Die Vereinten Nationen streben in der Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung das Ende der Armut an. Sprich: Jeder Mensch soll mindestens über 1.90 Dollar pro Tag verfügen. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Handel. Im Jahr 2005 lancierte die Welthandelsorganisation (WTO) die «Aid for Trade»-Initiative, welche entlang von vier Dimensionen operiert: Erstens sollen die Staaten das Handelsvolumen steigern, zweitens die Exporte diversifizieren, drittens die Verbindungen zur Binnenwirtschaft maximieren und viertens die Anpassungskapazität verbessern. Die WTO überprüft alle zwei Jahre die Fortschritte der Initiative – letztmals im Juli 2019.[1]
Seit dem Jahr 2000 hat sich das globale Handelsvolumen gemäss der Weltbank von 6,5 Billionen Dollar auf 19,6 Billionen Dollar im Jahr 2018 verdreifacht. Dies ermöglichte vielen Entwicklungsländern einen raschen wirtschaftlichen und auch sozialen Aufstieg. Gleichzeitig sank die Armut. Allein in China fanden seit den Marktreformen Ende der Siebzigerjahre 850 Millionen Menschen aus der Armut heraus. Trotzdem lebt weltweit immer noch jeder zehnte Mensch in Armut.
Die zunehmende Vernetzung des Handels birgt aber auch Herausforderungen. So sind nicht alle Länder und Regionen gleich stark in die globalen Wertschöpfungsketten integriert – was zu Wohlstandsunterschieden führt. Zudem kann ein wachsender internationaler Handel – so wie es auch alternative Produktionssysteme tun würden – die Umwelt belasten. Ein Bericht der Weltbank zu globalen Wertschöpfungsketten, der im Vorfeld der Jahreskonferenz im Oktober 2019 erschien, thematisiert deshalb neben der positiven Armutsreduktion dank Handel auch mögliche Ansätze zu Sozial- und Umweltpolitiken auf Regierungs- und Firmenebene.[2]
Den rechtlichen Rahmen für globale Wertschöpfungsketten bildet das WTO-Regelwerk, welches von multilateralen Freihandelsabkommen ergänzt wird. Unter den über 160 WTO-Mitgliedsstaaten finden sich viele Entwicklungsländer. Diese sind zunehmend in globale Wertschöpfungsketten eingebunden und exportieren nicht mehr hauptsächlich nur Agrarprodukte und Rohstoffe. Gerade im Bereich der Produktion weisen sie gegenüber Industriestaaten einen komparativen Vorteil auf. Dabei sind sie vermehrt in komplexe Wertschöpfungsketten eingebunden: Zwischenprodukte von Textilien, elektronischen Geräten, Fahrrädern oder Autos überqueren während des Produktionsprozesses oft mehrfach die Grenzen. Hinzu kommt die verstärkte Entwicklung von Tourismusdienstleistungen. Die Integration in den Welthandel führte in vielen Fällen zu höheren Einkommen, besseren Arbeitsplätzen und einer Diversifizierung der Wirtschaft.
Bessere Wettbewerbsfähigkeit
Die Schweiz stellt sich hinter die «Aid for Trade»-Initiative. So will der Bundesrat Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft integrieren, wie er in seiner Aussenwirtschaftsstrategie darlegt. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) orientiert sich bei der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit entlang zweier Aktionslinien: Erstens gilt es die Rahmenbedingungen zu verbessern, und zweitens sollen die Wettbewerbsfähigkeit und der Marktzugang gestärkt werden.
Bezüglich der Rahmenbedingungen sind aus Sicht des Bundesrates die Integration der Entwicklungsländer in den internationalen Handel, insbesondere in die WTO, sowie der Transfer von entsprechendem Know-how zum internationalen Handelsrecht und zur Handelspolitik zentral. Das Seco versucht deshalb, handelspolitische Institutionen der Entwicklungsländer – wie beispielsweise die Zollverwaltung, das Prüfungs- und Messwesen, das Normenwesen oder die Behörde zum Schutz des geistigen Eigentums – zu stärken. Ein weiteres Augenmerk gilt dabei der Umsetzung von WTO-Regeln, internationaler Arbeitsnormen und der Wettbewerbspolitik.
