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Die volkswirtschaftlichen Kosten des Verkehrs

Die Teilnehmer des motorisierten Verkehrs zahlen den grössten Anteil der von ihnen verursachten Verkehrskosten selber. Aber: Die negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit von Dritten werden heute eher selten berücksichtigt. Dabei gibt es bereits funktionierende Instrumente.
Der private Strassenverkehr verursacht einen Grossteil der Unfall-, Umwelt- und Gesundheitskosten. Autobahn-Dreieck Zürich-West. (Bild: Keystone)

Der Personen- und Güterverkehr bildet eine unverzichtbare Grundlage für das Funktionieren unserer Volkswirtschaft. Sein Nutzen ist zweifellos gross.[1] Zugleich verursacht er aber auch hohe Kosten. Das Bundesamt für Statistik (BFS) präsentiert in seiner «Statistik der Kosten und der Finanzierung des Verkehrs» (KFV-Statistik) eine Gesamtschau der volkswirtschaftlichen Kosten des Verkehrs in der Schweiz. 2015 beliefen sich diese für die Verkehrsträger Strasse, Schiene, Luft und Wasser auf insgesamt 89,7 Milliarden Franken. Darin inbegriffen sind neben den privaten Ausgaben für die Verkehrsmittel und die Verkehrsinfrastrukturen auch die grösstenteils externen Kosten der Unfälle sowie der verkehrsbedingten Umwelt- und Gesundheitsschäden.

Hauptverursacher: Personenverkehr auf Strasse


Die Gesamtkosten des motorisierten Verkehrs werden zu gut drei Vierteln vom Personenverkehr und zu knapp einem Viertel vom Güterverkehr verursacht (siehe Abbildung 1). Die Aufschlüsselung nach Verkehrsträgern zeigt, dass das Gros der Kosten, nämlich 80 Prozent bzw. 72 Milliarden Franken, durch den motorisierten Strassenverkehr entsteht. Der Anteil des Schienenverkehrs beträgt 12 Prozent (11,0 Milliarden), jener des Luftverkehrs 7 Prozent (6,4 Milliarden). Ungleich kleiner sind mit einem Anteil von 0,4 Prozent (344 Millionen Franken) die Kosten der Schifffahrt, zu der die öffentliche Personenschifffahrt auf den Seen und Flüssen sowie der Güterverkehr auf dem Rhein gezählt werden.

Die gesamthaft knapp 90 Milliarden Franken hohen Kosten des Verkehrs entstehen grösstenteils durch die Anschaffung, den Betrieb und den Unterhalt der Verkehrsmittel (59%). Danach folgen die Ausgaben für die Verkehrsinfrastrukturen (17%), die verkehrsbedingten Schäden an Umwelt und menschlicher Gesundheit (13%) sowie die Unfallkosten (12%) (siehe Abbildung 2). Zu den Umwelt- und Gesundheitsschäden zählen beispielsweise Erkrankungen infolge von Luftverschmutzung und Lärm, Klimaschäden aufgrund von Treibhausgas-Emissionen, Landschaftsschäden durch den Bau von Strassen und Bahnlinien oder Externalitäten bei der Herstellung und der Entsorgung von Fahrzeugen und Verkehrsinfrastrukturen (siehe Abbildung 3).

Starkes Kostenwachstum bei Zug und Flugzeug


Im Vergleich zu 2010 lagen die Gesamtkosten des Verkehrs 2015 um 4 Prozent höher (ohne Schifffahrt). Während die Kosten des motorisierten Strassenverkehrs nur moderat zunahmen (+2%), fiel der Anstieg bei der Luftfahrt (+14%) und beim Schienenverkehr (+12%) markanter aus. Hauptgrund für die starke Steigerung beim Luftverkehr war der grosse Passagierzuwachs in der betrachteten Periode (+27%). Im Schienenverkehr hingegen war die Kostenzunahme nicht nur auf die gestiegenen Fahrgastzahlen und die damit verbundenen Fahrplanverdichtungen zurückzuführen. Auch Eisenbahngrossprojekte wie der Gotthard-Basistunnel und Investitionen in modernes Rollmaterial fielen ins Gewicht. Beim Strassenverkehr dämpften tiefere Unfall- und Treibstoffkosten den Kostenanstieg. Gesamthaft stiegen die Verkehrsleistungen beim Personenverkehr um 7 Prozent und beim Güterverkehr um 6 Prozent an.

Doch wer trägt diese Kosten? Hierzu unterscheidet die KFV-Statistik zwischen vier Kostenträgern: den Verkehrsnutzenden, den Transportunternehmen, der öffentlichen Hand (Bund, Kantone, Gemeinden) sowie der Allgemeinheit (siehe Abbildung 4). Als Allgemeinheit werden Drittpersonen bezeichnet, die von den negativen Folgen des Verkehrs betroffen sind, ohne direkt an dessen Nutzen teilzuhaben. Die Unterscheidung zwischen öffentlicher Hand und Allgemeinheit ist deshalb wichtig, weil die öffentliche Hand Kosten in der Regel bewusst übernimmt, während die Allgemeinheit unfreiwillig belastet wird.

