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Finanzmarkt: Gesetzgebung auf der Zielgeraden

Die Verordnungen zum Finanzdienstleistungsgesetz und zum Finanzinstitutsgesetz erhalten derzeit den letzten Schliff. Die Gesetzespakete, die unter anderem den Anlegerschutz verbessern, sollen Anfang 2020 in Kraft treten.
Wer eine Aktie herausgeben möchte, muss zahlreiche Regeln beachten. Büro der Schweizer Börse SIX Swiss Exchange in Zürich. (Bild: Keystone)

Im Juni 2018 hat das Parlament mit dem Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und dem Finanzinstitutsgesetz (FINIG) zwei für den Schweizer Finanzplatz zentrale branchenübergreifende Erlasse verabschiedet.[1] Sie vereinheitlichen die Wettbewerbsbedingungen, verbessern den Kundenschutz und entschlacken die Finanzmarktgesetzgebung. Die beiden Gesetze müssen nun in Verordnungen ausgeführt werden. In einer Vernehmlassung, die im Februar endete, hat der Bundesrat den Branchenverbänden und politischen Akteuren entsprechende Entwürfe unterbreitet.

Derzeit wertet das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) die Rückmeldungen aus. Worum geht es?

Klare Regeln für Finanzdienstleistungen


Die Finanzdienstleistungsverordnung (FIDLEV) konkretisiert zum einen die mit dem FIDLEG eingeführten zeitgemässen aufsichtsrechtlichen Verhaltensregeln, welche Finanzdienstleister beim Angebot und beim Erbringen ihrer Dienstleistungen beachten müssen. Die Regeln gelten beispielsweise beim Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten – wie etwa Aktien, Fonds und strukturierten Produkten –, bei der Vermögensverwaltung und bei der Anlageberatung. Sie orientieren sich an den privatrechtlichen Bestimmungen namentlich zum Auftrag, an den bewährten Regeln der Selbstregulierung sowie am EU-Recht. Konkretisiert werden insbesondere die Pflichten der Finanzdienstleister zur Information des Kunden, zu einer Eignungs- und Angemessenheitsprüfung sowie zur entsprechenden Dokumentation und Rechenschaftsablage. Weiter finden sich in der Verordnung Vorgaben zur Bearbeitung und zur bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen («best execution»). Sodann wird geregelt, wie Finanzdienstleister verhindern müssen, mit ihren Vergütungen an die Mitarbeitenden Anreize zur Missachtung gesetzlicher Pflichten oder für schädigendes Verhalten gegenüber den Kunden zu schaffen. Die Verordnung zum FIDLEG regelt schliesslich den Umgang mit Interessenkonflikten, die Registrierung von Kundenberatern sowie die konkreten Anforderungen an die neue, privat zu organisierende Registrierungsstelle für Kundenberater.

Die Reaktionen in der Vernehmlassung ergeben im Wesentlichen, dass bei den Verhaltensregeln vor allem noch Klärungsbedarf zu den Definitionen des Angebots und der Finanzdienstleistung besteht. Beide Begriffe sind zentral für die Frage, wer mit welcher seiner Tätigkeiten unter das Gesetz fällt und wer nicht.

Ausführliche Prospektregeln


Der grösste Teil der Verordnung zum FIDLEG besteht in Ausführungsbestimmungen zum Prospekt, den die Emittenten für ihre Wertpapiere veröffentlichen müssen, bevor sie diese öffentlich anbieten oder bei einer Börse (oder einem anderen Handelsplatz) ein Gesuch um deren Zulassung stellen wollen. Der Prospekt enthält für die Anleger detaillierte Angaben zum Emittenten und zum Wertpapier. In der Vernehmlassung stiessen diese Prospektregeln kaum auf Kritik.

Der grosse Umfang dieses Verordnungsteils ergibt sich daraus, dass in ihren Anhängen für jede Effektenkategorie (Beteiligungs- und Forderungspapiere, Derivate etc.) ein eigenes Schema zu Form und Inhalt des jeweiligen Prospekts abgebildet werden musste. Diese Schemata orientieren sich im Wesentlichen an den aktuellen Regularien der Schweizer Börse SIX Swiss Exchange. Die Verordnung regelt im Weiteren die Prüfung und die Veröffentlichung des Prospekts, die neu eingeführte Prüfstelle für Prospekte und deren Beaufsichtigung durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma). All diese Regeln entsprechen materiell international üblichen Standards.