Die Schweiz will die Einbindung der Entwicklungsländer in globale Wertschöpfungsketten verstärken. Insbesondere die Exportkapazitäten von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), Produzenten und vermehrt auch von Exportförderagenturen und Branchenorganisationen gilt es zu verbessern. Eine Schlüsselrolle spielt die Nachhaltigkeit – etwa in Wertschöpfungsketten im Tourismus, bei Agrarrohstoffen wie Kakao und Kaffee und im Handel mit mineralischen Rohstoffen. Ein wichtiges Mittel auf diesem Weg sind private, freiwillige Standardsysteme (Nachhaltigkeitsstandards), welche es sowohl KMU wie auch Grossfirmen ermöglichen, globale Wertschöpfungsketten effizienter zu steuern und die Produktivität und den Marktzugang zu verbessern.
Regelmässige Evaluationen
Zentral in der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit ist die Wirkungsmessung. In diesem Zusammenhang war die Handelsförderung des Seco im Jahr 2018 Gegenstand einer externen Evaluation. Dabei wurden 25 Projekte in 14 Ländern auf ihre Relevanz, Kosteneffizienz, Resultaterreichung (Effektivität), Nachhaltigkeit und Wirkung untersucht. Daraus resultierten Empfehlungen – insbesondere zur Auswahl der Wertschöpfungsketten und der Partner vor Ort – sowie eine Wirkungshypothese, die aufzeigt, wie und bei wem die Seco-Länder-Projektportfolios schrittweise Veränderungen und Wirkung erzielen sollen. Die Hypothese zeigt in logischen Schritten auf, wie die Massnahmen der Seco-Handelsförderung zu steigenden Exporten von zunehmend nachhaltig produzierten Produkten führen. Sie bildet eine Grundlage für das Design von Projekten zur Handelsförderung in Entwicklungsländern.
In Wirkungsberichten und Berichten zur Umsetzung der Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit 2017–2020 zeigt das Seco periodisch auf, welche Wirkung in der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit erzielt wurde. Dabei werden quantitative wie auch qualitative Resultate sowie Erfolgs- und Misserfolgsgeschichten dargelegt.
Im Jahr 2018 nahmen dank Projekten, die vom Seco unterstützt wurden, über 350’000 Personen an Trainings oder Weiterbildungen teil, und über 20’000 Arbeitsplätze wurden erhalten oder neu geschaffen. Die zusätzlichen Exporte der Entwicklungsländer von nachhaltigen Gütern wie Landwirtschaftsprodukten, Textilien und Holz sowie Dienstleistungen wie Tourismus beliefen sich für 2016 bis 2018 auf über 750 Millionen Franken.
Ein Projekt zur Biomarktentwicklung in der Ukraine hat beispielsweise zwischen 2011 und 2016 zu einer Exportsteigerung nachhaltiger Landwirtschaftsprodukte von mehr als 60 Millionen Franken beigetragen. Das Seco unterstützte das vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau implementierte Projekt mit 5 Millionen Franken. Im Fokus standen die Wertschöpfungsketten Ackerkulturen und Milchprodukte: Um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, wurden die Kompetenzen der Führungskräfte sowie weiterer Akteure der Wertschöpfungsketten in Bezug auf Qualität, Lagerung, Verarbeitung und Geschäftsentwicklung verbessert. Dazu kam die Politikberatung zur Förderung eines positiven Geschäftsumfelds für die Entwicklung des Biosektors.
Handel bleibt relevant
Der Handel bleibt – trotz seit Kurzem auftretenden Tendenzen zu mehr Protektionismus wie etwa in den USA – gemäss Weltbank und WTO ein wichtiger Motor für die wirtschaftliche Entwicklung. Dieses Potenzial gilt es weiterhin zu nutzen. Dazu bleibt der Ansatz von gezielten Massnahmen entlang globaler Wertschöpfungsketten auf der Basis der Aussenwirtschaftsstrategie und im Kontext der «Aid for Trade»-Initiative und der Agenda 2030 weiterhin relevant.
Die Messung und Überprüfung der Wirkungen und Resultate der Seco-Massnahmen ermöglicht es, die schrittweise Veränderung und Wirkung beziehungsweise die entsprechende Wirkungshypothese weiter zu optimieren. Dies mit dem Ziel, noch mehr Effizienz, Effektivität und eine weiterhin hohe Nachhaltigkeit mit den Massnahmen zu erzielen. Dabei können in der Umsetzung die Erkenntnisse aus der externen Evaluation der Seco-Handelsförderung in die Projekt-Portfolioentwicklung und das Projektdesign aufgenommen werden.
- WTO (2019): Aid for Trade Global Review 2019: Supporting Economic Diversification and Empowerment, Genf. []
- Der «World Development Report» ist unter Worldbank.org abrufbar. []