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Wohneigentum auf Zeit: Eine Win-win-Situation

Mieten oder kaufen? Mit «Wohneigentum auf Zeit» erhalten Käufer eine zusätzliche Option. Als Investoren scheinen Pensionskassen prädestiniert.
«Wohneigentum auf Zeit» ist günstiger als Mieten. Wohnhäuser am Stadtrand von Zürich. (Bild: Keystone)

Die Schweizer sind ein Volk von Mietern. Doch der Traum vieler Mieter ist es, Wohneigentümer zu werden. Mit einem Anteil von knapp 40 Prozent hat kein anderes Land in Westeuropa prozentual so wenige Haus- und Wohnungseigentümer wie die Schweiz.[1] Ein Grund dafür ist der hohe Eigenmittelbedarf. Die neue Eigentumsform «Wohneigentum auf Zeit» (WAZ) kann hier Abhilfe schaffen.

Wie der Name sagt, ist das Wohneigentum zeitlich beschränkt – im Allgemeinen auf 30 Jahre. Geht man von einer Lebensdauer der Immobilien von 100 Jahren aus, reduzieren sich die Anschaffungskosten für eine Wohnung oder ein Haus um 70 Prozent gegenüber dem traditionellen Eigentum, da der Wohneigentümer auf Zeit nur für die Laufzeit des Eigentums bezahlt. Der Rest wird durch den Investor getragen. Dadurch sinken auch die Hypothekarkosten für den WAZ-Eigentümer. Im Vergleich zur Miete sind die Kosten für das WAZ rund 10 bis 15 Prozent tiefer.

Dank Wohneigentum auf Zeit können deshalb weite Kreise der Bevölkerung ihre eigenen vier Wände erwerben. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass die neue Eigentumsform keine zusätzlichen Gesetze erfordert und mit der bestehenden Gesetzgebung umgesetzt werden kann.

Interesse ist vorhanden


Eine Onlineumfrage zur Marktakzeptanz des WAZ von Ende 2016 zeigt, dass die neue Eigentumsform sowohl bei Mietern als auch bei Wohneigentümern auf Interesse stösst.[2] Ausgewertet wurden Antworten von 996 Personen, die mehrheitlich aus der Deutschschweiz stammten. Über drei Viertel der befragten Mieter können sich grundsätzlich vorstellen, Wohneigentum auf Zeit zu haben. Nur für 18 Prozent ist dies unvorstellbar. Bei den Eigentümern können sich 72 Prozent vorstellen, ihr Wohneigentum im neuen Modell zu führen; 26 Prozent können es sich nicht vorstellen, die Übrigen sind sich unschlüssig. Aus der Studie geht hervor, dass die hohe Marktakzeptanz insbesondere auch auf den Preisvorteil des WAZ zurückzuführen ist, wobei die Reduktion der Wohnkosten für die Mieter wichtiger ist als für Eigentümer.

Beim WAZ sind zwei Parteien involviert: der Investor und der Wohneigentümer auf Zeit. Der Investor kauft eine Immobilie, saniert sie falls nötig und verkauft die einzelnen Wohneinheiten an die Wohneigentümer. Da das Wohneigentum zeitlich begrenzt ist, zahlt der Käufer bei Kaufabschluss nur den Preis für diese begrenzte Zeit.

Gemeinsamer Grundbucheintrag


Geht man von einer Lebensdauer der Immobilie von 100 Jahren aus und ist das WAZ auf 30 Jahre beschränkt, bezahlt der Käufer nur 30 Prozent des totalen Wertes der Wohneinheit. Jedes Jahr geht 1 Prozentpunkt an den Investor zurück, bis dieser am Ende der Laufzeit wieder 100 Prozent des Eigentums hält. Wichtig zu betonen ist, dass der WAZ-Käufer während der gesamten Laufzeit dieselben Rechte und Pflichten hat wie beim traditionellen Wohneigentum. Rechtlich gesehen gehen die beiden Parteien ein Gesamthandseigentum ein. Sie werden somit gemeinsam im Grundbuch eingetragen. Dabei erfordert die Veränderung der Anteile am Eigentum über die Zeit keine Änderungen im Grundbuch. Die Grundbucheintragung erfolgt somit einmalig beim Abschluss des WAZ-Kaufs.

Während der Laufzeit muss der Eigentümer dem Investor jährlich Gebühren für das Kapital, die Substanzerhaltung und das Bonitätsrisiko entrichten. Wie beim traditionellen Wohneigentum kann das Objekt bis maximal 80 Prozent belehnt werden. Dabei muss die Hypothek vom Eigentümer über 30 Jahre linear auf null amortisiert werden. Beträgt die aufgenommene Hypothek zum Beispiel 30’000 Franken, müsste der Eigentümer jährlich 1000 Franken an die Bank zurückzahlen. Dieser Aspekt ist wichtig, da der Käufer seinen Eigentumsanteil gleichzeitig jährlich um 1 Prozentpunkt reduziert.

Die Hypothek ist auch für eine Bank attraktiv. Sofern ein Investor also über eine gute Bonität verfügt, reduziert sich das Risiko der Bank erheblich. Denn: Sollte der WAZ-Eigentümer zahlungsunfähig werden, hat der Investor einen Anreiz, das Eigentum zurückzukaufen.

