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Region Wil erhält Schub dank Bundesdarlehen

Mit Projekten der Neuen Regionalpolitik gibt der Bund wirtschaftliche Impulse. Dies zeigt sich exemplarisch im sankt-gallischen Bronschhofen.

Region Wil erhält Schub dank Bundesdarlehen

Erfolgreiches Beispiel der Neuen Regionalpolitik: Die Gebenloo-Tüfi im sankt-gallischen Bronschhofen (Visualisierung). (Bild: AWA-SG)

Wer das Dorf Bronschhofen von Wil SG kommend Richtung Bettwiesen TG verlässt, sieht auf der linken Strassenseite ein unspektakuläres Gewerbe- und Industriegebiet: die «Gebenloo-Tüfi». Vor neun Jahren war hier noch unbebautes Bauland, das landwirtschaftlich genutzt wurde. Heute findet man eine Verpackungsfirma, eine Schreinerei, Büros eines Elektronikkonzerns und die Filiale eines Grossverteilers.

Das gut vier Hektaren grosse Gelände wurde von der Gemeinde Bronschhofen zwischen 2010 und 2011 zur Nutzung für Gewerbe und Industrie vorbereitet. Dazu erstellte Bronschhofen einen Überbauungsplan, optimierte die Grundstückform und erschloss das Gebiet mit einer neuen Strasse sowie einem Fussweg, über welchen man direkt zur Haltestelle der Frauenfeld-Wil-Bahn gelangt.

An den Gesamtkosten der Arealerschliessung von 2,4 Millionen Franken hat sich das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) im Rahmen der Neuen Regionalpolitik (NRP) mit einem Darlehen von 840’000 Franken beteiligt. Mit der Neuen Regionalpolitik unterstützen Bund und Kantone das Berggebiet, den weiteren ländlichen Raum und die Grenzregionen in ihrer regionalwirtschaftlichen Entwicklung mit Darlehen und À-fond-perdu-Beiträgen.

Geduld lohnt sich


Am Beispiel der Gebenloo-Tüfi lässt sich die Wirkung der Neuen Regionalpolitik gut aufzeigen. Die Resultate des Projektes, der Überbauungsplan, die neue Strasse mit Wasser, Strom und Abwasserleitungen, sind konkret und sichtbar. Allerdings: Wirkung stellt sich erst ein, wenn sich Firmen auf dem bereitgestellten Gelände ansiedeln.

Sechs Jahre nach Projektabschluss wollte das Seco daher wissen, wie sich das Areal entwickelt hat, und liess die Wirkung des Projektes überprüfen.[1] Die Methode für diese Wirkungsmessung war in diesem Fall relativ einfach und konzentrierte sich auf das Studium vorhandener Dokumente beim Bund, dem Kanton St. Gallen und der Gemeinde Wil[2]. Zusätzlich führte das Seco Interviews mit den zuständigen Personen vor Ort durch.

Das Ergebnis der Wirkungsmessung kann sich durchaus sehen lassen. Bis 2017 wurden drei neue Unternehmen mit rund 300 Beschäftigten angesiedelt, ein viertes kommt 2019 hinzu. Wird die Arbeitsplatzdichte der Firmen hochgerechnet, ergibt sich ein Potenzial von 400 bis 500 Arbeitsplätzen.

Auf dem Areal selbst haben die Unternehmen bis anhin rund 38 Millionen Franken in Immobilien investiert. Bei einer Vollbelegung des Areals kann mit Investitionen von rund 100 Millionen Franken gerechnet werden. An diesem Beispiel zeigt sich, dass es Zeit braucht, bis sich aus Projektresultaten «Wirkung» entfaltet.

Bundesgelder als Türöffner


Welchen Anteil am guten Befund kann der Bund für sich in Anspruch nehmen? Diese Frage ist für die Rechenschaft gegenüber den Steuerzahlern wichtig und war deshalb ebenfalls Gegenstand der Wirkungsmessung. Auch hier fällt das Resultat erfreulich aus: Die Bundesmittel waren der «Türöffner» für das Projekt. Denn trotz grossem Eigeninteresse der Gemeinde Bronschhofen und des Kantons St. Gallen wäre die Gebenloo-Tüfi ohne NRP-Beiträge gar nicht oder zumindest erst zu einem späteren Zeitpunkt erschlossen worden.

Solche Wirkungsmessungen werden punktuell jedes Jahr durchgeführt. Sie ergänzen die systematisch erhobenen Monitoring- und Controlling-Daten sowie die thematischen Wirkungsevaluationen.

