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Arbeitsmarkt: Konkurrenzfähigkeit stärken

Trotz Fachkräftemangel bekunden schlecht Ausgebildete und ältere Arbeitnehmende Mühe bei der Jobsuche. Der Bundesrat hat Massnahmen ergriffen, um deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen.
Erwachsene sollen einfacheren Zugang zu einer Grundausbildung erhalten. Lernender am Berufsbildungszentrum in Olten. (Bild: Keystone)

Bund und Kantone investieren in die Fachkräftepolitik: Die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie geeignete Qualifizierungsangebote tragen dazu bei, dass die Schweizer Wirtschaft ihre Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften besser decken kann. Trotzdem bleiben Fachkräfte ein knappes Gut. Der Grund ist die demografische Entwicklung, die den internationalen Wettbewerb um Fachkräfte verstärkt.

Im Mai 2019 hat der Bundesrat deshalb ein sieben Massnahmen umfassendes Paket zur Ausschöpfung des inländischen Arbeitskräftepotenzials beschlossen.[1] Vier Massnahmen zielen auf die bessere Konkurrenzfähigkeit während des gesamten Berufslebens ab – auf diese wird im Folgenden genauer eingegangen. Die drei übrigen Massnahmen stellen Flüchtlinge, ausländische Fachkräfte in Berufsfeldern mit Fachkräftemangel sowie ausgesteuerte über 60-Jährige ins Zentrum.

Kostenlose Beratungen


Wer auf dem Stellenmarkt konkurrenzfähig bleiben will, muss die eigene Laufbahn aktiv gestalten – etwa durch regelmässige Standortbestimmungen. Zentrale Anlaufstellen sind dabei die kantonalen Berufs-, Studien- und Laufbahnberatungen (BSLB). Da Erwachsene bisher nicht im Fokus der BSLB standen, ist das Angebot derzeit nicht in allen Kantonen auf Arbeitnehmende im fortgeschrittenen Berufsleben zugeschnitten. So nehmen über 40-Jährige nur selten Standortbestimmungsangebote in Anspruch, obwohl dies mit zunehmendem Alter besonders wichtig wäre.

Um Gegensteuer zu geben, hat der Bundesrat beschlossen, dass Erwachsene ab 40 Jahren kostenlos von einer Standortbestimmung, einer Potenzialabklärung und einer Laufbahnberatung profitieren sollen. Gemeinsam mit den Kantonen erarbeitet das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) ein entsprechendes Programm. Derzeit werden Kantone für Pilotprojekte ausgewählt. Im Herbst 2021 soll das Angebot schweizweit eingeführt werden.

Effizienter Berufsabschluss


Die zweite Massnahme fokussiert auf den Berufsabschluss. Personen ohne berufliche Grundbildung verfügen über ein ungleich höheres Risiko, arbeitslos zu werden, als Personen mit einem Abschluss auf Sekundarstufe II. Es kann deshalb für Erwachsene ohne Grundausbildung durchaus Sinn machen, im fortgeschrittenen Alter ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ) oder ein eidgenössisches Berufsattest (EBA) zu erwerben. Auch für Personen, die über einen im Arbeitsmarkt nicht mehr nachgefragten Abschluss verfügen, kann der Erwerb eines weiteren Abschlusses vorteilhaft sein.

Wer bereits vor Beginn einer beruflichen Grundbildung über gewisse berufsspezifische Handlungskompetenzen verfügt, soll von den entsprechenden Ausbildungs- oder Prüfungsteilen dispensiert werden oder eine verkürzte Ausbildung absolvieren können. So sieht es das Berufsbildungsgesetz vor.

Die Umsetzung des rechtlichen Auftrags geschieht jedoch derzeit kantonal unterschiedlich und teilweise lückenhaft. Dies will der Bundesrat nun ändern. Er unterstützt die Kantone und die Trägerschaften der beruflichen Grundbildung dabei, eine schweizweit homogene Anrechnungspraxis zu entwickeln.

Den Trägerschaften kommt die Aufgabe zu, Anrechnungsempfehlungen zu erstellen. Die Kantone haben eine doppelte Aufgabe: Sie sorgen einerseits für beratende Stellen, die Erwachsenen bei der Zusammenstellung von Qualifikationsnachweisen behilflich sind, andererseits sind sie für die Anrechnungsentscheide zuständig.

