Soll die Schweiz Trusts einführen?
Auf dem Finanzplatz New York gehören Trusts zu den Standardangeboten. (Bild: Shutterstock)
Soll die Schweiz Trusts einführen? Im Auftrag des Bundes hat das Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (Bass) die volkswirtschaftlichen Folgen geschätzt, die mit der Einführung dieses Rechtsverhältnisses verbunden wären.[1] Dies geschah in Zusammenarbeit mit der Luzerner Steuerrechtsprofessorin Andrea Opel.
Was ist ein Trust? Bei diesem aus dem angelsächsischen Raum stammenden und heute weltweit verbreiteten Rechtsverhältnis überträgt der Begründer (Settlor) Vermögen zugunsten von Begünstigten (Beneficiaries) oder für einen bestimmten Zweck der Aufsicht eines Trustees. Letzterer wird Eigentümer des Trustvermögens, welches aber ein von seinem persönlichen Vermögen getrenntes Sondervermögen darstellt. Er hat sodann die Befugnis und die Verpflichtung, das Vermögen in Übereinstimmung mit den Trustbestimmungen zu verwalten, zu verwenden oder darüber zu verfügen. Trusts werden häufig als Vehikel zur Nachlassplanung eingesetzt, aufgrund der Flexibilität des Rechtsinstituts sind aber auch diverse andere Verwendungsmöglichkeiten denkbar.
Im hiesigen Rechtssystem sind Schweizer Trusts bisher nicht vorgesehen. Seit dem Inkrafttreten des Haager Übereinkommens im Jahr 2007 werden ausländische Trusts in der Schweiz jedoch anerkannt und bilden eine wirtschaftliche Realität.
Interviews und Onlinebefragung
Die von Bass durchgeführte Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) basiert auf Experteninterviews und auf einer Onlinebefragung bei wichtigen Stakeholder-Gruppen wie Rechtsberatern, Vermögensverwaltern, Banken, Treuhandunternehmen, Trustdienstleistern sowie einigen kantonalen Steuerverwaltungen. Bei der RFA stützten wir uns auf ein von einer Expertengruppe erarbeitetes Regelungsmodell (siehe Kasten).
Im Rahmen der Interviews hat sich herausgestellt, dass das Bedürfnis nach einem tauglichen Instrument für die familiäre Vermögens- und Nachlassplanung im Vordergrund steht. Mit der Familienstiftung besteht in der Schweiz zwar theoretisch bereits ein solches Vehikel, das sich wegen des Verbots der Neuerrichtung von Unterhaltsstiftungen jedoch nur bedingt nutzen lässt und faktisch kaum mehr genutzt wird. So dürfen Familienstiftungen Leistungen nur zu den gesetzlich abschliessend aufgezählten Zwecken erbringen und nicht «einfach so». Untersagt sind gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung Unterhaltsstiftungen, die «den Begünstigten Vorteile aus dem Stiftungsvermögen ohne besondere, an eine bestimmte Lebenslage anknüpfende Voraussetzungen einfach deshalb zukommen lassen, um ihnen eine höhere oder angenehmere Lebenshaltung zu gestatten».[2]
Dies dürfte ein wichtiger Grund dafür sein, warum Rechtssuchende derzeit auf Trusts und Familienstiftungen nach ausländischem Recht ausweichen. Die Mehrheit der von Bass befragten Personen ist mit der aktuellen Situation nicht zufrieden und der Ansicht, dass die Bedürfnisse der Klienten mit den vorhandenen Instrumenten des schweizerischen Rechts nur ungenügend befriedigt werden können. Hinzu kommt, dass das Aufsetzen und Verwalten von ausländischen Vehikeln mit Rechtsunsicherheiten behaftet ist.
Zwar kann der Markt die Bedürfnisse der Kunden durchaus abdecken, und es besteht demnach kein Marktversagen, allerdings muss dies durch komplexe Strukturen «erkauft» werden. Es liegt daher ein Regulierungsversagen vor.
Nachfrage vorhanden
Um zu analysieren, wie sich die Einführung eines Schweizer Trusts auf die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und die Gesamtwirtschaft auswirken würde, haben wir zuerst die heutige Marktsituation beurteilt. Auf Basis der Informationen aus der Onlinebefragung schätzen wir die Kosten für die Bewirtschaftung eines Trusts mit einer 20-jährigen Existenzdauer derzeit auf 25’900 Franken pro Jahr. Momentan gibt es in der Schweiz schätzungsweise 5900 Trusts respektive Trust-ähnliche Beziehungen, die auf den Namen von inländischen Personen lauten. Bei den im Ausland ansässigen Personen sind es etwa 21’000 Trusts oder Trust-ähnliche Beziehungen[3]. Bei Einführung eines Schweizer Trusts dürften die jährlichen Kosten sinken, da der Aufwand für die verschiedenen Dienstleistungen in Zusammenhang mit dem Aufsetzen sowie der jährlichen Verwaltung geringer würde. Daraus lässt sich in einem zweiten Schritt ein Nachfragepotenzial ableiten.