Die Kosten des motorisierten Strassenverkehrs wurden 2015 zu 86 Prozent von den Verkehrsteilnehmenden selbst getragen. Jene des Luftverkehrs zu 81 Prozent. Dabei fällt auf, dass der private Verkehr stärker durch die Verkehrsteilnehmenden selbst finanziert wird als der öffentliche Verkehr: So konnten im Schienenverkehr lediglich 46 Prozent der Gesamtkosten durch den Verkauf von Billetten und Abonnementen gedeckt werden. Hier steuerte die öffentliche Hand mit 43 Prozent einen fast ebenso grossen Teil zur Deckung der Kosten bei wie die Verkehrsnutzenden. Insgesamt investierten Bund, Kantone und Gemeinden 2015 rund 4,7 Milliarden Franken in den Schienen- und weitere 1,9 Milliarden in den öffentlichen Strassenverkehr. Sie taten dies, um die Grundversorgung im öffentlichen Verkehr sicherzustellen und um die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene voranzutreiben.

Gegenwärtig vermag also kein Verkehrsträger die von ihm verursachten Kosten vollständig selbst zu decken. Die externen Unfall-, Umwelt- und Gesundheitsschäden belasteten die Allgemeinheit (und in geringem Masse auch die öffentliche Hand) 2015 mit insgesamt 11,3 Milliarden Franken. Diese Kosten werden aufgrund fehlender Internalisierungsbeiträge nur teilweise von den Verursachenden gedeckt. Insbesondere im privaten motorisierten Personenverkehr auf der Strasse resultierten 7,2 Milliarden Franken an ungedeckten externen Kosten (entspricht 15% der Gesamtkosten). Dies ist aus ökonomischer Sicht problematisch, da die externen Kosten nicht in die private Konsumentscheidung mit einbezogen werden und so mehr Verkehrsleistungen nachgefragt werden, als gesamtgesellschaftlich gesehen optimal wäre. Gemäss volkswirtschaftlicher Theorie entstehen dadurch Marktversagen und somit Ineffizienzen.

Externe Kosten internalisieren: So gehts


Dieses Marktversagen kann mittels geeigneter wirtschaftspolitischer Instrumente korrigiert werden. Ein Beispiel dafür sind die Internalisierungsbeiträge im Strassengüterverkehr: Im Jahr 2001 wurde infolge der Alpeninitiative die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) eingeführt.[2] Seither müssen die Betreiber von Güterfahrzeugen über 3,5 Tonnen eine distanz-, gewichts- und emissionsabhängige Gebühr entrichten. Die LSVA bietet damit einen finanziellen Anreiz, die negativen externen Effekte des schweren Strassengüterverkehrs zu minimieren. 2015 leisteten die Camionneure LSVA-Beiträge in Höhe von gesamthaft 1,4 Milliarden Franken (Reinertrag) und internalisierten damit Teile der vom Schwerverkehr verursachten Unfall-, Umwelt- und Gesundheitskosten sowie der Strassenschäden, die aufgrund der grossen Fahrzeuggewichte im Schwerverkehr entstehen. Zwei Drittel des Reinertrages der LSVA gehen an den Bund, der dieses Geld vor allem zur Kofinanzierung von Eisenbahngrossprojekten – wie etwa der Neat – einsetzt, um so die nötige Bahninfrastruktur für die Verlagerung des Strassengüterverkehrs auf die Schiene bereitzustellen. Das verbleibende Drittel erhalten die Kantone für den Ausgleich der ungedeckten Kosten des Strassenverkehrs.

Die LSVA ist aktuell das einzige Politikinstrument, das die externen Kosten des Verkehrs substanziell internalisiert und das daraus resultierende Marktversagen korrigiert. So werden die vom Schwerverkehr verursachten externen Unfall-, Umwelt- und Gesundheitskosten zur Hälfte durch die LSVA internalisiert (siehe Abbildung 5).[3] Weitere Instrumente zur Internalisierung der externen Effekte des Verkehrs, wie zum Beispiel die Kompensationsleistungen der Mineralölimporteure, generieren mit 0,1 Milliarden Franken deutlich geringere Internalisierungsbeiträge. Mit den durch die private Stiftung Klik verwalteten Mitteln werden lediglich 2 Prozent der externen Kosten des motorisierten Individualverkehrs internalisiert.

Für weitere Kostenbereiche, wie zum Beispiel Lärm oder lokale Luftverschmutzung durch Stickoxide und Feinstaub, sind bisher nur im Flugverkehr Massnahmen umgesetzt worden. Mit den emissionsabhängigen Start- und Landegebühren konnten 2015 ebenfalls 2 Prozent der externen Kosten des Flugverkehrs internalisiert werden. Diese Beispiele zeigen, dass die KFV-Statistik wichtige Informationen für die politische Meinungsbildung, die Wissenschaft und Forschung liefert. Sie dient damit als Entscheidungsgrundlage für die Verkehrspolitik und die Raumplanung in der Schweiz.

  1. Eine Studie des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE) und des Bundesamts für Strassen (Astra) konnte aufzeigen, dass der Nutzen des Verkehrs dessen Kosten deutlich überwiegt. Siehe: Bundesamt für Raumentwicklung und Bundesamt für Strassen (2006). Die Nutzen des Verkehrs. Synthese der Teilprojekte 1–4, Bern. []
  2. Siehe Schwerverkehrsabgabeverordnung (SR 641.811). []
  3. Für weitere Informationen zur Berechnung der externen Kosten und der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe siehe Bundesamt für Raumentwicklung (ARE). []

Zitiervorschlag: Alexandra Quandt, Christian Gigon, (2019). Die volkswirtschaftlichen Kosten des Verkehrs. Die Volkswirtschaft, 23. Oktober.