Fast die Hälfte der erhaltenen Finanzkonten-Daten stammt aus Deutschland. Berliner Fernsehturm. (Bild: Shutterstock)
Im Herbst 2018 war es so weit: Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) nahm erstmals am internationalen Automatischen Informationsaustausch in Steuersachen – besser bekannt unter dem Kürzel AIA – teil. Insgesamt verschickte die ESTV rund zwei Millionen Finanzkonten an die Partnerstaaten. Umgekehrt erhielt die Schweiz von den teilnehmenden Staaten und Territorien Informationen zu rund zwei Millionen Finanzkonten. In diesem Austausch funktioniert die ESTV als Drehscheibe zu den ausländischen Staaten und Territorien, zu den Kantonen und zu den Finanzinstituten in der Schweiz.
Fast die Hälfte der erhaltenen Daten stammt aus Deutschland (siehe Abbildung 1). Danach folgen Portugal und Italien. Insgesamt tauschte die Schweiz Daten mit 36 Staaten und Territorien aus (siehe Abbildung 2). Dazu zählen alle EU-Länder einschliesslich Gibraltar, jedoch ohne Rumänien und Zypern, da diese den OCED-Standard bezüglich Datensicherheit und -vertraulichkeit nicht erfüllen. Hinzu kommen Guernsey, Island, Isle of Man, Jersey und Norwegen. Ausserhalb Europas fand der Automatische Informationsaustausch mit Australien, Japan, Kanada und Südkorea statt.
Abb. 1: Erhaltene Kontoangaben aus Partnerstaaten der Schweiz (2018, in Prozent)
Quelle: ESTV (2019) / Die Volkswirtschaft
Im vergangenen Jahr registrierten sich bei der ESTV rund 7000 Finanzinstitute aus der Schweiz. Dabei handelt es sich beispielsweise um Banken, Trusts, Stiftungen und Versicherungen. Die Finanzinstitute lieferten Angaben zu Finanzkonten von natürlichen und juristischen Personen, die in einem der Partnerstaaten oder Territorien steuerlich ansässig sind und in der Schweiz über ein Finanzkonto verfügen. Diese Daten verschickte die ESTV an die AIA-Partnerstaaten.
Im Gegenzug übermittelten die Partnerstaaten und Territorien der ESTV Angaben zu Finanzkonten von in der Schweiz steuerlich ansässigen natürlichen und juristischen Personen, die auf ihrem Gebiet ein Finanzkonto haben. Die Kantone können anhand dieser Daten nun prüfen, ob die natürlichen und juristischen Personen alle ihre Finanzkonten in den teilnehmenden Staaten und Territorien in der Steuererklärung angegeben haben.
Abb. 2: Automatischer Informationsaustausch mit Partnerstaaten der Schweiz (nach Jahr des erstmaligen Austausches)
Anmerkung: Eine Liste der Partnerstaaten der Schweiz findet sich auf der Website des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen unter dem Stichwort «Finanzkonten».
Datenplattform der ESTV
Angesichts der Millionen von Datensätzen, die unter den Ländern ausgetauscht werden, braucht es effiziente Informatiklösungen, um sinnvoll mit diesen Daten umgehen zu können. In der Schweiz stellt die ESTV den Kantonen und den Finanzinstituten hierfür eine Plattform zur Verfügung, auf der sie sich einloggen und ihre Daten hochladen bzw. herunterladen können. Auf dem Portal können die Kantone seit diesem Frühling ihre Daten filtern, nach Stichwörtern durchsuchen und herunterladen.
Die Finanzinstitute haben die Möglichkeit, ihre Daten via XML-Upload oder auch direkt aus ihrer Applikation, also von Maschine zu Maschine, zu übermitteln. Letzteres ist vor allem für grosse Finanzinstitute wichtig. Für wenig umfangreiche Meldungen besteht zudem die Möglichkeit, Datensätze mittels Onlineformular zu melden.
Diese Datensätze der Finanzinstitute müssen gemäss Vereinbarung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) dem sogenannten Common Reporting Standard (Gemeinsamer Meldestandard, GMS) entsprechen. Bevor die ESTV die Daten ans Ausland schickt, prüft die Software, ob der Standard eingehalten wird. Ausgetauscht werden die Daten über eine im Auftrag der OECD entwickelte Plattform.
In der Schweiz muss die ESTV die Datensicherheit gewährleisten. Wenn ein Land die Sicherheits- und Vertraulichkeitskriterien der OECD nicht erfüllt, liefert die Schweiz keine Daten. Dies war im vergangenen Herbst bei Rumänien und Zypern der Fall.
Schlussspurt bei den Selbstanzeigen
Der Automatische Informationsaustausch hat im Inland Auswirkungen auf die seit 2010 mögliche straflose Selbstanzeige. Seit 2010 haben die kantonalen Steuerverwaltungen 65’324 straflose Selbstanzeigen natürlicher Personen als straffrei abgeschlossen. Mit 16’105 Selbstanzeigen wurde vergangenes Jahr ein Höchstwert erreicht.
Dieser «Schlussspurt» erklärt sich dadurch, dass eine Selbstanzeige nur so lange straflos möglich ist, als die Steuerbehörde über keine Informationen zu den bisher nicht deklarierten Einkommens- und Vermögenswerten verfügt. Das ist beispielsweise nicht mehr der Fall, sobald ein Kanton Angaben zu nicht gemeldeten Finanzkonten im Ausland hat. Ab wann genau eine solche Kenntnis besteht, ist unter Juristen allerdings umstritten.
Hier die juristische Einschätzung der ESTV: «Nach Auffassung der ESTV wird die Kenntnis für dem AIA unterliegende Steuerfaktoren spätestens ab dem 30. September 2018 vorausgesetzt, sodass deren Anzeige nicht mehr aus eigenem Antrieb erfolgt. Deshalb ist nach Meinung der ESTV eine (straflose) Selbstanzeige für solche Einkommensfaktoren ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Für dem AIA unterliegende Steuerfaktoren, die erst nach 2017 bestehen, und für Steuerfaktoren aus Staaten, die dem AIA später beitreten, gilt dies analog für den 30. September des Jahres, in welchem der diesbezügliche Datenaustausch (erstmals) stattfindet. Die Kenntnis aus anderen Quellen sowie das Erfüllen der übrigen Voraussetzungen der Selbstanzeige sind unabhängig von diesem Datum.» Steuerfaktoren sind beispielsweise steuerbares Einkommen und Vermögen. Wichtig ist: Die Beurteilung obliegt der zuständigen kantonalen Steuerverwaltung.
Im Herbst 2019 verdoppelt sich die Zahl der AIA-Partnerstaaten auf insgesamt 73 Staaten und Territorien. Ein Jahr später kommen weitere 14 Staaten und Territorien hinzu. Sofern dann auch Rumänen und Zypern die AIA-Kriterien erfüllen, werden sich somit bald 89 Staaten und Territorien beteiligen. Wie sich das auf die Anzahl ausgetauschter Finanzkonten konkret auswirkt, wird sich zeigen müssen. Aber eine Steigerung der Anzahl Finanzkonten, die von der Schweiz ins Ausland gemeldet werden wie auch umgekehrt, ist zu erwarten. Die Auswirkungen des Automatischen Informationsaustausches auf die Steuereinnahmen lassen sich derzeit noch nicht abschätzen.
Zitiervorschlag: Weibel, Joel (2019). Informationen zu zwei Millionen Finanzkonten eingetroffen. Die Volkswirtschaft, 24. Juni.