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Besserer Einlegerschutz macht Bankensystem stabiler

Das Bankengesetz wird zurzeit einer Revision unterzogen. Durch die Gesetzesänderung wird der Einleger- und Kundenschutz gestärkt und die Systemstabilität gefördert.
Mahnmal Lehman Brothers: Die Revision des Bankengesetzes soll die Schweiz für den Fall einer Bankeninsolvenz wappnen. (Bild: Keystone)

Die Finanzkrise von 2007 bis 2009 hat gezeigt, dass in der Schweiz kein angemessenes Regelwerk zur Sanierung und zur Abwicklung von Finanzinstituten im Liquidationsfall besteht. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) überarbeitete deshalb die Bankeninsolvenzverordnung (BIV-Finma) und setzte die umfassende Änderung im November 2012 in Kraft. Schon bald wurde jedoch klar, dass diese Verordnung möglicherweise keine genügende rechtliche Grundlage darstellt, um im Falle einer Bankensanierung in verfassungsmässige Rechtspositionen, beispielsweise in Eigentumsrechte, von Eignern und Gläubigern der Bank einzugreifen. Aus diesem Grund schlug der Bundesrat in seiner Botschaft zum Finanzdienstleistungs- und zum Finanzinstitutsgesetz vom 4. November 2015 vor, auch Änderungen der Insolvenzbestimmungen im Bankengesetz vorzunehmen. Insbesondere sollten dadurch Eingriffe in verfassungsmässige Rechtspositionen nunmehr eine Grundlage auf Stufe eines formellen Gesetzes erhalten. Die Änderung des Bankengesetzes wurde durch das Parlament indes zurückgewiesen. Das Parlament forderte, dass vorgängig eine Vernehmlassung durchgeführt werden solle. In der Folge integrierte der Bundesrat die Insolvenzbestimmungen in die bereits laufende Revision des Bankengesetzes zur Sicherung der Bankeinlagen. Die Vernehmlassung dazu endete im Juni.

Klares Regelwerk zur Bankensanierung


Schon heute wird im Gesetz festgehalten, dass die Finma Sanierungsmassnahmen anordnen kann, wenn begründete Besorgnis besteht, dass eine Bank ernsthafte Liquiditätsprobleme hat oder überschuldet ist. Ob eine Sanierung durchgeführt werden kann oder nicht, hängt davon ab, ob es wahrscheinlich ist, dass eine Sanierung das Fortbestehen der Bank sichern kann oder zumindest einzelne Bankdienstleistungen weitergeführt werden können.

Das heutige Bankengesetz sieht im Sanierungsfall unter anderem vor, dass die Aktiven und Passiven auf eine Übergangsbank transferiert werden. Neu kommen auch Eingriffe in die Rechte der Eigner (in der Regel der Aktionäre) und der Gläubiger der Bank hinzu. Beispielsweise kann im von der Finma genehmigten Sanierungsplan nun angeordnet werden, dass das bisherige Eigenkapital einer Bank reduziert oder neues Eigenkapital geschaffen wird. Zudem kann sie darauf bestehen, dass Fremd- in Eigenkapital umgewandelt wird oder dass die Verpflichtungen der Bank gegenüber den Gläubigern reduziert werden (sogenannter Bail-in). Die Gesetzesvorlage sieht zudem einen Wertausgleich bei solchen Kapitalmassnahmen sowie ein überarbeitetes und ausgeweitetes Beschwerderecht gegen den Sanierungsplan vor.

Die Anpassungen des Sanierungsrechts wurden in der Vernehmlassung im Grundsatz begrüsst. Kritisiert wurde allerdings, dass die vorgeschlagenen Änderungen zu sehr auf Banken mit der Rechtsform einer Aktiengesellschaft ausgerichtet seien und deshalb nur bedingt oder gar nicht auf Banken mit anderen Rechtsformen anwendbar seien. Zudem hat sich gezeigt, dass noch weiter abgeklärt werden muss, wie Holdingforderungen im Konkursverfahren einer Bank behandelt werden.

