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Ein höherer Schwellenwert für Handelsregistereinträge?

100’000 Franken Umsatz pro Jahr: Erwirtschaftet ein Einzelunternehmen so viel oder mehr, muss es sich im Handelsregister eintragen. Zu tief sei diese Schwelle, sagen Kritiker, mit einer Erhöhung liessen sich administrative Kosten einsparen. Eine Analyse.
Ein Bratwurststand auf dem Gotthardpass. Ab wie viel Umsatz soll sich ein Unternehmen ins Handelsregister eintragen müssen? (Bild: Keystone)

Wer nach kaufmännischer Art ein Gewerbe führt und Umsatzerlöse von mindestens 100’000 Franken pro Jahr erzielt, ist verpflichtet, sein Einzelunternehmen in das Handelsregister eintragen zu lassen. Das Handelsregister ist ein amtlich geführtes und öffentlich zugängliches Register, das vor allem der Information und dem Vertrauensschutz Dritter dient. Durch den Firmenschutz kommt es aber auch den Eintragungspflichtigen selbst und der Rechtssicherheit zugute. Denn beispielsweise durch die Handelsregisterpublizität sinken für alle an einem Geschäft Beteiligten die Transaktionskosten.

Allerdings: Die Höhe des Umsatzschwellenwerts ist seit 1972 unverändert. Sie ist gleich hoch wie die Umsatzschwelle der Mehrwertsteuerpflicht, obwohl diese nichts mit handelsrechtlichen Fragen zu tun hat. Inhaltlich näher verwandt wäre der Schwellenwert der ordentlichen Buchführung und Rechnungslegung, mit 500’000 Franken ist dieser allerdings viel höher.

In den Diskussionen zur Revision des Handelsregisterrechts wurde der Bundesrat beauftragt, zu prüfen, ob der aktuelle Umsatzschwellenwert noch zeitgemäss ist.[1] Das Bundesamt für Justiz und das Staatssekretariat für Wirtschaft haben deshalb das volkswirtschaftliche Beratungsunternehmen B,S,S. mit der Durchführung einer Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) beauftragt. Das Ziel der RFA war vorrangig, die zu erwartenden volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Schwellenwertänderung aufzuzeigen und eine Kosten-Nutzen-Bilanz zu erstellen. Insgesamt sollten drei Varianten geprüft werden: zwei Varianten mit einer Erhöhung des Schwellenwerts auf 250’000 (Variante 1) resp. 500’000 Franken (Variante 2) sowie eine Variante mit einer Reduktion des Schwellenwerts auf 0 Franken (Variante 3).[2]

Geringes Potenzial für administrative Entlastung


Von einer Änderung betroffen wären zunächst nur Einzelunternehmen.[3] Bei einer Erhöhung der Umsatzschwelle könnten sich in Variante 1 rund 18’000 Einzelunternehmen und in Variante 2 rund 29’000 Einzelunternehmen aus dem Handelsregister austragen lassen, weil ihre Umsatzerlöse dann unterhalb des Schwellenwerts lägen. Vermutlich wird das jedoch nur ein kleiner Teil auch tatsächlich tun. Denn zu den Vorteilen eines Handelsregistereintrags gehören beispielsweise auch Erleichterungen im Geschäftsverkehr – und dieser Nutzen ist für die entsprechenden Unternehmen höher als die damit verbundenen Kosten.[4] Entsprechend kann man davon ausgehen, dass sich in Variante 1 nur schätzungsweise 900 Einzelunternehmen und in Variante 2 nur etwa 1500 Einzelunternehmen austragen würden. Bei einer Senkung der Umsatzschwelle auf 0 wären demgegenüber 92’000 Einzelunternehmen neu eintragungspflichtig (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Im Handelsregister eingetragene Einzelunternehmen nach Schwellenwertvarianten




Quelle: BFS / B,S,S. / Die Volkswirtschaft

Bei einer Erhöhung des Schwellenwerts entsteht ein initialer Mehraufwand für diejenigen Unternehmen, die sich aus dem Register austragen. Die kumulierten Kosten des Registeraustritts für alle diese Unternehmen betragen je nach Variante 50’000 bis 80’000 Franken (siehe Kasten).

Andererseits profitieren diese Firmen aber auch von laufenden Entlastungen. Denn sie werden in Zukunft keine Änderungen ihrer Eintragungen (Mutationen) mehr vornehmen müssen. Ebenso müssten sich künftig weniger neu gegründete Einzelunternehmen eintragen lassen. Diese administrativen Entlastungen liegen insgesamt bei 40’000 bis 60’000 Franken pro Jahr. Unter dem Strich ist das Potenzial für Entlastungen also gering.

