Die Weltbank investiert in medizinisches Personal. Kurs zu Kindergesundheit in Liberia. (Bild: Dominic Chavez / World Bank)
Der Ursprung der multilateralen Entwicklungsbanken findet sich in den Vierziger- und Fünfzigerjahren. Damals sahen die Entwicklungsökonomen der ersten Generation den Mangel an Kapital in den Volkswirtschaften der «less-developed economies» als das Haupthindernis der wirtschaftlichen Entwicklung.[1] An der Bretton-Woods-Konferenz im Jahr 1944 gründeten die alliierten Mächte und weitere eingeladene Staaten deshalb die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD), um den wirtschaftlichen Wiederaufbau in der Nachkriegszeit zu bewältigen. Die IBRD spielt bis heute eine Vorreiterrolle im System der multilateralen Entwicklungsbanken (im Folgenden «Entwicklungsbanken»).
Allgemein gesprochen, sind Entwicklungsbanken supranationale Organisationen, gegründet durch souveräne Staaten als Aktionäre im engeren und als «Stakeholders» der internationalen Zusammenarbeit im weiteren Sinn.
Regionale Entwicklungsbanken – so zum Beispiel die Afrikanische, die Asiatische und die Interamerikanische Bank – entstanden im Kontext der Entkolonisierung in den Sechzigerjahren. Die regionalen Gründerstaaten sahen diese Institutionen als Mittel, um ihre wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu fördern. Ebenfalls in den Sechzigerjahren wurde eine Reihe von subregionalen Banken, die man auch «minilaterale Entwicklungsbanken» nennen könnte, ins Leben gerufen.[2]
Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 erschloss sich den Entwicklungsbanken ein neues Tätigkeitsgebiet: Um den Transformationsprozess in den ehemaligen Ostblockstaaten zu fördern, wurde die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) ins Leben gerufen. Das wirtschaftliche Wachstum und der politische Bedeutungszuwachs der Schwellenländer – insbesondere von China – führten 2015 zur Gründung der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) und der New Development Bank. Beide haben ihren Sitz in China. Sie übernehmen das Erfolgsmodell der klassischen Entwicklungsbank und geben gleichzeitig den aufstrebenden Volkswirtschaften des Südens mehr Gewicht.
Die Schweiz reagierte schnell auf die Öffnung der regionalen Entwicklungsbanken für nicht regionale Mitglieder und trat ihnen früh bei, weil dies Chancen für ihre internationale Präsenz in einer sich neu konstituierenden Welt eröffnete. Viel später erst, im Jahr 1992, erfolgte der Beitritt zur Weltbank. Die Gründe dafür liegen in der Währungspolitik, da der Beitritt zum Internationalen Währungsfonds (IWF) Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der Weltbank ist.[3] Dennoch unterhielt die Schweiz lange vor 1992 enge entwicklungspolitische Beziehungen mit der Weltbank – beispielsweise unterstützte sie deren Entwicklungsfonds.
Die Entwicklungsbanken sind ein zentraler Pfeiler der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit: Sie helfen die international vereinbarten Ziele zu erreichen und stellen ein geeignetes Instrument für die Umsetzung schweizerischer Programme dar.
Staaten als Aktionäre
Die multilateralen Entwicklungsbanken bilden ein Subsystem mit zahlreichen Akteuren innerhalb der immer komplexeren internationalen Finanzarchitektur (siehe Abbildung). Gemeinsam ist ihnen der Grundauftrag, nachhaltiges Wirtschaftswachstum und globale oder regionale Kooperation zu fördern. Als multilaterale Kooperationsforen bilden sie zudem ein wichtiges Bindeglied zwischen den Staaten.[4]
Entwicklungsbanken weltweit
Quelle: Prizzon und Engen (2018) / Die Volkswirtschaft
Das Aktionariat setzt sich aus Ländern unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungsstands zusammen, die auch politisch und kulturell manche Unterschiede aufweisen. Die finanziellen Beiträge der Mitglieder variieren stark, und einige Länder sind sowohl Anteilseigner als auch Kunde. Kurz: Die Interessenlagen der Aktionäre sind unterschiedlich.
