Kann in den Ferien zu Enttäuschungen führen: Der Zugriff auf Streamingdienste ist nur im Inland gewährleistet. (Bild: Keystone)
Wer kennt es nicht: Da will man in den Ferien im Ausland die neuste Episode der Lieblingsserie oder die Liveübertragung eines Fussballmatches auf dem Tablet schauen und erlebt eine unschöne Überraschung – anstelle des erwarteten Films oder Spiels erscheint eine Anzeige auf dem Bildschirm: «Dieser Titel steht in Ihrer Gegend nicht zum Ansehen zur Verfügung.» Wenn Abonnenten von Streamingdiensten während Auslandreisen den abonnierten Dienst nutzen wollen, sind Enttäuschungen nicht ausgeschlossen. Das gewünschte Programm kann zum Teil gar nicht oder nur mit Verspätung angeschaut werden. In einigen Fällen leitet der Dienst den Abonnenten auch auf das lokale, fremdsprachige Angebot um.
Nationale Nutzungslizenzen schränken ein
Solche Sperren nennt man auch Geoblocking. Technisch bedeuten sie, dass der Zugang zu Onlineangeboten regional begrenzt ist. Das System des Diensteanbieters erkennt, von welchem Land aus der Abonnent auf den Dienst zugreifen will, und ist dies nicht das Land, in welchem er gewöhnlich seinen Aufenthalt hat, wird der Zugriff auf den Dienst blockiert. Doch warum sollte ein Anbieter Geoblocking überhaupt einsetzen?
Der Grund für die Sperren liegt beim Erwerb der Nutzungslizenzen für die Inhalte. Denn die Rechte an Filmen, Songs und Sportveranstaltungen werden meist nicht weltweit vertrieben, sondern mittels Gebietslizenzen in jedem Land einzeln verkauft. Für einen Anbieter macht es deshalb wenig Sinn, eine Lizenz für einen Film über Homosexuellenrechte in Ländern zu erwerben, wo Homosexualität strafbar ist. Solche Lizenzen für Gebiete, in denen keine sinnvolle Verwertung stattfindet, führen zu vermeidbaren Mehrkosten und verteuern unnötig das Angebot für die Abonnenten. Um gleichzeitig aber Vertragsverletzungen zu vermeiden, müssen die Diensteanbieter sicherstellen, dass die lizenzierten Inhalte nur im vereinbarten Gebiet zugänglich sind. Dazu dient das Geoblocking. Dahinter können also auch relevante Interessen der Rechteinhaber und Diensteanbieter stehen. Doch was ist mit den Abonnenten? Auch sie haben Interessen. Nämlich: dass sie das bezahlte Angebot möglichst uneingeschränkt nutzen können.
Die EU bekämpft Ländersperren
Der Interessenkonflikt, der mit Geoblocking verbunden ist, zeigte sich beispielsweise in der EU. Denn obwohl die EU in vielen Bereichen bereits einen gemeinsamen Markt hat, war das Angebot einiger Onlinedienste bis vor Kurzem noch immer auf den Wohnsitzstaat beschränkt. Um auch hier einen gemeinsamen Markt zu schaffen und das Geoblocking zwischen den Einzelstaaten zu vermeiden, hat die EU die sogenannte Portabilitätsverordnung eingeführt. Sie ist seit dem 1. April 2018 in Kraft. Die Verordnung ermöglicht es, dass Abonnenten von bezahlten Onlinediensten auch bei temporären Aufenthalten im EU-Ausland auf den Dienst zugreifen können. Und um dies zu ermöglichen, bedient sich die Verordnung einer Fiktion. Diese besagt, dass der Zugriff auf den Dienst während eines vorübergehenden EU-Auslandaufenthaltes rechtlich so behandelt wird, als ob er im Wohnsitzmitgliedsstaat erfolgt wäre.
Doch die Portabilitätsverordnung gilt nur im europäischen Binnenmarkt und nur für Abonnenten mit Wohnsitz in der EU. Weil die Schweiz nicht Teil des EU-Binnenmarktes ist, können sich Schweizer Abonnenten nicht auf diese Fiktion berufen. Zwar gibt es die Möglichkeit, die Sperren durch das Errichten eines virtuellen Privaten Netzwerks (VPN) zu umgehen, doch eine solche Umgehung könnte ein strafrechtlich relevantes Verhalten darstellen.
Schweiz sucht nach Lösungen
Aktuell analysiert die Beobachtungsstelle für technische Massnahmen (BTM), welche Aspekte für Schweizer Abonnenten beim Thema Geoblocking relevant sind. Die seit 2018 ins Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) integrierte Fachstelle untersucht den Einsatz technischer Massnahmen wie Kopiersperren oder Geoblocking und inwiefern diese mit dem Urheberrecht kompatibel sind. Konkret geht es bei der aktuellen Untersuchung der BTM um die Portabilität von Onlineinhalten während vorübergehender Auslandaufenthalte. Nicht untersucht werden verwandte Themen wie beispielsweise Geoblocking beim Onlineshopping oder Roaminggebühren beim Telefonieren und Nutzen von Daten im Ausland.
Um die Frage nach der Portabilität zu klären, hat die BTM mit verschiedenen Konsumentenorganisationen, Verwertungsgesellschaften, Produzenten und Diensteanbietern Kontakt aufgenommen. Erste Abklärungen weisen darauf hin, dass die Portabilitätsfrage in der Schweiz durchaus interessiert. So informieren sich Abonnenten in diversen Internetforen, wie sie aktiv Blockingmassnahmen umgehen können. Viele scheinen hingegen zu akzeptieren, dass sie während ihrer Auslandferien nicht ihr gewohntes Programm schauen können. Doch auch die Anbieter sind nicht untätig. Sie versuchen ihr Angebot zu optimieren, um die Erwartungen der Konsumenten zu erfüllen: Sie stellen Downloads von einzelnen Filmen oder Songs zur Verfügung, welche die Abonnenten auch ortsunabhängig konsumieren können. So sind Fernsehsendungen zwar oftmals nicht live, jedoch zumindest zeitverzögert verfügbar. Die Untersuchung der BTM ist zurzeit noch nicht abgeschlossen. Ein Bericht wird voraussichtlich noch in diesem Jahr vorliegen.
Zitiervorschlag: Konrad, Sabrina (2019). Geoblocking: Die Grenzen des Internets. Die Volkswirtschaft, 23. April.