Bei einer Senkung des Schwellenwerts würde sich der Mehraufwand demgegenüber deutlich erhöhen: Da sich ein Teil der Einzelunternehmen neu ins Handelsregister eintragen lassen müsste, entstünde ein initialer Mehraufwand von geschätzten 24 Millionen Franken. Hinzu kommen laufende Mehrbelastungen. Denn auch diese Unternehmen werden in Zukunft Mutationen vornehmen müssen. Dazu kommen neu gegründete Unternehmen, die sich in Zukunft eintragen müssen. Zwar kostet ein einzelner Handelsregistereintrag nur 260 Franken und eine Mutation nur 90 Franken, doch insgesamt liegt der administrative Mehraufwand für alle diese Unternehmen bei rund 3 Millionen Franken pro Jahr.

Höherer Aufwand für indirekt Betroffene möglich


Neben den direkt betroffenen Einzelunternehmen sind grundsätzlich auch ihre Geschäftspartner sowie weitere Akteure, die das Handelsregister nutzen, potenziell betroffen. Dazu gehören etwa Banken, Auskunftsdienstleister sowie Akteure der öffentlichen Hand wie Steuerverwaltungen, Konkurs- und Betreibungsämter sowie Ausgleichskassen (siehe Abbildung 2). Die in der Studie befragten Fachpersonen erwarten bei einer Erhöhung des Schwellenwerts eine negative Wirkung für diese Institutionen. Denn sie führt zu höheren Transaktionskosten bei der Beschaffung von Informationen, weil die bislang durch das Handelsregister beschafften Informationen durch andere Informationsquellen erhoben werden müssten. Und das ist voraussichtlich mit höherem Aufwand verbunden. Zu diesem Aufwand zählen einerseits tatsächliche finanzielle Kosten, da es sich um private Dienstleistungen handelt. Andererseits kommt der Aufwand hinzu, die Verlässlichkeit der so bezogenen Informationen abzuklären. Eine Quantifizierung dieser Auswirkungen ist schwierig.

Abb. 2: Weitere Auswirkungen einer höheren Umsatzschwelle auf Private und staatliche Stellen




 

Ein Handlungsbedarf beim Umsatzschwellenwert drängt sich mit den Ergebnissen der Studie also nicht auf. Die RFA skizziert jedoch alternative Vorschläge zur administrativen Entlastung der Unternehmen beim Handelsregister. Diese schliessen teils an bereits angegangene Massnahmen an: Digitalisierung, Prozessoptimierung, Harmonisierung und Vereinfachung sind auch hier die Schlüssel zu weniger administrativem Aufwand. Zwei Beispiele: So könnte einerseits etwa die öffentliche Beglaubigung der Unterschrift von nicht persönlich anwesenden Personen durch ein digitales Identifikationsverfahren ersetzt werden. Denn das Ziel der Digitalisierung sollte eine durchgängig elektronische Anmeldung und Registerführung sein. Zu dieser Prozessoptimierung zählt deshalb andererseits auch die gemeinsame Bewirtschaftung und Nutzung von unternehmerischen Stammdaten, sodass Unternehmen ihre Daten der Verwaltung nur einmal bekannt geben müssen. Diesen Massnahmen ist – im Unterschied zu einer Änderung des Schwellenwerts – gemein, dass die Verbesserungen allen Unternehmen im Handelsregister zugutekommen würden.

  1. Siehe Postulat 17.3115, «Massgebender Umsatzschwellenwert bei einem Einzelunternehmen für die Begründung der Pflicht zur Eintragung in das Handelsregister» auf Parlament.ch. []
  2. Variante 1 entspricht dem ursprünglich eingeführten Wert unter Berücksichtigung der Inflation; Variante 2 entspricht der Harmonisierung mit dem per 2013 revidierten Rechnungslegungsrecht. []
  3. Mehr Informationen zu weiteren direkt betroffenen Akteuren finden sich in der vollständigen Studie «Regulierungsfolgenabschätzung zum Umsatzschwellenwert für die Eintragungspflicht in das Handelsregister. Analyse der volkswirtschaftlichen Auswirkungen». []
  4. Der Umstand, dass sich bereits aktuell über 80’000 Einzelunternehmen freiwillig im Handelsregister eintragen liessen, stützt diese Annahme. []

Zitiervorschlag: Harald Meier, Peter Jung, (2019). Ein höherer Schwellenwert für Handelsregistereinträge. Die Volkswirtschaft, 18. Juli.

Die Berechnung der Kosten

Den Berechnungen liegen typische Fallkosten zugrunde: Neueintragung: 260 Franken; Änderung einer Eintragung (Mutation): 90 Franken; Löschung: 60 Franken. Diese Fallkosten basieren auf Schätzungen und sind nicht Ergebnis genauer betriebswirtschaftlicher Analysen. Durch die Multiplikation der Kosten pro Fall mit den Fallzahlen ergeben sich die initialen resp. jährlichen Mehr- und Minderaufwände.