Um die den Berechnungen innewohnende Unsicherheit abzubilden und um weiteren Unsicherheiten bezüglich Marktentwicklungen Rechnung zu tragen, wurden Berechnungen mit insgesamt drei Szenarien durchgeführt. Diese wurden mit einem Referenzszenario verglichen, welches davon ausgeht, dass ohne Einführung eines Trusts Preise und Nachfrage unverändert bleiben.
Im «Szenario tief» verändert sich der Markt im Vergleich zu heute kaum, während im «Szenario hoch» dank tiefen Kosten für den Schweizer Trust der Markt stark wächst. Das «Szenario mittel» orientiert sich an einem Szenario, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit aus Sicht der Autoren des Berichts realistisch erscheint. Wichtig ist, anzumerken, dass das Nachfragepotenzial erst mittel- bis langfristig erreicht werden dürfte, wenn das neue Rechtsinstitut das Vertrauen der Nachfrager gewonnen hat. Bei allen drei Szenarien gilt die Annahme, dass bereits bestehende Vehikel weitergeführt würden, das heisst nach durchschnittlich 20 Jahren erneuert würden.
Tiefere Verwaltungskosten
Auf Basis der in den unterschiedlichen Szenarien angenommenen Reduktionen beim Aufwand wären die jährlichen Kosten mit der Einführung eines Schweizer Trusts um 5,8 bis 28,1 Prozent niedriger als heute. Diese Kostenreduktion dürfte wiederum in einer gesamten Steigerung der Nachfrage im Umfang von zwischen 500 bis 32’100 Trusts resultieren. Das Umsatzwachstum wird, je nach Szenario, auf zwischen 12 und 598 Millionen Franken geschätzt.
Um die zusätzliche Wertschöpfung zu berechnen, haben wir das Umsatzwachstum um die Opportunitätskosten bereinigt. Letztere entstehen dadurch, dass die Trustdienstleister teilweise ihre aktuellen Dienstleistungen zugunsten von Schweizer Trusts aufgeben dürften. Da in den betroffenen Branchen annähernd Vollbeschäftigung herrscht, wird angenommen, dass rund die Hälfte des Wachstums durch Immigration ausländischer Fachkräfte realisiert wird. Der Rest sind Opportunitätskosten.
Im mittleren Szenario, dem aus unserer Sicht realistischsten, ergibt sich ein jährlicher Nettonutzen von rund 139 Millionen Franken (siehe Tabellen). Zusätzliche Regulierungskosten sind laut der Onlinebefragung nicht zu erwarten: Mehr als 80 Prozent der Befragten gaben an, dass ein Schweizer Trust keine solchen verursachen würde – beziehungsweise dass der entsprechende Regulierungsaufwand unabhängig von der Einführung eines Schweizer Trusts anfällt. Auch für die kantonalen Steuerverwaltungen dürfte sich der Aufwand in Grenzen halten, wenn für das neu eingeführte Vehikel die für ausländische Trusts anwendbaren Grundsätze gelten. Dieser Aufwand reduziert somit den aus Konsumentenrente und Wertschöpfung resultierenden finanziellen Nutzen kaum.
Jährliche Kosten und Nutzen eines Schweizer Trusts (in Mio. Fr.)
Szenario tief
(geringe Effekte) |
Szenario mittel
(mittlere Effekte) |
Szenario hoch
(grosse Effekte) |
|
Konsumentenrente (nur Ansässige) | 0 | 4 | 14 |
Wertschöpfung | 10 | 137 | 454 |
Regulierungskosten | 0 | 0 | 0 |
Abzüglich administrativer Aufwand kantonale Steuerverwaltungen | 0 | –2 | –8 |
Total Nutzen netto* | 10 | 139 | 459 |
Jährliche Auswirkungen auf den Staatshaushalt (in Mio. Fr.)
Szenario tief
(geringe Effekte) |
Szenario mittel
(mittlere Effekte) |
Szenario hoch
(grosse Effekte) |
|
Einkommenssteuer Bund, Kantone, Gemeinden | 2 | 34 | 113 |
Mehrwertsteuer | 1 | 8 | 26 |
AHV/IV/EO/ALV | 1 | 15 | 51 |
Total Auswirkungen auf den Staatshaushalt* | 4 | 57 | 190 |
*Abweichungen wegen Rundungsdifferenzen möglich. Quelle: Morger und Liesch (2019).
