Suche

Abo

Klimawandel in der Entwicklungszusammenarbeit: Die Strategie der Schweiz

Die Schweiz stellt den Klimawandel bei der Entwicklungszusammenarbeit neu ins Zentrum. Künftig will sie Klimarisiken bei Projekten systematisch berücksichtigen. Zudem sollen Partnerschaften mit dem Privatsektor eingegangen werden, um mehr private Gelder für das Klima zu mobilisieren.
Dank dem Projekt «Horti Sempre» kann eine verbesserte Salatsorte aus Brasilien in Mosambik geschützt in Folientunnels und mit Tröpfchenbewässerungssystem angebaut werden. (Bild: Seco)

Der Kampf gegen den Klimawandel ist einer der vier thematischen Schwerpunkte der Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz.[1] Gewisse benachteiligte Länder sind den Folgen des Klimawandels stärker ausgesetzt und leiden entsprechend mehr darunter. Klimawandelbedingte Schäden treten in diesen Ländern häufiger auf, und ihre Möglichkeiten, diese abzufedern und sich davon zu erholen, sind beschränkt.[2] Zurzeit leben rund 700 Millionen Menschen in extremer Armut; bis 2030 könnten aufgrund des Klimawandels 100 Millionen dazukommen.[3] Um in den Entwicklungsländern ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu fördern, haben die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) entschieden, die Klimadimension systematisch in ihre Entwicklungsaktivitäten zu integrieren (siehe Kasten).

Lange galt in der Entwicklungszusammenarbeit − der schweizerischen wie auch der internationalen − der Klimawandel als separates Thema, das nur bestimmte Sektoren wie etwa die Energie, die Landwirtschaft oder die Infrastrukturen tangiert. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass der Kampf gegen den Klimawandel viel mehr Sektoren betrifft, so auch die Finanzbranche, den Handel oder die Bildung. Ein multisektorieller und systematischer Ansatz drängte sich deshalb auf.

Klima systematisch berücksichtigen


Der Bundesrat hat dies in seiner kürzlich verabschiedeten Botschaft zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021−2014[4] berücksichtigt: Ab 2021 wird die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit Klimarisiken sowie Massnahmen zur Minderung von Emissionen und zur Anpassung an den Klimawandel bei der Planung und Umsetzung ihrer Aktivitäten systematisch berücksichtigen. Sie wird ihre Projekte und Programme stärker auf Veränderungen ausrichten, die durch den Klimawandel verursacht werden. Ausserdem wird sie proaktiv nach Möglichkeiten suchen, um die Folgen des Klimawandels abzuschwächen, beispielsweise indem sie bei der Planung von Kläranlagen erneuerbare Energien nutzt oder die Energieeffizienz verbessert.

Mit der Entwicklung des Online-Tools Cedrig (Climate, Environment and Disaster Risk Reduction Integration Guidance)[5] hat die Schweiz im Hinblick auf den systematischen Einbezug des Klimawandels in die Entwicklungszusammenarbeit internationale Pionierarbeit geleistet. Cedrig ermöglicht einen strukturierten und interdisziplinären Ansatz. Das Tool berücksichtigt sowohl die Risiken (Welchen spezifischen Klimarisiken ist ein Projekt ausgesetzt?) als auch die Folgen (Was sind die möglichen Folgen des Projekts für das Klima?). So hat die Deza dieses Tool beispielsweise bei ihrem Gartenbauprojekt «Horti Sempre» in Mosambik eingesetzt. Dabei wurde die Vulnerabilität hinsichtlich des Klimawandels beurteilt, Massnahmen für eine sparsamere Wassernutzung festgelegt (z. B. Tröpfchenbewässerung) und diejenigen Gemüsesorten ausgewählt, die am besten an höhere Temperaturen angepasst sind.

Privatsektor als Klimapartner


Bedeutende Investitionen aus öffentlichen und privaten Quellen sind nötig, um den CO2-Ausstoss der Weltwirtschaft zu senken und die Länder gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähiger zu machen. Die Schweizer Entwicklungs­zusammenarbeit unterstützt deshalb aktiv private Klimainvestitionen.

Mit der Ratifizierung des Pariser Klimaübereinkommens im Jahr 2017 hat die Schweiz entschieden, ab 2020 mit 450 bis 600 Millionen Franken jährlich zum Kampf gegen den Klimawandel in den Entwicklungsländern beizutragen.[6] Der Schweizer Beitrag wird zu einem Teil aus öffentlichen Mitteln stammen; zudem sollen mit diesen Mitteln vermehrt private Gelder mobilisiert werden. Die schweizerische Entwicklungs­zusammenarbeit engagiert sich sehr aktiv bei der Entwicklung von Rahmenbedingungen, sie leistet technische Hilfe und bemüht sich um Standards zur stärkeren Mobilisierung des Privatsektors für das Klima.

Entwicklung der Rahmenbedingungen


Zur Förderung privater Investitionen ist es zentral, dass die Entwicklungsländer bei der Ausarbeitung von Regelwerken begleitet werden. Sie sollen die Möglichkeiten zur Abfederung von Klimarisiken sowie zu deren Reduktion stärken. So hat das Seco im Jahr 2019 das Programm Renewable Energy Auction Program mitfinanziert, bei dem ein Auktionssystem für erneuerbare Energien in den östlichen Balkanländern, im Mittleren Osten und in Nordafrika entwickelt wird.

