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Den Strom mit Blockchain abrechnen

Immer mehr Immobilienbesitzer speisen den Strom ihrer Solaranlagen ins Netz. Die in der Schweiz entwickelte Blockchain-Anwendung «B4U» erleichtert ihnen die komplexe Abrechnung.

Den Strom mit Blockchain abrechnen

Wie verrechnet man den Strom aus Solaranlagen? Eine Blockchain-Lösung verspricht Abhilfe für Immobilienbesitzer. Montage in Luzern. (Bild: Keystone)

Der Energiemarkt ist im Umbruch. Bis Ende 2017 war die Abrechnung von Strom Sache der Energieversorgungsunternehmen. Die Energieversorgung war zentral mit Grosskraftwerken und einem entsprechenden Verteilnetz organisiert. Das Anfang 2018 in Kraft getretene neue Energiegesetz hat diese Monopolstellung aufgelockert. Neu können Hauseigentümer oder ganze Quartiere den Strom, den sie beispielsweise mit ihrer Fotovoltaikanlage selber produzieren, direkt ihren Mietern oder den Nachbarn verkaufen. Überschüssigen Strom können sie wiederum zurück ins schweizweite Netz einspeisen. Gleichzeitig können solche «Zusammenschlüsse für Eigengebrauch» (ZEV) bei Bedarf ergänzend Strom aus dem Netz beziehen.

Durch diese Veränderung wird die Stromproduktion vermehrt dezentral, der Konsum gleichzeitig stärker lokal. Konsumenten, die selber teilweise Strom produzieren, bezeichnet man als «Prosumers».

Die Dezentralisierung hat Vorteile. So sparen die ZEV-Gesellschaften beispielsweise Netzkosten, wenn sie den Strom aus ihrer Fotovoltaikanlage selber verbrauchen. Gleichzeitig ist die Verrechnung des Stroms aufwendig. Der Eigenverbrauch muss mit dem aus dem Netz bezogenen Strom verrechnet und korrekt auf jeden einzelnen Mieter heruntergebrochen werden.

«Blockchain for Utility»


Diese komplexe Verrechnung bereitet vielen ZEV Kopfzerbrechen. Bei einem zu grossen administrativen Aufwand verzichten sie möglicherweise sogar darauf, eine Fotovoltaikanlage zu installieren. Aus ökonomischer Sicht muss daher die Verrechnung vereinfacht werden.

Eine Lösung bietet «B4U», ein Produkt der Post-Tochter Postfinance und des Energieversorgers Energie Wasser Bern (EWB). Das Akronym B4U steht für «Blockchain for Utility», zu Deutsch: Blockchain für Energiedienstleistungen.

Wie funktioniert das? In den Miethaushalten werden intelligente Stromzähler installiert. Diese messen laufend die Stromverbrauchs- und gleichzeitig die Stromproduktionsdaten der ZEV. Die Zähler sind als Internet-of-Things-Komponenten mit der Blockchain verknüpft, wo sie gespeichert und für die Abrechnung genutzt werden. So entfällt für den ZEV die mühsame Verrechnung zwischen dem selber produzierten und dem aus dem Netz bezogenen Strom.

Alle Daten rund um die Stromproduktion und den Verbrauch kann der ZEV-Verantwortliche jederzeit online auf der B4U-Plattform einsehen. Im «Cockpit» findet er, grafisch aufbereitet, alle wichtigen Kennzahlen. So behält er den Überblick und kann direkt über die Web-Plattform die Verrechnung der Kosten an die Strombezüger kontrollieren. Es ist lediglich eine einmalige Registrierung nötig, danach läuft die Verrechnung automatisch. Auch die Mieter erhalten Zugriff auf die Applikation. Sie können dort jederzeit die Details zu ihrem persönlichen Stromverbrauch einsehen, den Eigenverbrauch lenken und anpassen.

Erfolgreicher Marktpilot


Die Bewährungsprobe hat B4U bereits bestanden: In einer Wohngenossenschaft und einem privaten Mehrfamilienhaus im Kanton Bern wurde B4U im vergangenen Herbst auf Herz und Nieren getestet. Der Marktpilot bestätigte: B4U deckt ein Bedürfnis der neuen dezentralen Energieversorgung über die ZEV. Anhand der Erkenntnisse, die Postfinance und EWB bezüglich der Integration einer Smartmeter-Infrastruktur in die Blockchain sammeln konnten, wird B4U nun zur Marktreife weiterentwickelt.

Ziel von B4U ist es, dass ZEV einfach, transparent, vertrauenswürdig und mit geringem personellem Aufwand betrieben werden können. Die Blockchain-Technologie bietet dafür die ideale Basis. Dass Daten auf der Blockchain rückwirkend nicht verändert, sprich nicht manipuliert, und Transaktionen sicher nachgewiesen werden können, schafft Vertrauen. Dieser Aspekt ist bei der Speicherung von Finanztransaktionsdaten wie im Falle von B4U besonders wichtig.

Während des Marktpilots im Herbst 2018 lief die Buchführung der Messdaten über eine private Blockchain-Plattform im Netz der Schweizerischen Post. Die zugrunde liegende Technologie war Hyperledger Fabric, eine Open-Source-Software der Linux Foundation. Für den Roll-out, der im Frühjahr 2019 startet, wird B4U auf der neuen, gemeinsam von der Schweizerischen Post und Swisscom betriebenen Blockchain-Infrastruktur laufen. Diese ist die erste «private Blockchain» der Schweiz, die von zwei Partnern gemeinsam betrieben wird. Sie bietet eine Lösung, die sich in wesentlichen Punkten von anderen privaten Blockchains in der Schweiz unterscheidet: Alle Daten werden vollständig in der Schweiz gespeichert, und die Infrastruktur erfüllt die hohen Sicherheitsanforderungen von Banken.

Zukunftsweisende Technologie


Die Geschäftsleitung hat das Potenzial der Blockchain-Technologie schon früh erkannt und deshalb für die im Rahmen des Innovationsprozesses von Postfinance entstandene Idee zu B4U grünes Licht gegeben. Seit zwei Jahren arbeitet ein interdisziplinäres Team von Spezialisten von Postfinance und Energie Wasser Bern am Vorhaben.

Der nächste Meilenstein für B4U steht bereits vor der Tür: Im Mai 2019 ist ein erster Roll-out mit sechs Partnerkunden aus der ganzen Schweiz geplant, darunter Energieversorger und Dienstleister aus der Energiebranche. Anschliessend soll B4U breitflächig mit weiteren Kunden ausgerollt werden – und auch für sie die Komplexität der Verrechnung von Strom aus Eigenproduktion massiv vereinfachen.

Zitiervorschlag: Matthias Egli (2019). Den Strom mit Blockchain abrechnen. Die Volkswirtschaft, 23. April.