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Finanzierung in der MEM-Industrie: Gut mit Verbesserungspotenzial

Haben es KMU in der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie schwerer, an Bankkredite zu kommen? Eine Studie sagt: Der Zugang sei gewährleistet, doch die Bonitätsprüfung ausgeprägter. Mit spezifischeren Strategien könnten die Firmen ihre Finanzierungssituation aber noch verbessern.
Für Fremdfinanzierungen sind kleine und mittlere Unternehmen der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie häufig auf Banken angewiesen. (Bild: Keystone)

Viele KMU sind auf externe Finanzierungsquellen angewiesen. Sei es um Liquiditätsschwankungen zu überbrücken oder um in die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu investieren. Doch anders als international tätige Grosskonzerne haben Schweizer KMU keinen Zugang zum Kapitalmarkt. Für sie ist deshalb der Zugang zu Bankkrediten zentral.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) untersucht in regelmässigen Abständen die Finanzierungs­situation von Schweizer KMU. Die letzte Seco-Studie wurde im Frühling 2017 publiziert.[1] Durchgeführt hat sie die Hochschule Luzern. In dieser Untersuchung wurden branchenübergreifend knapp 2000 Schweizer KMU zu ihren Finanzierungsbedürfnissen und -bedingungen befragt. Fazit der Analyse: Der Zugang zu Bankkrediten für KMU ist gewährleistet. Gegenüber der Vorgängerbefragung im Jahr 2012 wurde keine Verschlechterung festgestellt.

Doch nach der Veröffentlichung der Resultate regte sich Widerstand. In verschiedenen Medien wurden Stimmen von Unternehmern laut, welche ihre eigene Situation nicht in dieser Studie widerspiegelt sahen. Darunter waren auch Angehörige der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie). Sie bezeichneten die Schlussfolgerung als unzutreffend und bemängelten den fehlenden Branchenfokus der Untersuchung.

Einen solchen Fokus hat nun eine Forschungsarbeit der ZHAW School of Management and Law (ZHAW) in Zusammenarbeit mit dem Branchenverband Swissmem eingenommen.[2] Im Zeitraum des 4. Quartals 2018 wurde eigens der Zugang von KMU der MEM-Industrie zu Bankfinanzierungen untersucht. Die Studie beinhaltet insgesamt 145 KMU unterschiedlicher Grösse, wovon 20 aus der französischsprachigen Schweiz stammen. Die befragten Unternehmen sind für die Mitgliederstruktur von Swissmem (KMU-Segment; Firmen mit bis zu 250 Mitarbeitenden) repräsentativ.

Kreditversorgung ist gewährleistet


Unsere Studie zeigt, dass von den befragten Unternehmen aktuell 76 KMU eine Bankfinanzierung (Kredit und/oder Hypothek) nutzen. Das entspricht einer knappen Mehrheit von 52 Prozent. In der Seco-Studie der Hochschule Luzern lag dieser Wert für den breiter definierten Wirtschaftszweig Industrie bei lediglich 43 Prozent. Offensichtlich ist die Bedeutung von Bankfinanzierungen für die KMU der MEM-Industrie noch wichtiger.

Während der letzten drei Jahre haben 61 der 145 befragten MEM-Unternehmen, oder 42 Prozent, einen Antrag für einen Bankkredit gestellt. 87 Prozent dieser Anfragen wurden bewilligt; in 42 Fällen vollständig, in 11 Fällen nur teilweise. Lediglich bei 8 Unternehmen (13 Prozent) wurde die Anfrage abgelehnt (siehe Abbildung 1). Damit entspricht die Situation in der MEM-Industrie in etwa dem Resultat der Seco-Studie, welche die Kreditanträge in den vergangenen zwölf Monaten analysierte: Dort wurden 76 Prozent vollständig und 12 Prozent teilweise bewilligt. 6 Prozent der Anträge wurden abgelehnt, und bei weiteren 6 Prozent war die Antwort bei der Befragung noch ausstehend. Die MEM-Unternehmen haben also keinen schlechteren Zugang zu Bankkrediten als andere KMU der Industrie. Allerdings ist mehr als der Hälfte der MEM-Firmen, welche über eine Bankfinanzierung verfügen, ihr Kreditrating durch die Banken bekannt. Gemäss der branchenübergreifenden Seco-Studie ist dies nur bei 29 Prozent der Unternehmen der Fall. Daraus lässt sich schliessen: Bonitätsdiskussionen mit Banken finden bei den KMU der MEM-Industrie offenbar wesentlich ausgeprägter statt.

