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Zirkulärer Schub in der Schweizer Wirtschaft

Die Wirtschaftsdachverbände Economiesuisse und Swissmem begrüssen die Fortschritte hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft. Das zeigt auch die Vielzahl der Initiativen aus der Privatwirtschaft. Der Staat ist gleichzeitig für die geeigneten Rahmenbedingungen verantwortlich.
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Dank wiederverwertbarer Materialien wie Aluminium sind Unternehmen unabhängiger von Rohstoffen und haben tiefere Materialkosten. (Bild: Keystone)

Die Schweiz hat aufgrund des hohen Wohlstandsniveaus einen überdurchschnittlichen Ressourcenverbrauch.[1] Das stellt sie vor Herausforderungen, wenn sie negative Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft vermeiden und Versorgungsrisiken minimieren will. Obwohl noch Steigerungspotenzial besteht, ist die Schweiz auf gutem Weg: Bei der Ressourcenproduktivität, die den ökonomischen Output pro Einheit verarbeitetem Material misst, gehört sie zu den Spitzenreiterinnen.[2] Und es ist ihr gelungen, das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln.[3] Weil die Schweiz ihren Ressourcenverbrauch allerdings teilweise auch ins Ausland verlagert, rückt die Nachhaltigkeit der Lieferketten ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Auch beim Recycling geniesst die Schweiz international einen sehr guten Ruf[4], und aus der ursprünglichen Abfallentsorgung entwickelte sich ein bedeutender Wirtschaftszweig.

Nachhaltigkeit als Chance


Die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie) hat ein Interesse an diesen Entwicklungen und setzt zunehmend darauf, dass Materialkreisläufe geschlossen und möglichst nachhaltige Produkte entwickelt werden. Ausschuss soll intern wiederverwendet werden, und der modulare Aufbau von Maschinen soll den Unterhalt und die Reparaturen vereinfachen.

Für eine vernetzte und weltweit agierende Branche wie die MEM-Industrie haben solche nachhaltigen Aktivitäten auch globale Auswirkungen. Die Schweiz ist innovationsstark[5] und gilt als Technologielieferantin, welche Verfahren und Anlagen für die Ressourcennutzung bereitstellt. So können Einsparungen, Effizienzfortschritte oder höhere Produktionsstandards auch bei Schwesterwerken in Drittländern Realität werden. Beispielsweise hat der Schweizer Kabel- und Elektrotechnikspezialist Huber + Suhner in China ein Werk nach Schweizer Standard erstellt, welches die Ansprüche bezüglich Nachhaltigkeit erfüllt.[6]

Nachhaltiger Ressourcengebrauch ist darauf ausgerichtet, die Energie und den Materialeinsatz bei der Herstellung von Produkten und Dienstleistungen zu minimieren. Gleichzeitig soll die Lebensdauer der Erzeugnisse optimiert und Abfälle möglichst vermieden werden. Durch Sammlung, Trennung, Behandlung und Verwertung der verbleibenden Abfälle werden Sekundärrohstoffe hergestellt und in die Wirtschaft eingespeist. Dass diese Sekundärmaterialien von guter Qualität sind, ist heute oft noch ein Knackpunkt. Ausserdem muss sich die Rückgewinnung sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich lohnen.

Neue Businessmodelle erforderlich


Dazu wird das Prinzip der nachhaltigen Ressourcenwirtschaft idealerweise im Businessmodell integriert. Aussichtsreiche Ansatzpunkte für Unternehmen sind der Ausbau des Geschäftes mit Reparaturen und Unterhalt sowie das Anbieten von Leasingmodellen. Auch die Digitalisierung dürfte ein wichtiges Element bei der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft sein. Die digitale Vernetzung von Maschinen und deren Überwachung erlauben beispielsweise eine vorausschauende Wartung. Damit werden unnötiger Materialverlust und Produktionsausfälle verhindert.

Aber eine Umstellung des Geschäftsmodells ist mit Risiken verbunden und benötigt zusätzliche Investitionen. Ausserdem müssen Fragen geklärt werden, wie zum Beispiel: Was sind die Bedürfnisse der Kunden? Und welche Technologien sind überhaupt verfügbar? Ausserdem müssen die Firmen eruieren, welche alternativen Materialien sich eignen, wie sie die Finanzierung sicherstellen können und wer Eigentümer der zu vermietenden Produkte ist. Um diese Hürden zu meistern, können neue Formen der Zusammenarbeit inner- und ausserhalb der Branche sowie der Aufbau neuer Kompetenzen hilfreich sein.

