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Der digitale Gang zur Behörde

Bund, Kantone und Gemeinden wollen das E-Government mit einer neuen Strategie vorantreiben. Auch digitale Sprachassistenten sollen in Zukunft bei Behördenanfragen mithelfen.

Der digitale Gang zur Behörde

Das Warten hat ein Ende: Der physische Gang aufs Amt könnte mit der E-Government-Strategie bald Geschichte sein. (Bild: Keystone)

Die heutige Verwaltung funktioniert nach der Zuständigkeitslogik: Meinen Baubewilligungsantrag reiche ich bei der Baudirektion ein, mit Fragen zur Steuerverfügung wende ich mich ans Steueramt, und beim Verlust meines Fahrzeugausweises gehe ich zum Strassenverkehrsamt. Ausserdem ist es heute in der Regel die Nutzerseite ؘ– also Bürger oder Unternehmen –, die einen Antrag stellt und Daten und Belege liefert. Das gängige Instrument für diesen Prozess ist das Formular. Es hat sich in der Papierform etabliert, wurde im Zuge der Internetnutzung als PDF für die elektronische Nutzung adaptiert und ist heute beispielsweise bei der Deklaration der Online-Steuererklärung zum vollelektronischen Prozess geworden. Doch nur das Medium hat sich verändert, die Rollen sind gleich geblieben: Bürger und Unternehmer agieren und liefern, die Verwaltungen prüfen und reagieren.

Eine neue Strategie ist unterwegs


Die E-Government-Strategie der Schweiz 2020–2023 soll das ändern. Das Ziel: weg von der Zuständigkeitslogik und vom reaktiven Formularmodus, hin zu einer Behörde, die einen direkten Zugang zu Informationen und Diensten bietet und die Prozesse so weit als möglich automatisiert.

Um die Ausbreitung elektronischer Behördenleistungen voranzutreiben, haben Bund, Kantone und Gemeinden 2008 gemeinsam die Organisation E-Government Schweiz gegründet. Der Steuerungsausschuss setzt sich zusammen aus politischen Vertretern aller drei Staatsebenen. Vorsitzender ist Bundespräsident Ueli Maurer. Momentan erarbeiten Fachleute aller Staatsebenen die E-Government-Strategie Schweiz für die Jahre 2020 bis 2023. Bis Ende 2019 soll sie dem Bundesrat, der Konferenz der Kantonsregierungen sowie dem Städte- und dem Gemeindeverband zur Unterzeichnung vorliegen. Bereits im Sommer wird sie ihnen zur Konsultation unterbreitet.

Als Grundlage für die Strategie hat der Steuerungsausschuss bereits wichtige Eckwerte vorgelegt. Diese bestehen aus einem Leitbild, sieben Prinzipien und vier Handlungsfeldern (siehe Abbildung). Der Bundesrat hat diese Eckwerte im November 2018 gutgeheissen.

Automatisierter Behördengang


Der Fokus des Leitbildes lautet «Digital First». Und der Name ist Programm: Bund, Kantone und Gemeinden sollen bei der Bereitstellung von Informationen und Diensten künftig digitale Kanäle priorisieren. Dabei müssen wichtige Prinzipien befolgt werden, die auch Teil der europäischen E-Government-Deklaration von Tallinn sind: Die Prozesse sollen automatisiert und zielgruppengerecht ausgestaltet sein, und es sollen innovative Technologien zum Einsatz kommen. Ausserdem müssen die einzelnen Behördenstellen zusammenarbeiten und ihre Daten austauschen, sodass die Daten gemeinsam verwaltet werden können.

Leitbild, Prinzipien und Handlungsfelder der E-Government-Strategie 2020–2023




In Zukunft könnte ein Behördengang im Internet, der auf diesen Prinzipien beruht, wie folgt aussehen: Eine Bürgerin aktiviert auf ihrem Smartphone ihre Verwaltungsapplikation, auf der ihre staatlich anerkannte elektronische Identität hinterlegt ist. Sie sagt dem digitalen Sprachassistenten, dass sie finanzielle Unterstützung für die Kindertagesstätte beantragen möchte. Das Programm leitet sie auf die entsprechende Oberfläche weiter, wo sie nur wenige Informationen angeben muss, beispielsweise ab wann und in welcher Institution die externe Kinderbetreuung beginnt. Je nachdem, welchen Kanal sie wählt, erhält die Bürgerin anschliessend eine Eingangsbestätigung der Anfrage über die Verwaltungsapp oder per E-Mail und erfährt, bis wann sie mit einem Entscheid rechnen kann. Zeitgleich löst die Anfrage auch bei der kommunalen Verwaltung einen Prozess aus: Beim Zivilstandsamt werden die nötigen Daten des betroffenen Kindes eingeholt und bei der kantonalen Steuerbehörde das Jahreseinkommen der betreffenden Familie abgefragt – alles ganz automatisch, wohlgemerkt. Auf der Grundlage dieser Daten entscheidet die Behörde dann, ob ein Anrecht auf finanzielle Unterstützung besteht. Den Entscheid kommuniziert sie der Bürgerin per E-Mail.