Abb. 1: Kreditanträge in der MEM-Industrie (2016–2018)




Anzahl befragte Unternehmen: 145

Quelle: ZHAW (2019) / Die Volkswirtschaft

Von den 58 Prozent MEM-Unternehmen, welche während der letzten drei Jahre keinen Kreditantrag gestellt hatten, verfügt jedes fünfte Unternehmen bereits über eine ausreichend hohe Bankfinanzierung. Mehr als die Hälfte dieser Unternehmen nutzt zudem andere Finanzierungsquellen. Und 13 Prozent wünschen grundsätzlich keine Bankfinanzierung. Als Grund für diese Haltung nennen die Unternehmen die hohen Kreditkosten, zu viele geforderte Sicherheiten, schlechte Erfahrungen bezüglich der Bonitätsdiskussionen oder dass sie den Bewilligungsprozess als kompliziert erlebt haben. Darüber hinaus wünschen sich einige KMU von den Banken mehr technisches Verständnis, um die Markt- und Produktchancen korrekt zu beurteilen.

Unterschiedlich genutzte Finanzierungsinstrumente


Für die Fremdfinanzierung nutzen die MEM-Firmen am häufigsten die klassischen Bankfinanzierungen. Konkret: 66 Unternehmen, oder rund 45 Prozent der Befragten, nutzen einen kurz- und/oder langfristigen Bankkredit mit oder ohne Sicherheiten. Ausserhalb dieser konsolidierten Sicht auf Bankkredite ist die Leasingfinanzierung, die mehr als jedes dritte Unternehmen beansprucht, das populärste Finanzierungsinstrument. Die wichtigsten Finanzierungsinstrumente für MEM-Unternehmen sind jedoch die Innenfinanzierung sowie die Finanzierung durch den Eigentümer – sei es in Form nicht ausbezahlter Gewinne oder von Eigentümerdarlehen (siehe Abbildung 2).

Abb. 2: Finanzierungsinstrumente von KMU der MEM-Industrie nach Wichtigkeit




* Insgesamt 66 Unternehmen nutzen einen kurz- oder langfristigen Kredit mit oder ohne Sicherheiten. Mehrfachnennungen sind möglich. Anzahl befragte Unternehmen: 145.


Quelle: ZHAW (2019) / Die Volkswirtschaft

Wenngleich mit 15 Nennungen nur rund 10 Prozent der Unternehmen Trade- und Exportfinanzierungen nutzen, so verdient diese Zahl dennoch Beachtung. Denn gemäss Seco-Studie wird dieses Instrument nur von 1 Prozent der Schweizer KMU eingesetzt. Der Grund: In der Seco-Studie haben zwei Drittel der Unternehmen keine Exporttätigkeit. Bei den befragten MEM-KMU beträgt dieser Anteil allerdings nur 12 Prozent. Gut die Hälfte der Unternehmen erwirtschaftet mehr als 50 Prozent des Umsatzes im Ausland. Exportfinanzierungen stellen ein hilfreiches Instrument für den Verkauf von Gütern dar. Schweizer KMU können ihren Kunden mit einer solchen Lösung einen Mehrwert bieten, welcher den Nachteil des vergleichsweise hohen Verkaufspreises wieder wettmacht.