Impulsprogramm aufgegleist


Die dritte Massnahme hilft schwer vermittelbaren Arbeitslosen und älteren Stellensuchenden, den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu finden: Die Arbeitslosenversicherung (ALV) hat für die Jahre 2020 bis 2022 ein Impulsprogramm für diese Zielgruppe lanciert.

In mehreren kantonalen Projekten sollen die Angebote und Dienstleistungen für schwer vermittelbare Arbeitslose und ältere Stellensuchende ausgebaut werden. Dazu stärkt das Impulsprogramm die notwendigen Kompetenzen und Instrumente zur Beratung, Begleitung und Vermittlung. Langfristig sollen alle Kantone über die für die Zielgruppe sinnvollen und individuell abgestimmten Unterstützungsangebote für eine nachhaltige Wiedereingliederung verfügen. Gleichzeitig bieten die Projekte den Kantonen die Gelegenheit, neue Ansätze zu erproben und bei Erfolg langfristig einzuführen.

Coaching für Ausgesteuerte


Da sich das Impulsprogramm an Personen richtet, die Arbeitslosenentschädigung beziehen, können nicht alle Erwerbslosen davon profitieren. Gemäss dem geltenden Arbeitslosenversicherungsgesetz ist es Ausgesteuerten während zweier Jahre nicht möglich, an Massnahmen der ALV teilzunehmen. Für sie wäre ein rascher Einstieg in eine bezahlte Stelle besonders wichtig, denn die Stellensuche gestaltet sich gerade bei bereits länger andauernder Erwerbslosigkeit oft schwierig.

Ergänzend zum Impulsprogramm hat der Bundesrat deshalb als vierte Massnahme beschlossen, zu testen, wie arbeitslose Personen über 50 kurz vor, aber auch nach der Aussteuerung aus der ALV bei der Integration in den Arbeitsmarkt unterstützt werden können. Ein entsprechender Pilotversuch mit dem Namen «Supported Employment» läuft ab der zweiten Jahreshälfte in mehreren Kantonen, die derzeit ausgewählt werden. Ein Jobcoach unterstützt dabei die über 50-jährigen Teilnehmenden bei der Suche nach einer Arbeitsstelle im ersten Arbeitsmarkt. Nach erfolgreicher Aufnahme der Erwerbstätigkeit setzt der Coach die Begleitung fort.

Die Begleitung am Arbeitsplatz kann je nach Bedarf bis zu eineinhalb Jahre nach der Aussteuerung dauern. Beaufsichtigt durch den Jobcoach, sind auch eine probeweise Befristung der Anstellung sowie eine finanzielle Beteiligung am Zusatzaufwand der Arbeitgeber möglich. Bedingung dafür ist, dass eine realistische Aussicht auf eine unbefristete Stelle besteht. Die Teilnahme an der neuen Massnahme ist freiwillig, erfordert im Gegenzug von den Arbeitslosen jedoch viel Engagement und Einsatz.

Ähnliche Massnahmen werden bereits heute in der Arbeitsmarktintegration eingesetzt. Im Rahmen der ALV war deren Einsatz bisher nur sehr eingeschränkt möglich, da eine Abweichung vom geltenden Arbeitslosenversicherungsgesetz damit verbunden ist. Der Pilotversuch ermöglicht nun, diese Massnahme zu testen und bei positiven Erfahrungen entsprechende rechtliche Anpassungen anzustossen. [2]

Der Bundesrat setzt mit dem Massnahmenpaket Impulse, um die Integration von inländischen Arbeitskräften in den Arbeitsmarkt während ihres gesamten Berufslebens zu verbessern. Damit trägt er zur besseren Ausschöpfung des inländischen Arbeitskräftepotenzials bei. Damit der drohende Fachkräftemangel angesichts des demografischen Wandels in Zukunft abgewendet wird, sind aber weitere Anstrengungen nötig: Insbesondere braucht es weiterhin Investitionen in die Bildung, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Förderung der Erwerbstätigkeit bis zum Rentenalter und darüber hinaus.

  1. Bundesrat (2019). Bundesrat verstärkt die Förderung des inländischen Arbeitskräftepotenzials, Medienmitteilung vom 15.5.2019. []
  2. Avig, Art. 75a. []

Zitiervorschlag: Isabel Schirmer, Sabina Giger, (2020). Arbeitsmarkt: Konkurrenzfähigkeit stärken. Die Volkswirtschaft, 25. Februar.