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Leitfaden will Menschenrechte im Rohstoffhandel gewährleisten

Rohstoffe werden oft mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht. Der Bund hat einen Leitfaden herausgegeben, der den Händlern hilft, das Risiko solcher Verstösse entlang ihrer Lieferketten zu kontrollieren.
Fast 60 Prozent des weltweiten Palmölhandels laufen über die Schweiz. Plantage in Malaysia. (Bild: Shutterstock)

Die Schweiz ist seit dem 19. Jahrhundert eine Drehscheibe für den globalen Rohstoffhandel. Der Rohstoffsektor steuert mittlerweile 3,8 Prozent zum Bruttoinlandprodukt bei. Das ist deutlich mehr als beispielsweise die Uhrenindustrie. Schätzungsweise über die Hälfte des Palmöls und des Kaffees sowie ein Drittel des Kakaos weltweit werden von Unternehmen mit Sitz in der Schweiz gehandelt (siehe Abbildung). Beim Gold ist die Schweiz global gesehen gar die grösste Importeurin und Exporteurin: Zwei Drittel des Edelmetalls werden hierzulande raffiniert oder gelagert. Gründe für die Bedeutung der Schweiz im Rohstoffhandel sind wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen sowie das Angebot an handelsbezogenen Dienstleistungen wie Bankfinanzierungen, Versicherungen, Zertifizierungen und professionelle Beratung. Die wichtigsten Rohstoffhandelscluster finden sich in den Kantonen Genf und Zug.

Rohstoffhandel in der Schweiz (in % des weltweiten Handels)




Mit abrupt ansteigenden Rohstoffpreisen ab dem Jahr 2000 und der Aufnahme von Gold in die Handelsstatistik im Jahr 2013 rückte der Rohstoffhandel in den Fokus der Schweizer Öffentlichkeit. Kritisiert wurden die in der Rohstoffproduktion und im Rohstoffhandel tätigen Unternehmen für ihr Risikomanagement in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen, schlechte Arbeitsbedingungen sowie Gefährdung von Gesundheit und Umwelt. Kommt hinzu: Vielen rohstoffreichen Entwicklungsländern gelingt es nicht – insbesondere aufgrund politischer Instabilität und Korruption –, ihren Reichtum für einen wirtschaftlichen Aufschwung zu nutzen (sogenannter Rohstoff-Fluch). Ausdruck eines steigenden Bewusstseins der Schweizer Bevölkerung für diese Problematik ist auch die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt», die derzeit im Parlament behandelt wird.

Der Bundesrat reagierte im Jahr 2013 mit dem «Grundlagenbericht Rohstoffe».[1] Darin skizziert er Ansätze für ein verantwortungsvolles Wirtschaften des Rohstoffsektors in der Schweiz und in den Produktionsländern. Die Empfehlungen wurden 2018 aktualisiert und verfolgen drei Hauptziele. So gilt es erstens die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Handelsplatzes sowie zweitens dessen Integrität und Nachhaltigkeit zu stärken. Drittens sollen die faktischen Kenntnisse zum Beitrag der Branche zur Schweizer Wirtschaft vertieft werden.

Für die Umsetzung der Empfehlungen ist eine interdepartementale Plattform bestehend aus dem Staatssekretariat des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) zuständig.

UNO und OECD liefern die Basis


Die Entwicklungen in der Schweiz sind eng mit den internationalen Bestrebungen zur verantwortungsvollen Unternehmensführung verknüpft. Wichtig sind insbesondere die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen sowie die Leitsätze für multinationale Unternehmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).[2]

Beide Dokumente enthalten Empfehlungen zur Sorgfaltsprüfung von Unternehmen bezüglich ihrer eigenen Aktivitäten und Lieferketten. Für Unternehmen, die Rohstoffe aus Risikogebieten abbauen, handeln und nutzen, hat die OECD ebenfalls einen spezifischen Leitfaden erstellt.[3] Eine entsprechende Anleitung stellt die Organisation auch für Firmen zur Verfügung, die in der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelproduktion tätig sind.[4]