Mehrheit ohne spezifische Finanzierungsstrategie


Unterscheiden die Unternehmen bei der Mittelbeschaffung auch zwischen verschiedenen Finanzierungszwecken wie der Finanzierung von Betriebsmitteln, von Wachstum oder von Digitalisierungsprojekten? Und setzen sie dafür gezielt unterschiedliche Finanzierungsinstrumente ein? Zwei Drittel der Unternehmen verneinen diese Frage, wobei kein Einfluss der Unternehmensgrösse auf diese Antwort nachgewiesen werden konnte.

Das übrige Drittel der Unternehmen verfolgt für die Finanzierung der Betriebstätigkeit eine spezifische Finanzierungsstrategie. Rund 30 Prozent dieser KMU finanzieren die Betriebstätigkeit vollständig aus dem operativen Cashflow. Weitere 30 Prozent nutzen einen Bankkredit. Und die restlichen Unternehmen stützen sich auf Privatdarlehen oder haben ihr Eigenkapital erhöht.

Von dem Drittel, das eine Strategie zur Finanzierung der Betriebstätigkeit verfolgt, haben aber nicht alle Unternehmen auch spezifische Finanzierungsstrategien für Wachstums- oder Digitalisierungsprojekte. Die Zahl der Unternehmen, die über eine solche Strategie verfügen, liegt dort bei 42 respektive 37. Die Wachstumsprojekte finanziert nur gut jedes fünfte Unternehmen vollständig aus selbst erwirtschafteten Mitteln. In diesem Bereich ist die Abhängigkeit von externen Kapitalgebern am grössten. Für die Finanzierung von Digitalisierungsprojekten stützen sich hingegen nur 16 Prozent der insgesamt 37 Firmen auf Bankkredite. Die restlichen Unternehmen finanzieren Digitalisierungsprojekte entweder vollständig mit selbst erwirtschafteten Mitteln oder durch Darlehen der Eigentümer.

Mehr Exportfinanzierungen wünschenswert


Indem die Unternehmen die Digitalisierungsprojekte mit eigenen Mitteln finanzieren, tragen sie korrekterweise den erhöhten Risiken dieser Projekte Rechnung. Es ist jedoch zu beachten, dass nur eines von drei Unternehmen überhaupt eine Unterscheidung nach Finanzierungszweck vornimmt. Die anderen Unternehmen mögen sich auf den Standpunkt stellen, wonach der Finanzierungsmix ganzheitlich stimmen muss. Damit bleibt der Fokus jedoch auf der Passivseite der Bilanz. Eine Verbindung mit der Aktivseite wäre dahin gehend ratsam, um die Risiken der Verwendung schon bei der Mittelbeschaffung zu reflektieren. Das könnte hilfreich sein, um brachliegendes externes Finanzierungspotenzial zu identifizieren und so eine nachhaltige Finanzierung sicherzustellen. Banken können so ihre Kunden gezielter begleiten, sodass die Bonitätsdiskussion für beide Parteien zu einem Mehrwert wird.

Die Untersuchung der ZHAW zeigt insgesamt, dass die Kreditversorgung von KMU der MEM-Industrie grundsätzlich gegeben ist. Gleichzeitig ist es wünschenswert, dass Unternehmen in der MEM-Industrie vermehrt Exportfinanzierungen in Betracht ziehen. Den Banken wird deshalb empfohlen, dieses Instrument mit exportorientierten KMU gezielt zu diskutieren.

  1. Die Studie ist online verfügbar auf Seco.admin.ch. []
  2. Hier erhalten Sie weiterführende Resultate der Studie. (Achtung: PDF wird heruntergeladen.) []

Zitiervorschlag: Andreas Schweizer, Anne Marie Loch, Ramona Graf, (2019). Finanzierung in der MEM-Industrie: Gut mit Verbesserungspotenzial. Die Volkswirtschaft, 23. Oktober.