Bis heute tagen die Verwaltungsräte quasi wöchentlich am Sitz der Banken. Dies erleichtert die strategische Leitung, die Aufsicht und die Kompromissfindung. Das Management der Banken kann durch diese Leitungsgremien relativ eng gesteuert werden. So nutzt die Schweiz beispielsweise ihre Einflussmöglichkeiten, um auf die Einhaltung und die Weiterentwicklung hoher Umwelt-, Sozial- und Gouvernanzstandards zu achten. Kritiker bemängeln, das System der Verwaltungsräte sei aufwendig und relativ kostenintensiv. Nur die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank verzichtet auf den permanenten Verwaltungsrat, was grössere Dynamik und Flexibilität erlauben soll.
Da die Verwaltungsräte bei allen Entwicklungsbanken weniger Sitze haben als Mitglieder, müssen Stimmrechtsgruppen gebildet werden. Dies ist der Konsensfindung förderlich – wie sich am Beispiel der Schweiz im Verwaltungsrat der Weltbank zeigen lässt: Die Schweiz bildet dort eine Stimmrechtsgruppe mit zentralasiatischen Ländern, mit denen sie sich permanent im Austausch befindet, um wenn immer möglich gemeinsame Positionen zu definieren. Obwohl der Druck zur Kompromissfindung Entscheidungsprozesse verlangsamen und Ambitionen zurückbinden kann, erlaubt er die Bildung einer soliden, von allen getragenen Grundlage für Entscheidungen.
Hebelwirkung erzielt
Entwicklungsbanken funktionieren grundsätzlich ähnlich wie Geschäftsbanken: Dank ihrem grossen Kapitalstock und ihrer guten Bonität können sie an den Finanzmärkten günstig Geld aufnehmen und damit eine beträchtliche Hebelwirkung erzielen. Innerhalb der Weltbank-Gruppe nutzten die IBRD sowie die Interational Finance Corporation (IFC) seit ihrer Gründung zum Beispiel ein Kapital von insgesamt 19 Milliarden Dollar für Finanzierungen in der Höhe von über 900 Milliarden Dollar.[5] Da sich das Kapital bei allen multilateralen Entwicklungsbanken in den Händen souveräner Staaten befindet, sind diese zugleich höchste Aufsichtsbehörde und strategisches Führungsorgan.
Profite werden nicht aufgrund der Kapitalanteile ausgeschüttet, sondern den Reserven zugewiesen. Sie können auch als Zuschüsse an die ärmsten Mitglieder fliessen. Anders als bei Geschäftsbanken erhalten die am wenigsten entwickelten Länder die besten Konditionen. Statt einer Risikoprämie finden wir hier einen in der Tarifstruktur eingebauten Solidaritätseffekt.
Neue Herausforderungen
Die Entwicklungsbanken haben über die vergangenen 75 Jahre eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit und Beharrungskraft in einer sich rasch wandelnden Welt bewiesen. Sie sind ein Schlüssel, um Engpässe bei der Infrastruktur, den Institutionen oder den Regulierungen zu beseitigen. Darüber hinaus tragen sie in Wirtschaftskrisen antizyklische Massnahmen mit. Sie haben das Vertrauen der Kunden, der Finanzmärkte und ihrer Mitgliedsländer. Ausdruck dieses Vertrauens sind die exzellenten Noten der Ratingagenturen, die hohen Kofinanzierungen durch die Mitgliedsländer und die zahlreichen Kapitalerhöhungen in der Vergangenheit.