Dieses Programm wird in Zusammenarbeit mit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) umgesetzt und von der Schweiz mit 5 Millionen Franken unterstützt. Dabei soll vor allem der regulatorische und institutionelle Rahmen verbessert werden, der für eine erfolgreiche Durchführung von Auktionen für erneuerbare Energien notwendig ist. Zudem bietet das Programm Beratung und Fachwissen für den Aufbau wettbewerbsfähiger öffentlicher Beschaffungsmärkte. Ziel ist es, über 170 Millionen Franken an privaten Investitionen zu mobilisieren und die Leistung der erneuerbaren Energien innert fünf Jahren um mindestens 250 Megawatt zu erhöhen.

Technische Zusammenarbeit


Die technische Zusammenarbeit ist ein nützliches Instrument, um die Risiken für Investoren zu mindern, den Technologie- und Know-how-Transfer zu fördern und Märkte zu schaffen. So unterstützt die Schweiz etwa die Aufgleisung von Investitionen oder auch die Berufsbildung.

In diesem Rahmen richtet die Deza einen neuen Fonds für den netzunabhängigen Zugang zu sauberer Energie in Subsahara-Afrika ein. Dieser Fonds unterstützt die Dienstleister im Bereich erneuerbare Energien dabei, benachteiligte Kunden zu erreichen: Die Unternehmen werden mit einer Prämie belohnt, wenn sich das Wohl ihrer Klienten verbessert. Diese Anreize sollen die finanzielle Nachhaltigkeit und die Attraktivität für Investoren verbessern und so drei- bis viermal mehr Investitionen generieren. Das Budget der Deza für die gesamte Intervention wird auf 12,37 Millionen Franken geschätzt, insgesamt soll damit aber ein Budget von rund 60 Millionen Franken mobilisiert werden.

Internationale technische Standards


Die Schweiz unterstützt zudem die Entwicklung von internationalen technischen Standards, die erwiesenermassen eine Wirkung auf das Klima haben und bei denen eine qualitativ hochstehende Zertifizierung gewährleistet ist. Solche Standards erleichtern das Verständnis und die Vergleichbarkeit von ähnlichen Produkten. Da sie auf zahlreichen Märkten anerkannt sind und verwendet werden, fördern sie auch den nachhaltigen Welthandel.

In Zusammenarbeit mit der Internationalen Finanz-Korporation (IFC) finanziert das Seco seit 2011 ein Zertifizierungssystem für ökologische Gebäude namens Edge[7]. Dieses IT-Programm trägt dazu bei, dass neue Wohn- und Geschäftsgebäude in Entwicklungsländern möglichst ressourceneffizient konzipiert werden. Edge umfasst eine webbasierte Software-Anwendung und ein Zertifizierungssystem. Das Programm evaluiert, mit welchen Mitteln Energie- und Wassersparoptionen in neuen Gebäuden möglichst rentabel umgesetzt werden können. Und die Resultate lassen sich sehen: Seit 2011 hat Edge Investitionen von über 4 Milliarden Dollar in ökologische Gebäude unterstützt und rund 9,7 Millionen Quadratmeter Gebäudeflächen zertifiziert. Das ermöglicht CO2-Einsparungen von rund 225’000 Tonnen pro Jahr.

Zukünftige Stossrichtung


Bisher hat die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit für ihre Aktivitäten Beiträge und Mandate vergeben. Zukünftig werden das Seco und die Deza den Einsatz von anderen Finanzierungsinstrumenten wie Darlehen oder Bürgschaften prüfen. Das Ziel: mehr private Gelder für das Klima mobilisieren und eine wirksame und wirtschaftliche Verwendung der Ressourcen des Bundes sicherstellen.

  1. Die drei anderen Schwerpunkte sind die Schaffung von menschenwürdigen Arbeitsplätzen, die Reduktion der Ursachen von Flucht und irregulärer Migration sowie das Engagement für Rechtsstaatlichkeit. []
  2. Nazrul Islam und Winkel (2016). []
  3. Hallegatte et al. (2015). []
  4. Bundesrat (2020). []
  5. Siehe Website: www.cedrig.org. []
  6. Siehe Bundesrat (2017). []
  7. Siehe Website: www.edgebuildings.com. []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Françoise Salamé Guex, Patrick Sieber, (2020). Klimawandel in der Entwicklungszusammenarbeit: Die Strategie der Schweiz. Die Volkswirtschaft, 21. April.

Klima in der Entwicklungszusammenarbeit: Zahlen und Fakten

  • Seit 1998 sammelt die Schweiz Daten zu klimarelevanten Entwicklungsprojekten und -programmen. Diese werden mittels der sogenannten Rio Markers der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gemessen.
  • Die Mittel der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz zur Abfederung des Klimawandels werden bis Ende 2024 400 Millionen Franken pro Jahr erreichen. Im Zeitraum 2017 bis 2020 waren es noch 300 Millionen pro Jahr.
  • Die Hauptthemen der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) sind die integrierte Urbanisierung, der Zugang zu sauberer Energie, die Energieeffizienz, Mobilität und Resilienz, Ressourceneffizienz in der industriellen Produktion, die Entwicklung von Klimadienstleistungen, das nachhaltige Management von Ökosystemen und natürlichen Ressourcen (Wasser, Wald, Gebirge), die Umweltverschmutzung, funktionierende CO2-Märkte, nachhaltige Finanzen und die Beteiligung an internationalen Klimafonds.