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Wirtschaftswachstum und nachhaltigen Wohlstand fördern

Neun von zehn Stellen weltweit entstehen im Privatsektor. Innovative Unternehmen und gute wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen sind der Schlüssel zu einer nachhaltigen Entwicklung. Wie solche gefördert werden, zeigen zwei Projekte des Staatssekretariats für Wirtschaft in Indonesien und Kolumbien.
Gut ausgebildete Fachkräfte in der Holzverarbeitung: Das Seco unterstützt die technische Hochschule in Kendal, Indonesien, bei der Entwicklung einer dualen Berufsbildung. (Bild: Seco)

Jember liegt im Osten der indonesischen Hauptinsel Java. Eine vierstündige Fahrt durch imposante Vulkanlandschaften trennt sie von der zweitgrössten Stadt des Landes, Surabaya. Die örtliche technische Hochschule bildet Studenten in der Nahrungsmittelverarbeitung aus. Die Vertreter der Ausbildungsstätte kommen im Gespräch mit den Verantwortlichen des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) schnell auf den Punkt: «Indonesien zählt 270 Millionen Einwohner. Die wachsenden technologischen Ansprüche und die sich wandelnden Ernährungsgewohnheiten stellen uns vor die gewaltige Herausforderung, der Nahrungsmittelindustrie genügend gut ausgebildete Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen.»

Indonesien ist ein Schwerpunktland der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit des Seco. Wie alle Schwerpunktländer des Seco nimmt Indonesien eine Schlüsselrolle für die wirtschaftliche Entwicklung und Stabilität in der Region ein und ist für die Schweiz von aussenwirtschaftlicher und aussenpolitischer Bedeutung. Die Wirtschaft des Inselstaates entwickelt sich mit gut 5 Prozent Wachstum pro Jahr sehr dynamisch. Einerseits verfügt das bevölkerungsmässig viertgrösste Land der Welt über eine ausgesprochen starke Binnennachfrage. Andererseits gilt es nach aussen als attraktiver Produktionsstandort, wo zahlreiche internationale Konzerne wie ABB, Nestlé oder Toyota wichtige Niederlassungen betreiben. Die Regierung möchte das Land auf einem stabilen Wachstumskurs halten. Die Wirtschaft soll sich dank einem attraktiven Umfeld und gut ausgebildeten Mitarbeitern nachhaltig weiterentwickeln, und die Bevölkerung soll vom Wohlstand profitieren.

Fachkompetenzen stärken


Um den Fachkräftemangel anzugehen, suchten die indonesischen Behörden die Zusammenarbeit mit der Schweiz. Daraus resultierte das vom Seco finanzierte Projekt «Skills for Competitiveness». Dieses unterstützt fünf technische Hochschulen in Indonesien darin, in Zusammenarbeit mit dem Privatsektor eine duale Berufsbildung auf höherer Ebene zu etablieren, welche die Bedürfnisse der Unternehmen stärker berücksichtigt. Der Fokus liegt auf den Branchen Metall- und Holzverarbeitung sowie auf der eingangs erwähnten Nahrungsmittelverarbeitung. Als Implementierungspartnerin ist die Schweizer Stiftung Swisscontact, zusammen mit der Berner Fachhochschule und dem privaten Verein Siteco, verantwortlich für die Projektumsetzung vor Ort. Der gute Ruf sowie die langjährige Erfahrung und Expertise der Schweiz in der dualen Berufsbildung zahlen sich dabei aus. Während Indonesien für die vierjährige Projektdauer insbesondere für die Infrastruktur und deren Betrieb rund 24 Millionen Franken bereitstellt, steuert das Seco 8 Millionen Franken für die technische Assistenz bei.