Welche Herausforderungen gibt es? Eine permanente Aufgabe ist die Koordination des gesamten Systems der Entwicklungsbanken, da sowohl die einzelnen Institutionen als auch ihre Aktionäre spezifische Interessen verfolgen. Die Schweiz setzt sich für eine klare Arbeitsteilung der Entwicklungsbanken im Rahmen präzis definierter Mandate ein und unterstützt seit je einen systemischen Ansatz, wie ihn gegenwärtig etwa die G-20 vorantreibt.[6] Jede Bank soll ihre Stärken und komparativen Vorteile ausspielen können. Die verwendeten Instrumente gilt es zu harmonisieren und die Transparenz bei den Projekten und Programmen sicherzustellen.
Fokus auf UNO-Nachhaltigkeitsziele
Weiter sind die Entwicklungsbanken gefordert, zur Lösung einer wachsenden Zahl von transnationalen Herausforderungen wie etwa der Verschuldung, der Migration sowie dem Umwelt- und Klimaschutz beizutragen. Die Entwicklungsbanken sehen sich immer mehr auch als «Wissensbanken» und verstärken die Funktionen von Forschung und Beratung. Der Akzent verschiebt sich damit stärker auf weiche Faktoren wie das Humankapital als Grundlage aller Entwicklung.[7]
Abschliessend lässt sich sagen: Mit ihrem wirksamen und finanziell nachhaltigen Geschäftsmodell bilden die Entwicklungsbanken einen wichtigen Pfeiler der multilateralen Zusammenarbeit. Sie haben sich in ihrer Geschichte kontinuierlich entwickelt, leisten einen substanziellen Beitrag zur globalen Armutsbekämpfung und spielen mittlerweile auch eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDG). Damit bleiben sie auch in Zukunft ein bedeutender Partner der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit.
- Vgl. Bauer (1984), S. 27. []
- Humphrey (2019). []
- Bundesrat (1991), S. 1154. []
- Prizzon und Engen (2018). []
- «Sustainable Financing for Sustainable Development: World Bank Group Capital Package Proposal» prepared by the World Bank Group for the April 21, 2018 Development Committee Meeting. []
- G20 Eminent Persons Group on Global Financial Governance (2018). []
- Vgl. «Human Capital Project» der Weltbank. []
Literaturverzeichnis
- Bauer, Peter (1984). Remembrance of Studies Past: Retracing First Steps. In: Pioneers in Development. Hg. G. M. Meier und D. Seers, New York.
- Bundesrat (1991). Botschaft über den Beitritt der Schweiz zu den Institutionen von Bretton Woods vom 15. Mai 1991, BBl 1991 II 1153.
- G20 Eminent Persons Group on Global Financial Governance (2018). Making the Global Financial System Work for All, Bericht vom Oktober 2018.
- Humphrey, Chris (2019). «Minilateral» Development Banks: What the Rise of Africa’s Trade and Development Bank Says about Multilateral Governance. In: Development and Change.
- Prizzon, Annalisa und Lars Engen (2018). A Guide to Multilateral Development Banks, Overseas Development Institute London.
Bibliographie
- Bauer, Peter (1984). Remembrance of Studies Past: Retracing First Steps. In: Pioneers in Development. Hg. G. M. Meier und D. Seers, New York.
- Bundesrat (1991). Botschaft über den Beitritt der Schweiz zu den Institutionen von Bretton Woods vom 15. Mai 1991, BBl 1991 II 1153.
- G20 Eminent Persons Group on Global Financial Governance (2018). Making the Global Financial System Work for All, Bericht vom Oktober 2018.
- Humphrey, Chris (2019). «Minilateral» Development Banks: What the Rise of Africa’s Trade and Development Bank Says about Multilateral Governance. In: Development and Change.
- Prizzon, Annalisa und Lars Engen (2018). A Guide to Multilateral Development Banks, Overseas Development Institute London.
Joël Farronato, Jürg Schneider (2019). Entwicklungsbanken sind ein Erfolgsmodell. Die Volkswirtschaft, 18. Juli.
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