Auch wenn die vertieften Wirkungsmessungen auf Projektebene nur einen kleinen Teil der mehr als 2500 mit NRP-Mitteln unterstützten Projekte abdecken, ergeben sie in ihrer Summe ein realistisches Bild, was die Neue Regionalpolitik leisten kann und wo Verbesserungspotenzial besteht.

Ziele nicht immer erreicht


Und längst nicht immer gelingen die Projekte so gut wie im Fall des Gewerbeareals in Bronschhofen. So brachte eine Skigebietsverbindung zwischen der Lenzerheide und Arosa, die ebenfalls mit NRP-Darlehen mitfinanziert wurde, weniger Ersteintritte und kleinere Umsätze als geplant. Hauptverantwortlich für das bescheidene Wachstum waren allerdings die Finanzkrise und die Frankenstärke, welche zu einem Rückgang der Gästezahlen aus dem Euroraum in Graubünden führte. Dies zeigte die Wirkungsmessung des Infrastrukturprojekts.[3]

Es darf jedoch zu Recht angenommen werden, dass ohne die neue Skigebietsverbindung die Kennzahlen noch schlechter ausgefallen wären. Somit gilt: Externe Faktoren können den Erfolg eines Projektes massgeblich beeinflussen.

Werden die Projekte aus dem Blickwinkel der Effizienz, der Relevanz und der Nachhaltigkeit betrachtet, erhält man weitere wichtige Erkenntnisse. Eine erste diesbezügliche Auswertung von 27 Wirkungsstudien legt nahe, dass der Erfolgsausweis der NRP-Projekte in der Regel als zufriedenstellend bis sehr zufriedenstellend einzustufen ist (siehe Abbildung). Besonders in der Relevanz-Dimension ist die Leistung der NRP-Projekte ausgezeichnet.  Verbesserungspotenzial gibt es in erster Linie bei der Nachhaltigkeit und der Effektivität. Aufgrund der kleinen Fallzahl sind die Ergebnisse jedoch mit Vorsicht zu geniessen.

Bewertungen von 27 ausgewählten Projekten der Neuen Regionalpolitik




Quelle: Seco / Die Volkswirtschaft

Basierend auf den Wirkungsstudien erarbeitet das Seco Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren für die Projekte. Diese Erkenntnisse werden mit den Kantonen und den regionalen Projektkoordinationsstellen im Hinblick auf eine noch erfolgreichere Projektentwicklung diskutiert.

Als zentrale Erfolgsfaktoren konnten unter anderem eine Projektinitiierung «bottom-up», der Einbezug der Privatwirtschaft und interdisziplinäre Projektteams herausgearbeitet werden. Gründe für Misserfolge sind zum Beispiel überoptimistische Planungen, eine zu kurz geplante Zeitdauer, bis sich Wirkung einstellen sollte, oder zu wenig stark eingebundene Projektträger.

Seco erstellt Wirkungsmodelle


Zusammen mit den Kantonen entwickelt das Seco Wirkungsmodelle. Diese helfen bei der Steuerung der Projekte und Programme. Sie konkretisieren die angestrebten Resultate und Wirkungen. In den Monitoring-Gesprächen werden die Wirkungsmodelle diskutiert und, wo notwendig, angepasst.

Mit den so gewonnenen Erkenntnissen lässt sich die Wirkung bei künftigen Projekten und Programmen noch gezielter messen. So planen wir die Wirkungsmessung bereits in der Entwicklungsphase ein und versuchen dem Kontext angepasste, realistische Ziele zu setzen. Wirkungsmodelle sind damit ein integraler Bestandteil der Wirkungsmessung der Neuen Regionalpolitik.

«Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile»: Dieses verkürzte Zitat des griechischen Philosophen Aristoteles trifft auch auf die Wirkungsmessung in der Neuen Regionalpolitik zu. Gut verankerte Wirkungsmodelle, konsequentes Monitoring und Controlling, transparente Steuerung, ausgewählte Wirkungsstudien und Evaluationen mit wissenschaftlichem Anspruch fügen sich zu einem Gesamtbild über die Leistungsfähigkeit der Neuen Regionalpolitik.

  1. Regiosuisse (2019). []
  2. Seit 2013 gehört Bronschhofen zur Gemeinde Wil SG. []
  3. Regiosuisse (2019). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Ueli Ramseier (2019). Region Wil erhält Schub dank Bundesdarlehen. Die Volkswirtschaft, 23. September.