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Der Bundesrat bringt endlich ein Gasversorgungsgesetz. Nur schade, lässt er die kleinen Gasverbraucher schon wieder aussen vor.
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René Baggenstos, Geschäftsführer IG Erdgas und Geschäftsleitender Partner Enerprice, Root

Seit 1965 ist der Schweizer Gasmarkt gesetzlich geöffnet, allerdings ohne konkrete Regeln. Nachdem in Europa grosse Wettbewerbsmärkte entstanden waren, schlossen sich Industrie und Gewerbe in der IG Erdgas zusammen und kämpften dafür, dass sie auch in der Schweiz Erdgas direkt vom Weltmarkt beziehen können. Die Auseinandersetzung mit der Gasbranche endete 2012 vorerst in einer Verbändevereinbarung, welche den Marktzugang für grössere Industriekunden regelte. Seither konnten in den Verhandlungen keine substanziellen Fortschritte mehr erzielt werden. Aktuell beziehen trotz hohem Einsparpotenzial nur 20 Unternehmen Erdgas vom Markt. Gleichzeitig verweigert die Gaswirtschaft dem Gewerbe und den Haushalten den Marktzugang und spielt geschickt auf Zeit, um ihre Monopolrente möglichst lange zu sichern. Dies hat zu zahlreichen Anzeigen bei der Weko geführt.

Das Zögern kostet die Kleinen


Das Bundesamt für Energie (BFE), das die Vorlage zum neuen Gasversorgungsgesetz (GasVG) vorbereitet hat, lehnt sich darin an die Gasmarktregeln der umliegenden Länder an. Das ist für diesen internationalen Markt absolut sinnvoll. Doch leider sieht das BFE Ausnahmen vor, welche Herrn und Frau Schweizer teuer zu stehen kommen. Ohne dass dazu eine technische Notwendigkeit besteht, schlägt das BFE nur eine Teilmarktöffnung vor: Das Gas vom Markt beziehen darf ihr zufolge nur, wer mehr als 100 Megawattstunden pro Jahr verbraucht. Bleibt es bei diesem unverständlichen Entscheid, wären 90 Prozent aller Bezüger vom Markt ausgeschlossen – es lebe die Monopolwirtschaft! Die Leidtragenden sind wieder einmal die Haushalte und das Gewerbe. Die Gewinner sind die Städte und Gemeinden, welche Eigentümer der Gaswerke sind.

 

Die Leidtragenden sind wieder einmal die Haushalte und das Gewerbe


 

Das BFE ist zudem unsicher, wer künftig Gasverbräuche messen darf, und schlägt als Variante auch in diesem Bereich ein Monopol vor – obwohl es der Gasbranche in den letzten 20 Jahren nicht gelungen ist, ein modernes Messwesen zu etablieren. Die moderne Messung ist für die effiziente Nutzung der Energie wichtig. Der Entscheid muss deshalb «pro Liberalisierung» lauten. Die Netzentgelte sind in der Schweiz heute mehr als doppelt so hoch wie etwa in Süddeutschland. Das BFE stellt dieser Tatsache eine wirkungslose «Sunshine-Regulierung» gegenüber.

Zu begrüssen ist das eigentliche Abwicklungsmodell – das sogenannte volle Entry-Exit-Modell mit Tagesbilanzierung und einer schweizweiten Bilanzzone. Dieses Regelwerk erleichtert den Handel und den Transport des Erdgases zum Kunden erheblich. Unser erstes Fazit zum GasVG: Endlich kommt Bewegung in die festgefahrene Situation. Jetzt ist es an der Zeit, die Voraussetzungen für einen fairen Markt zu schaffen. Dazu müssen Konsumenten und Drittlieferanten gleichberechtigt mit der Gaswirtschaft die Regeln ausarbeiten – gute Anhaltspunkte sind vorhanden. Dabei muss man aber auch an die 90 Prozent der kleinen Gasbezüger denken. Statt Heimatschutz braucht es eine volle Marktöffnung mit Wettbewerb und gerechten Preisen!

Zitiervorschlag: Baggenstos, René (2019). Kein Heimatschutz beim Erdgas nötig. Die Volkswirtschaft, 19. Dezember.