Bank-Run verhindern


Der Schutz der Bankeinleger wurde zuletzt auf dem Höhepunkt der Finanzkrise in Form einer Sofortmassnahme gestärkt und 2011 ins ordentliche Gesetzesrecht übergeführt. Im heutigen System werden Einlagen bis maximal 100’000 Franken pro Kunde privilegiert behandelt.[1] Das gilt im Konkursfall oder wenn die Finma gegenüber einer Bank Schutzmassnahmen ergreift. Dadurch sollen einerseits die Ersparnisse der Kunden gesichert und andererseits das Vertrauen in die Banken verbessert werden, was letztlich einen sogenannten Bank-Run – also einen ansturmartigen Abzug der Kundengelder – verhindern soll.

Aus welchen Mitteln die Kunden im Krisenfall entschädigt werden, hängt davon ab, ob die insolvente Bank über genügend liquide Mittel verfügt oder nicht. Verfügt sie über solche Mittel, so erfolgt die Entschädigung bis zum genannten Maximalbetrag sofort und ausserhalb des ordentlichen Konkursverfahrens. Reichen die Mittel nicht aus, so kommt für Kundeneinlagen bei Schweizer Geschäftsstellen bis zur Maximalhöhe die Einlagensicherung zum Tragen. Sie wird durch den Verein Esisuisse getragen und durch die Banken mittels Beiträgen finanziert, die im Ereignisfall gemäss den Bestimmungen der Selbstregulierung erhoben werden. Dieses System sorgt dafür, dass die gesicherten Einlagen den Kunden möglichst rasch ausbezahlt werden können. Der Mechanismus der Einlagensicherung hat sich grundsätzlich bewährt und wird im revidierten Bankengesetz nicht infrage gestellt. Indessen wurde Handlungsbedarf in drei Teilbereichen festgestellt; dem soll die Revisionsvorlage Rechnung tragen.

Erstens sollen zwei neue Fristen für die Auszahlung aus der Einlagensicherung gelten, welche die Einlagensicherung glaubwürdiger machen: Die Auszahlung der Gelder aus der Einlagensicherung an den Konkursliquidator soll neu innert sieben (statt wie bisher zwanzig) Tagen nach der Anordnung des Konkurses oder von Schutzmassnahmen erfolgen. Danach soll innerhalb von weiteren sieben Tagen die Auszahlung an die Bankkunden erfolgen.[2] Damit diese Frist eingehalten werden kann, sind die Bankinstitute angehalten, entsprechende Vorbereitungsmassnahmen zu treffen.

Banken sollen Einlegerschutz vorgängig finanzieren


Eine weitere Anpassung betrifft die Finanzierungsart der Einlagensicherung. Die Banken sind heute lediglich verpflichtet, die Hälfte ihrer anteilsmässigen Beitragsverpflichtungen gegenüber der Einlagensicherung als zusätzliche Liquidität zu halten. Das Problem: Die Mittel zur Auszahlung der Einlagen werden von den Banken erst im Anwendungsfall bereitgestellt. Es handelt sich also um eine Ex-post-Finanzierung, die das Risiko einer prozyklischen Wirkung birgt, weil sich durch die ausgelösten Beitragsverpflichtungen auch die finanzielle Situation der Geberbanken verschärfen kann. Insbesondere bei einer Systemkrise kann das zu zusätzlichen Problemen führen. Daher soll die jetzige Regelung der zusätzlichen Liquiditätshaltung abgelöst werden. Neu sollen die Banken die Hälfte ihrer Beitragsverpflichtungen in Form leicht verwertbarer Wertschriften von hoher Qualität oder in Schweizer Franken bar bei einer Drittverwahrungsstelle dauernd und sicher hinterlegen. Alternativ besteht die Möglichkeit, der Einlagensicherung Bardarlehen zu gewähren, wovon insbesondere kleinere Institute Gebrauch machen dürften. Ziel dieser Neuerungen ist es, das System durch eine Ex-ante-Komponente zu stärken. Ein positiver Nebeneffekt davon ist, dass mit diesem Mechanismus eine später einmal zu rettende Bank bereits vorgängig selber einen Teil an die Einlagensicherung geleistet hat. Das führt zu mehr Gerechtigkeit unter den Banken.