Als Lohn für die Mühen winkt den Unternehmen eine zunehmende Eigenständigkeit: Sie sind weniger abhängig von der Verfügbarkeit der Ressourcen und von den Lieferländern. Ausserdem versprechen Ökodesign und die Wiederverwertung der Rohstoffe Kosteneinsparungen. Das Modell der Kreislaufwirtschaft steigert die Kundenbindungen und zudem werden durch Leasing- oder Mietmodelle neue Marktsegmente erschlossen. Makroökonomisch verspricht eine ressourceneffiziente Produktion aufgrund reduzierter Materialkosten und geringerer Volatilität der Rohstoffpreise Vorteile.

Auch der Staat kann seinen Beitrag leisten, indem er liberale Rahmenbedingungen für ein innovationsfreundliches Umfeld gewährleistet. Konkrete Massnahmen müssten wohlüberlegt und ausgewogen sein und könnten beispielsweise aus der Schaffung von geeigneten Anreizen und der Reduktion von regulatorischen Hindernissen bestehen.

Zahlreiche neue Initiativen


In den letzten Jahren hat sich viel bewegt in der Schweizer Abfall- und Ressourcenwirtschaft. Der 2018 gegründete Verein Go for Impact etwa steht für eine Kooperation von Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und öffentlicher Hand. Inhaltlich legt der Verein den Fokus auf Rohstoffe und Materialien. Die neue Initiative will die Schweizer Wirtschaft dabei unterstützen, die negativen Umweltauswirkungen zu reduzieren und die positiven Umweltimpacts im In- und Ausland zu steigern.

Ein weiteres Beispiel ist der sogenannte Ressourcen-Trialog. Dieser führte zusammen mit betroffenen Wirtschaftsverbänden, Umweltorganisationen und staatlichen Institutionen einen Dialogprozess zur Abfall- und Ressourcenwirtschaft – unter anderem mit dem Bundesamt für Umwelt, dem Wirtschaftsdachverband Economiesuisse und dem Verband der Schweizerischen Zementindustrie Cemsuisse. Daraus entstand der Plan «Ressourcenwirtschaft 2030» mit gemeinsamem Leitbild. Die darin formulierten wichtigsten Zielsetzungen sind das Vermeiden von Abfällen und die optimale Zirkulation von Rohstoffen. Generell werden nachhaltig bewirtschaftete Primär- und Sekundärrohstoffe in der Schweiz angestrebt.

Weitere Initiativen und Aktivitäten aus der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft sind etwa die «Bewegung für eine Kreislaufwirtschaft» (Circular Economy Switzerland[7]), die Veranstaltungsreihe «Fokuskreislaufwirtschaft»[8] der Verbände Öbu und Swisscleantech oder der «Circular Economy Incubator»[9] des Impact Hub Switzerland.

Wirtschaft begrüsst Schliessung der Kreisläufe


Die Wirtschaftsdachverbände Economiesuisse und Swissmem engagieren sich für einen effizienten Schutz der Umwelt und für eine Wirtschaft, die Umweltschäden vermeidet und natürliche Ressourcen schonend einsetzt. Beide Verbände begrüssen die Stärkung der Ressourceneffizienz, die Schliessung der Stoffkreisläufe, die Steigerung der Energieeffizienz und das nachhaltige Wirtschaften.

Trotz dem hohen Umweltbewusstsein von Wirtschaft und Gesellschaft in der Schweiz liegt beim schonenden und kreislauforientierten Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen und Rohstoffen noch ein grosses Potenzial brach. Um dieses zu erschliessen und den Wandel der Geschäftsmodelle in diese Richtung zu ermöglichen, ist ein innovationsfreundliches Umfeld unerlässlich.

  1. Siehe Bfs.admin.ch und Bafu.admin.ch (Download PDF: hier). []
  2. Siehe Eea.europa.eu[]
  3. Siehe OECD (2017). OECD-Umweltprüfbericht Schweiz 2017 (Kurzfassung), Paris. []
  4. Siehe Swissrecycling.ch (Download PDF: hier). []
  5. Siehe Globalinnovationindex.org[]
  6. Siehe Hubersuhner.com[]
  7. Siehe Circular-economy.ch[]
  8. Siehe Oebu.ch[]
  9. Siehe Cetransition.ch[]

Zitiervorschlag: Knoth-Letsch, Rebecca; Roth, Christine (2019). Zirkulärer Schub in der Schweizer Wirtschaft. Die Volkswirtschaft, 18. Juli.