Dienstleister dürften profitieren
Die zusätzliche Wertschöpfung dürfte am ehesten bei spezialisierten Trustdienstleistern sowie bei Treuhandunternehmen anfallen, die bereits heute stark in diesem Segment vertreten sind und kompetitive Preise anbieten können. In die Staatskasse fliessen gemäss dem mittleren Szenario zusätzliche Steuereinnahmen von 57 Millionen Franken pro Jahr. Insgesamt scheint die Wirtschaftlichkeit eines Schweizer Trusts somit gegeben.
Eine Mehrheit der befragten Stakeholder spricht sich für die Einführung eines Schweizer Trusts aus. Die befragten Experten haben sich angesichts der Herausforderungen bei der Implementierung jedoch überwiegend kritisch geäussert. Ihrer Ansicht nach handelt es sich beim Trust um ein Rechtsgebilde, das nur schwer in das Schweizer Recht integrierbar ist. Im Rahmen der RFA wurde deshalb auch die Frage aufgeworfen, ob nicht die Zulassung der Familienunterhaltsstiftung eine mögliche Alternative wäre. Der rechtliche Anpassungsbedarf wäre gemäss Experteneinschätzung im Ergebnis kleiner als bei der Einführung eines Schweizer Trusts. Idealerweise wären in gewissen Kantonen die steuerlichen Rahmenbedingungen anzupassen, um allfällige Doppelbelastungen zu vermeiden.
Chance für den Finanzplatz
Abschliessend lässt sich sagen: Basierend auf den vorliegenden Berechnungen, weist ein Schweizer Trust ein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis auf. Auf Basis einer qualitativen Bewertung ist davon auszugehen, dass auch die Zulassung von Unterhaltsstiftungen einen positiven Effekt hätte und das Regulierungsversagen mindestens teilweise beheben könnte. Das geprüfte Regelungsmodell schneidet gut ab und ist gemäss mehrheitlicher Einschätzung der Stakeholder einem typischen ausländischen Trust ebenbürtig.
Falls sich ein Schweizer Trust am Markt etablieren könnte, dürfte damit – in Kombination mit der Liberalisierung des Stiftungsrechts – sowohl für Personen aus dem angelsächsischen Raum, die aufgrund der Nähe zum Common Law eher zum Trustvehikel greifen werden, wie auch für Personen, welche mit unserem Stiftungssystem vertraut sind, ein taugliches Instrument für die Nachlass- und Vermögensplanung zur Verfügung stehen.
Literaturverzeichnis
Morger, Mario und Roman Liesch (2019). Regulierungsfolgenabschätzung zur Schaffung einer gesetzlichen Regelung von Trusts in der Schweiz – Analyse der volkswirtschaftlichen Auswirkungen. Studie im Auftrag des Bundesamts für Justiz (BJ), des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Büro Bass in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Andrea Opel (Universität Luzern).
Bibliographie
Morger, Mario und Roman Liesch (2019). Regulierungsfolgenabschätzung zur Schaffung einer gesetzlichen Regelung von Trusts in der Schweiz – Analyse der volkswirtschaftlichen Auswirkungen. Studie im Auftrag des Bundesamts für Justiz (BJ), des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Büro Bass in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Andrea Opel (Universität Luzern).
Zitiervorschlag: Liesch, Roman (2019). Soll die Schweiz Trusts einführen? Die Volkswirtschaft, 12. Dezember.
Das in der Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) verwendete Regelungsmodell sieht vor, das nach geltendem Recht zulässige Treuhandverhältnis als Trust im Sinne des Haager Übereinkommens im Obligationenrecht zu kodifizieren. Der Trust kann zu Lebzeiten oder auf den Tod hin errichtet werden. Jede natürliche oder juristische Person kann Settlor, Trustee oder Beneficiary sein. Die übertragenen Vermögenswerte bilden ein vom persönlichen Vermögen des Trustees unabhängiges Sondervermögen. Der Trust kann widerruflich ausgestaltet werden und ist zeitlich beschränkt. Die geltenden Verbote der Neuerrichtung von Familienunterhaltsstiftungen (Art. 335 ZGB) sowie von wiederholten Nacherbeneinsetzungen (Art. 488 ZGB) sollen nicht zum Tragen kommen. Steuerlich soll der Schweizer Trust nach den gleichen Regelungen wie ausländische Trusts behandelt werden; auch ist er entsprechenden Transparenzregeln unterstellt.