Als dritte Neuerung wird die Maximalverpflichtung des Bankensystems gegenüber der Einlagensicherung auf 1,6 Prozent der Gesamtsumme der gesicherten Einlagen festgesetzt. Heute beträgt dieser Betrag fix 6 Milliarden Franken. In Zukunft wird der Betrag damit etwas höher, nämlich rund 7,2 Milliarden Franken sein (Stand heute) und sich abhängig von der Höhe der gesicherten Einlagen entwickeln.

Die Vernehmlassung hat gezeigt, dass die Änderungen im Bereich der Einlagensicherung begrüsst werden. Die Branche wünscht sich aber, dass die Anpassungen keine höheren Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen nach sich ziehen. Ausserdem besteht bei systemrelevanten Banken noch ein Bedarf an Abstimmung zwischen der Notfallplanung und den gesetzlich neu verlangten Vorbereitungsmassnahmen.

Wertschriften klar trennen


Neben den Änderungen zur Bankeninsolvenz und der Einlagensicherung sieht die Revision des Bankengesetzes auch strengere Vorgaben bei der Segregierung von Wertpapieren vor. Verwahrungsinstitute sollen künftig strengere Vorgaben einhalten müssen, um Kunden bei einer allfälligen Liquidierung den Zugriff auf ihre Wertschriften zu gewährleisten.

Wenn ein Anleger heute Wertpapiere kauft, so werden diese in der Regel nicht mehr selbst, sondern in Form von Bucheffekten übertragen und verwahrt. Die Wertpapiere werden also nicht mehr physisch ausgetauscht, sondern elektronisch auf die Effektenkonten eines sogenannten Verwahrers umgebucht. In der Schweiz werden für inländisch gehandelte Wertpapiere im Normalfall zwei oder drei solche Verwahrungsstellen zwischengeschaltet. Die Effekten bleiben also nicht beim Erstverwahrer (beispielsweise bei einer Bank), sondern werden an weitere Verwahrungsstellen weitergegeben. Bis anhin fehlt es an einer allgemeinen rechtlichen Verpflichtung der Verwahrer, eine Trennung (Segregierung) zwischen ihren Eigenbeständen und den Beständen ihrer Kunden vorzunehmen.

Viele Erstverwahrungsstellen nehmen die Segregierung zwar heute schon freiwillig vor. Und auch für Zentralverwahrer[3] ist die Segregierungspflicht bereits im Finanzmarktinfrastrukturgesetz verankert. Doch die Segregierung ist nicht in der ganzen Verwahrungskette und auch nicht bei einer Verwahrungskette, die ins Ausland führt, gewährleistet. Eine Aussonderung von Wertschriften an die Kunden im Rahmen eines Konkursverfahrens wird damit erschwert oder gar verunmöglicht. Diese rechtliche Lücke wird nun geschlossen. Zudem werden den Verwahrstellen zusätzliche Informationspflichten auferlegt, um die Kunden auf die Risiken bei der Verwahrung hinzuweisen. Der Zusatzaufwand für die Institute kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht quantifiziert werden. Mit Blick auf einen verstärkten Kundenschutz ist er jedoch vertretbar.

In der Vernehmlassung wurde auch diese Segregierungspflicht begrüsst. Sie sei praxiskonform und im Einklang mit dem internationalen Standard. Der Hauptkritikpunkt an der Anpassung ist die Informationspflicht. Das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) wertet momentan die Rückmeldungen zur Vernehmlassung aus und wird die Gesetzesbestimmungen entsprechend überarbeiten. Der Bundesrat wird die Botschaft zur Revision des Bankengesetzes voraussichtlich im Frühjahr 2020 verabschieden.

  1. Die Vorsorgeeinlagen werden gesondert bis zu 100’000 Franken privilegiert im Konkursverfahren behandelt und sind nicht von der Einlagensicherung erfasst. []
  2. Gerechnet ab dem Zeitpunkt, an dem die Bankkunden dem Konkursliquidator ihre Zahlungsinstruktionen gemeldet haben. []
  3. In der Schweiz wird diese Aufgabe durch die SIX SIS AG übernommen. []

Zitiervorschlag: Bruno Dorner, Anne Kathrin Herzog, (2019). Besserer Einlegerschutz macht Bankensystem stabiler. Die Volkswirtschaft, 23. Oktober.