Einige der strategischen Prinzipien finden in diesem Beispiel Anwendung. So kommen etwa mit der künstlichen Intelligenz im digitalen Sprachassistenten innovative Technologien zum Einsatz. Ausserdem findet die Bürgerin den gesuchten Service ohne Probleme, sie muss keinen Registrierungsprozess durchlaufen, und sie gibt nur jene Daten an, welche die Verwaltung noch nicht kennt. Die übrigen erforderlichen Angaben holt die Behörde bei den betroffenen Verwaltungsstellen selbst ein. Zwar ist der Prozess nicht vollständig automatisiert, er kommt also nicht ganz ohne Antrag seitens der Bürgerin aus, aber der Aufwand beschränkt sich auf ein Minimum.

Kantone und Gemeinde sollen kooperieren


Um das oben skizzierte Szenario eines Behördengangs zu realisieren, hat der Steuerungsausschuss vier Handlungsfelder definiert. Sie bezeichnen die Bereiche, in denen Massnahmen weiterzuführen oder neu in den Umsetzungsplan aufzunehmen sind. Die Massnahmen können nationale Vorhaben oder auch lokale Projekte sein, um innovative Ansätze zu prüfen. Massnahmen im Handlungsfeld Interaktion und Partizipation werden allerdings vor allem Kantone und Gemeinden betreffen, denn der Grossteil der Behördenkontakte findet dort statt. Eine mögliche Massnahme hier könnte sein, dass Kantone und Gemeinden bei der Optimierung der Bedienbarkeit, der Zugänglichkeit und bei der Bereitstellung von Inhalten zusammenarbeiten. So könnten sie heutige Hürden bei der Nutzung von elektronischen Verwaltungsdienstleistungen ausräumen und den Umsetzungsaufwand der Behörden reduzieren.

Im Handlungsfeld Basisdienste und Infrastruktur werden schweizweite Anstrengungen nötig sein. Nur so lassen sich die anstehenden Herausforderungen, beispielsweise bei der Etablierung einer staatlich anerkannten Identität und einer gemeinsamen, behördenübergreifenden Datenverwaltung erfolgreich meistern. Auch im Bereich Organisation und rechtliche Grundlagen braucht es eine übergeordnete Koordination. Projekte, um den Rechtsetzungsbedarf abzuklären und die Steuerung in den Bereichen Digitalisierung und E-Government zu verbessern, wurden bereits Ende letzten Jahres gestartet. Die daraus entstandenen Aussprachepapiere werden die weiteren Arbeiten von E-Government Schweiz in diesem Handlungsfeld vorgeben. Massnahmen im Bereich Vertrauen und Wissen betreffen vor allem den Kulturwandel, der bei der Verwaltung, der Bevölkerung und in der Wirtschaft anzustossen ist. Denn nur wenn der Nutzen der Digitalisierung bekannt ist, kann das Vertrauen in ihre Vorteile gestärkt werden. Mögliche Massnahmen dazu könnten etwa niederschwellige Weiterbildungs- und Informationsangebote sein.

Die Verwaltung ins digitale Zeitalter befördern


Der Umsetzungsplan zur E-Government-Strategie 2020–2023 ist momentan noch in Arbeit. Erst wenn die Strategie per 1.1.2020 in Kraft getreten ist, wird der Steuerungsausschuss auch den Umsetzungsplan verabschieden. Ein Entwurf wird allerdings bereits im Sommer 2019 an Bund, Kantone und Gemeinden geschickt, wenn diese gemeinsam die Strategie konsultieren.

Werden die Eckwerte konsequent umgesetzt, wird die E-Government-Strategie die Verwaltungstätigkeit ins Zeitalter der Digitalisierung befördern. Dies kann nur gelingen, wenn Bund, Kantone und Gemeinden an einem Strang ziehen und eng zusammenarbeiten. Damit sich Bürgerinnen und Bürger zukünftig nicht mehr mit Verwaltungszuständigkeiten und dem Sammeln von Belegen aufhalten müssen, sondern mit minimalem Aufwand ihre Behördengänge im Internet erledigen können.

Zitiervorschlag: Anna Faoro (2019). Der digitale Gang zur Behörde. Die Volkswirtschaft, 23. April.