Erwähnenswert ist, dass bei diversen Formen von Anleihen und auch bei strukturierten Produkten eine Prospektprüfung auch erst nach der Platzierung auf dem Markt erfolgen kann. Dies erleichtert es den Emittenten, ein marktnahes Angebot zu erstellen. Was die im Finanzdienstleistungsgesetz vorgespurten Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) angeht, so hat sich während der Arbeiten an der Verordnung ergeben, dass auf solche weitgehend verzichtet werden kann und soll. Dies deshalb, weil zum einen kleinere Unternehmen bereits von der Sache her im Prospekt oft gar keine Angaben zu machen haben und die entsprechenden Rubriken leer lassen können und zum anderen der Investor auch oder gerade bei wenig bekannten KMU einen berechtigten Anspruch auf Transparenz hat. Es hat sich hiebei als äusserst schwierig herausgestellt, für die Transparenz wichtige von unwichtigen Informationen zu trennen.

Die gleichen Probleme bestehen offenbar auch in der EU, wo der «Wachstumsprospekt» von seinem nun vorgegebenen Inhalt her kaum mehr wie angekündigt der KMU-Förderung dient. Zu bedenken ist vor allem aber auch, dass das Schweizer Parlament in den Beratungen zum FIDLEG die Ausnahmen von der Prospektpflicht deutlich ausgeweitet und auch mit Blick auf die KMU grosszügig ausgestaltet hat. So ist von vornherein kein Prospekt zu erstellen für öffentliche Angebote, die einen Gesamtwert von 8 Millionen Franken nicht übersteigen, oder für solche, die sich an weniger als 500 Anleger richten.

Basisinformationsblatt für Privatkunden


In der Verordnung zum FIDLEG werden sodann die Vorgaben für das Basisinformationsblatt (BIB) konkretisiert, das neu für komplexe Finanzinstrumente zu erstellen ist, die Privatkunden angeboten werden. Es soll nicht mehr als drei Seiten umfassen und muss insbesondere Angaben enthalten zum Ersteller, zur Art des Produkts, zum Risikoprofil des Produkts und zu den Kosten. Die entsprechenden Vorschriften lehnen sich eng an die europäische «Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte» (PRIIP) an, ohne diese indes unbesehen zu übernehmen. Insbesondere wird darauf verzichtet, zwingend die Verwendung eines Risikoindikators vorzuschreiben, da dieser für die Anleger irreführend sein kann. Ferner regelt die Verordnung zum FIDLEG die Modalitäten der Bereitstellung des Basisinformationsblattes sowie die Gleichwertigkeit ausländischer Dokumente mit dem Schweizer BIB. Diese Bestimmungen stiessen in der Vernehmlassung weitgehend auf Zustimmung.

Die Vorschläge zur erleichterten Durchsetzung von Kundenansprüchen (wie etwa Branchenschiedsgerichte, Prozesskostenfonds oder offene Parteikostenverteilung) überstanden die Vernehmlassung nicht oder wurden spätestens vom Parlament verworfen.

Übrig geblieben ist neben der Pflicht auf Herausgabe des Kundendossiers das Obligatorium für Finanzdienstleister, sich einer Ombudsstelle ihrer Branche anzuschliessen. Das Gesetz sowie die Ausführungsregeln in der FIDLEG-Verordnung überlassen die Gründung von Ombudsstellen dem Markt. So wie es heute aussieht, werden sich verschiedene Interessenten um eine Anerkennung durch das EFD bewerben. In der Vernehmlassung hat sich gezeigt, dass die gesetzliche Vorgabe der Unabhängigkeit der Ombudsstellen unterschiedlich ausgelegt wird – mit entsprechenden Folgen für die konkrete Ausgestaltung ihrer Vermittlungstätigkeit.

Vorgaben für Vermögensverwalter und Trustees


Die Verordnung zum Finanzinstitutsgesetz (FINIV) regelt die Bewilligungsvoraussetzungen und Pflichten für die einzelnen Finanzinstitute sowie die Grundzüge der Finanzmarktaufsicht. Zuunterst in der Bewilligungskaskade stehen die neu einer prudenziellen Aufsicht unterstellten unabhängigen Vermögensverwalter und Trustees.[2] Deren Anforderungen insbesondere zu Organisation, Aufgaben und ihrer Übertragung, Risikomanagement und interner Kontrolle, Mindestkapital und Eigenmitteln sind tiefer ausgestaltet als bei den übrigen Finanzinstituten.