Schweizer Leitfaden zu Rohstoffhandel


Die Schweiz veröffentlichte 2018 weltweit als erstes Land einen Leitfaden zur menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfung speziell für den Rohstoffhandel.[5] Damit setzte der Bundesrat eine zentrale Empfehlung des Grundlagenberichts um. Der Leitfaden ist das Resultat eines Multistakeholder-Prozesses. Er basiert auf zahlreichen Treffen zwischen Vertretern des EDA, des Seco, des Privatsektors, von Nichtregierungsorganisationen sowie des Kantons Genf.[6] Dank diesem Vorgehen entstand ein praxisorientiertes Instrument gestützt auf die Expertise der interessierten Gruppen.

Basierend auf den oben erwähnten Instrumenten der OECD und der UNO, vermittelt der Leitfaden praktische Ansätze für ein Sorgfaltsprüfungsverfahren von Rohstoffhandelsunternehmen im Bereich der Menschenrechte. Die Sorgfaltsprüfung soll in Bezug auf die eigenen Aktivitäten des Unternehmens und jene seiner Lieferkette (Produktion, Transport, Verkauf etc.) durchgeführt werden. In einem ersten Schritt verpflichten sich die Unternehmen in internen Leitlinien und Managementsystemen, die Menschenrechte zu respektieren – beispielsweise indem sie sich zum Handel von nachhaltig abgebauten Rohstoffen bekennen. In einem zweiten Schritt sollen festgestellte negative Auswirkungen eigener Tätigkeiten und/oder jener von Lieferanten wie etwa der Rohstoffabbau unter schlechten Arbeitsbedingungen verhindert oder vermindert werden. Dabei sollen die Unternehmen die getroffenen Massnahmen und erzielten Resultate regelmässig prüfen und öffentlich darüber berichten. Schliesslich sollen Opfer von Menschenrechtsverletzungen ein unternehmenseigenes oder -externes Verfahren zur Wiedergutmachung in Anspruch nehmen können.

Bund fördert Umsetzung


Der Leitfaden ist rechtlich kein verbindliches Instrument: Er dient dem global tätigen Rohstoffsektor dazu, gemeinsame und auf internationale Standards abgestützte Praktiken für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung zu entwickeln. Der Bundesrat legt darin seine Erwartungen an die Schweizer Rohstoffhandelsunternehmen dar.

Seit der Veröffentlichung des Leitfadens Ende 2018 fördert die Bundesverwaltung dessen Verbreitung und Umsetzung. Dazu werden Präsentationen an nationalen und internationalen Foren gehalten und Schulungen zu verschiedenen Arten von Rohstoffen durchgeführt. Zudem wird der Leitfaden in die Lehrpläne verschiedener Kurse aufgenommen, die von öffentlichen Institutionen wie der Universität Genf gemeinsam mit dem Dachverband der Rohstoffhandelsunternehmen, der Swiss Trading and Shipping Association, abgehalten werden. Darüber hinaus ist geplant, den vertieften Austausch zwischen den Unternehmen zu fördern, um Erkenntnisse zur Umsetzung des Leitfadens zu gewinnen. Schliesslich wird die Bundesverwaltung das Netzwerk der Schweizer Vertretungen im Ausland nutzen, um den Leitfaden bei Rohstoffhandelsunternehmen bekannt zu machen, die in wichtigen ausländischen Handelszentren wie London und Singapur tätig sind.

  1. EDA et al. (2013). []
  2. Deutsches Global Compact Netzwerk (2014) sowie OECD (2011 und 2018). []
  3. OECD (2016a). []
  4. OECD (2016b). []
  5. EDA und Seco (2018). []
  6. Cargill, Glencore, Swiss Trading and Shipping Association, Brot für alle, Public Eye und Swissaid. []

Bibliographie

Zitiervorschlag: Olivier Bovet, Nadja Meier, (2019). Leitfaden will Menschenrechte im Rohstoffhandel gewährleisten. Die Volkswirtschaft, 23. September.