das Engagement der Schweiz für die ILO und steht im Einklang mit dem Ziel von Bundesrat und Parlament, die Rolle der Schweiz als Gastland auszubauen. Das Jubiläum bietet die einmalige Chance, die Bedeutung der Organisation für die Schweiz und das internationale Genf hervorzuheben. Auch im Inland wollen wir gezielt über die Aktivitäten der ILO informieren.

Welche Aufgaben haben Sie als Vorsitzender der Konferenz?

Unter anderem werde ich die Arbeiten des Plenums leiten. Hinzu kommt die Koordination der Jubiläumsaktivitäten. Insbesondere muss ich sicherstellen, dass die rund 4000 Konferenzteilnehmenden im Konsens eine Erklärung zur Zukunft der Arbeit und zur Rolle der ILO sowie eine neue internationale Norm zur Bekämpfung von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz verabschieden können.

Welches sind die strittigen Punkte bei diesem Übereinkommen?

Nach ersten Gesprächen, Schlussfolgerungen und einer Empfehlung im vergangenen Jahr herrscht noch keine Einstimmigkeit: Während einige Regierungen – insbesondere im europäischen Raum – sowie die Arbeitnehmenden einen weitgehenden und detaillierten Schutz verlangen, plädieren die Arbeitgebenden und andere Regierungen – darunter die Schweiz – für mehr Flexibilität und nationale Autonomie. Die Schweiz unterstützt das Vorgehen der ILO auf diesem Themengebiet: Für die internationale Gemeinschaft ist es unerlässlich, dass eine Organisation bei der Bekämpfung von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz die Führung übernimmt. Für griffige Massnahmen braucht es eine allseitig akzeptierte Regelung, worin klare Rechte und Pflichten sowie gemeinsame Strategien und Aktivitäten festgelegt werden müssen.

Markiert die Jubiläumskonferenz tatsächlich einen Wendepunkt für die ILO?

Hoffentlich! Vor hundert Jahren wollten die Gründungsstaaten verhindern, dass die Russische Revolution von 1917 weltweit die Arbeiterklasse ansteckt. Heutige Herausforderungen sind die Globalisierung und die Einführung neuer Technologien, welche die Arbeitswelt und unsere Gesellschaften tiefgreifend verändern. Wir müssen eine Lösung für die herrschende Ungewissheit und die Unzufriedenheit im Zusammenhang mit der sozialen Gerechtigkeit finden: Die ILO muss diese Probleme angehen und gleichzeitig die grüne Wirtschaft fördern.

Zitiervorschlag: Jean-Jacques Elmiger (2019). Standpunkt: «Eine einmalige Chance für die Schweiz». Die Volkswirtschaft, 25. März.