Die laufende Aufsicht über die Vermögensverwalter und die Trustees wird von Aufsichtsorganisationen nach Massgabe eines risikobasierten Aufsichtskonzepts ausgeübt. Für dieses gibt die Finma ein System zur Risikobeurteilung sowie Mindestanforderungen vor. Die Bewilligungsvoraussetzungen und die Aufsichtstätigkeiten der Aufsichtsorganisationen sind in einer eigenständigen Aufsichtsorganisationenverordnung geregelt.

In der Vernehmlassung kamen aus der Vermögensverwalter- und der Trustbranche Anpassungsvorschläge zu den Betriebsanforderungen sowie zur Aufsicht. Diese betrafen namentlich die Organe, die finanziellen Mittel und die Rechnungslegung.

Nebst Vermögensverwaltern und Trustees erfasst die Verordnung zum FINIG auch die Verwalter von Kollektivvermögen (das heisst von kollektiven Kapitalanlagen und neu auch von Vorsorgeeinrichtungen), Fondsleitungen und Wertpapierhäuser (vormals Effektenhändler). Für diese in der Bewilligungskaskade über den Vermögensverwaltern und Trustees stehenden Institute gelten abgestufte und teils höher ausgestaltete Anforderungen zu Organisation, Aufgaben und ihrer Übertragung, Risikomanagement und interner Kontrolle, Mindestkapital und Eigenmitteln. Dazu werden die in der geltenden Kollektivanlagenverordnung und der Börsenverordnung enthaltenen Bestimmungen über Vermögensverwalter kollektiver Kapitalanlagen, Fondsleitungen und Effektenhändler grundsätzlich materiell unverändert in die FINIG-Verordnung übernommen.

Verwalter von Kollektivvermögen, Fondsleitungen und Wertpapierhäuser werden durch die Finma beaufsichtigt, wobei die Überwachung über die Einhaltung der vorsorgerechtlichen Vorschriften durch Verwalter von Vorsorgevermögen im Kompetenzbereich der für die Vorsorgeeinrichtungen zuständigen Aufsichtsbehörden verbleibt. Im Rahmen der Vernehmlassung gingen zu diesem Teil der Verordnung nur vereinzelt Anpassungsvorschläge ein.

Einführung bereits 2020


Die Verordnungen zu FIDLEG und FINIG wirken sich auf andere Bundesratsverordnungen aus. So soll die Börsenverordnung aufgehoben werden. Die meisten übrigen Änderungen betreffen die Kollektivanlagenverordnung und sind durch Anpassungen auf Gesetzesstufe bedingt (Überführung in die Verordnung zum FINIG, Anpassungen bei der Terminologie und bei Verweisen usw.). Nur wenige Änderungen sind materieller Natur. In der Vernehmlassung fanden die Vorschläge weitgehend Zustimmung.

Das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) wertet die Rückmeldungen zur Vernehmlassung bis zum Sommer aus und passt die Verordnungen entsprechend an. Im Herbst 2019 findet eine Konsultation der Verordnungen durch die parlamentarische Kommission für Wirtschaft und Abgaben statt, bevor sie der Bundesrat wohl Ende Oktober 2019 verabschiedet und mit dem FIDLEG und dem FINIG zusammen auf den 1. Januar 2020 in Kraft setzt. Die Schweiz verfügt damit in Zukunft über eine in weiten Bereichen wieder zeitgemässe Finanzmarktgesetzgebung.

  1. Die Gesetzestexte (FIDLEG und FINIG) sind im Bundesblatt abrufbar. []
  2. Als Trustee im Sinne des FINIG gilt, wer gestützt auf die Errichtungsurkunde eines Trusts im Sinne des Haager Übereinkommens vom 1. Juli 1985 gewerbsmässig Sondervermögen zugunsten der Begünstigten oder für einen bestimmten Zweck verwaltet oder darüber verfügt. []

Zitiervorschlag: Bruno Dorner, Oliver Zibung, (2019). Finanzmarkt: Gesetzgebung auf der Zielgeraden. Die Volkswirtschaft, 23. April.