Nach Ablauf der Laufzeit ist der WAZ-Eigentümer wieder frei und kann sich neu orientieren. Er muss sich dabei nicht um den Verkauf kümmern. Der Investor kann im Gegenzug die Immobile wieder optimal instand setzen. Da er nun alleiniger Eigentümer ist, kann er autonom bestimmen, welche Sanierungs- und Erneuerungsmassnahmen notwendig sind, und die Immobilie optimal bewirtschaften. Dies ermöglicht es ihm, auf veränderte Bedürfnisse im Markt zu reagieren. Dadurch kann der Marktwert der Immobilie erhalten oder gar gesteigert werden. Gesamtwirtschaftlich trägt die neue Eigentumsform somit zu einer Substanzerhaltung der Immobilien bei.

Nutzen für die Volkswirtschaft


Die Vorteile von Wohneigentum auf Zeit sind für beide Parteien offensichtlich: Der WAZ-Eigentümer spart gegenüber der Miete Wohnkosten und braucht weniger Eigenmittel als bei einem herkömmlichen Immobilienkauf. Der Investor wiederum erhält eine bezüglich Rendite-Risiko-Profil attraktive Investitionsmöglichkeit.

Die neue Eigentumsform bringt auch aus volkswirtschaftlicher Sicht Vorteile. So dürfte die Wohneigentümerquote steigen, was im Sinne der politischen Zielsetzung der Wohneigentumsförderung ist und dem Verfassungsauftrag entspricht. Da das WAZ sowohl für Investoren wie auch für Mieter finanziell attraktiver ist als ein Mietobjekt, ist zu erwarten, dass in der längeren Frist die Nachfrage nach Mietwohnungen zugunsten des WAZ sinkt.

Ein weiterer volkswirtschaftlicher Pluspunkt ist die Substanzerhaltung, da das WAZ eine nach technischer, aber auch nach marktwirtschaftlicher Sichtweise optimale Bewirtschaftung von Immobilien erlaubt. Die Laufzeit von 30 Jahren entspricht laut Experten dem durchschnittlichen Sanierungszyklus einer Liegenschaft. Bei einem Renditeobjekt ist es viel schwieriger, grössere Sanierungen vorzunehmen, weil den Mietern meist gekündigt werden muss. Im Gegensatz zu den Wohneigentümern auf Zeit kennen die Mieter den Zeitpunkt der Sanierung nicht und können sich nicht darauf vorbereiten. Auch Objekte im Stockwerkeigentum können oft nicht optimal bewirtschaftet werden, wenn sich die Eigentümergemeinschaft in Bezug auf die Sanierungsarbeiten nicht einig ist. Nicht selten kommt es dadurch zu einem Sanierungsstau, was zu Mehrkosten führen kann.

Sanierungsbedarf in Milliardenhöhe


Gemäss Schätzungen der ETH Zürich befinden sich 24 Prozent aller Wohngebäude in der Schweiz in einem Sanierungsnotstand.[3] Das entspricht in etwa 28 Prozent aller Wohnungen. Im Jahr 2018 beliefen sich die geschätzten Kosten für werterhaltende Investitionen auf insgesamt 11 Milliarden Franken. Davon entfällt knapp die Hälfte auf Mietwohnungen, 29 Prozent auf Einfamilienhäuser und 23 Prozent auf Eigentumswohnungen. Das WAZ vermag hier Gegensteuer zu geben. Als Nebeneffekt wirken sich die Sanierungen positiv auf die Beschäftigung im Baugewerbe aus.

Insbesondere für Pensionskassen bietet das WAZ eine aus Rendite-Risiko-Sicht interessante Anlagemöglichkeit. Über 30 Jahre kann eine stabile Rendite mit relativ tiefem Risiko erzielt werden. Somit könnten die Pensionskassengelder attraktiv angelegt werden, was der Gesamtwirtschaft zugutekommt. Dies stellt inbesondere im aktuellen Tiefzinsumfeld und dem vorherrschenden Anlagenotstand bei institutionellen Anlegern eine Chance dar.

Ein Nachtteil des WAZ-Modells ist seine Komplexität. Dies dürfte sich negativ auf die Marktdurchdringung auswirken. In Anbetracht der heutigen Situation ist das WAZ für Anleger aber eine prüfenswerte Option.

  1. BFS (2017): Wohneigentumsquote[]
  2. Seiler Zimmermann und Wanzenried (2017). []
  3. Vgl. Schalcher et al. (2011). []

Literaturverzeichnis

  • Schalcher, Hans-Rudolf et al. (2011). Was kostet das Bauwerk Schweiz in Zukunft und wer bezahlt dafür?, Fokusstudie des Nationalen Forschungsprogramms 54, Bern.
  • Seiler Zimmermann und Wanzenried (2017). Marktakzeptanz von Wohneigentum auf Zeit, Hochschule Luzern.

Bibliographie

  • Schalcher, Hans-Rudolf et al. (2011). Was kostet das Bauwerk Schweiz in Zukunft und wer bezahlt dafür?, Fokusstudie des Nationalen Forschungsprogramms 54, Bern.
  • Seiler Zimmermann und Wanzenried (2017). Marktakzeptanz von Wohneigentum auf Zeit, Hochschule Luzern.

Zitiervorschlag: Yvonne Seiler Zimmermann, Gabrielle Wanzenried, (2019). Wohneigentum auf Zeit: Eine Win-win-Situation. Die Volkswirtschaft, 24. Juni.