Das Seco unterstützt bewusst wirtschaftlich benachteiligte Regionen in Indonesien und hat Umweltaspekte in das Projekt integriert. So liegen zwei der unterstützten technischen Hochschulen auf der Insel Sulawesi, welche 2018 durch ein Erdbeben und den dadurch ausgelösten Tsunami stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die wirtschaftliche Infrastruktur auf der Insel ist bescheiden, und die Wertschöpfung fällt entsprechend tief aus. Durch das vom Seco unterstützte Projekt erhöht sich die Standortattraktivität der Insel. Denn der Privatsektor auf Sulawesi wird von gut ausgebildeten Fachkräften profitieren.

Die Arbeit des Seco findet bei den indonesischen Partnern Anklang. Muliaman Hadad, der Botschafter Indonesiens in der Schweiz, betont: «Skills for Competitiveness stärkt die Fachkompetenzen der Mitarbeiter. Dadurch findet der Privatsektor zum einen die von ihm benötigten Fachkräfte. Zum anderen sorgt das Projekt auch für bessere Berufsaussichten und wirkt der Arbeitslosigkeit entgegen.»

Das Projekt Skills for Competitiveness fügt sich nicht nur bestens in die indonesische Berufsbildungsstrategie ein, es steht auch im Einklang mit der neuen strategischen Ausrichtung der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit des Seco für den Zeitraum 2021–2024. Im Rahmen dieser Strategie will das Seco das Wirtschaftswachstum und den nachhaltigen Wohlstand in seinen Partnerländern fördern. Dafür richtet es seine Aktivitäten in den Entwicklungs- und Schwellenländern auf zwei Schwerpunkte aus: einerseits die Förderung wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen und andererseits die Unterstützung innovativer privatwirtschaftlicher Initiativen, wozu auch die Stärkung von Fachkompetenzen in Indonesien zählt. Aspekte wie die Geschlechtergleichstellung, das Klima und eine umweltschonende Ressourcenbewirtschaftung berücksichtigt das Seco in seinen Aktivitäten systematisch, denn sie bilden die Voraussetzung für nachhaltiges Wirtschaftswachstum.

Die Strategie des Seco


Der Privatsektor ist weltweit für 90 Prozent aller Arbeitsplätze verantwortlich und spielt deshalb eine entscheidende Rolle bei der Armutsbekämpfung. Ohne die Dynamik, die Ressourcen und die Innovationskraft von Unternehmen bleiben die Ziele für nachhaltige Entwicklung, denen sich die internationale Gemeinschaft im Rahmen der Agenda 2030 verschrieben hat, unerreichbar. In Entwicklungs- und Schwellenländern können sich Unternehmen allerdings nicht immer wie gewünscht entfalten und sich erfolgreich im internationalen Wettbewerb behaupten. Oftmals fehlt es ihnen an Zugang zu Kapital, wichtigen Dienstleistungen, Fachwissen oder gut ausgebildeten Arbeitskräften. Hier setzt die Strategie des Seco an (siehe Abbildung und Kasten). Mit seinen Projekten setzt sich das Seco dafür ein, dass sich Unternehmen – insbesondere KMU – finanzieren können und in die globalen Wertschöpfungsketten integriert sind. Gleichzeitig fördert es eine Unternehmensführung, die internationale Arbeits- und Sozialstandards einhält. Darüber hinaus unterstützt das Seco – wie das Projekt in Indonesien exemplarisch aufzeigt – die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften mittels Ausbildungsprogrammen, die sich gezielt auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarkts ausrichten.

Wirtschaftswachstum, das vom Privatsektor getragen wird, erfordert zuverlässige Rahmenbedingungen. Dazu gehört auch eine öffentliche Verwaltung, die regelbasiert und effizient arbeitet. Sie schafft berechenbare Anreizstrukturen, verringert Unsicherheiten und stärkt das Vertrauen in den Staat. So können sich Menschen, Unternehmen und Märkte entwickeln, und gleichzeitig werden die Anpassungsfähigkeit und die Resilienz von Volkswirtschaften gestärkt. Das Seco unterstützt seine Partnerländer dabei, eine wachstumsfördernde Wirtschaftspolitik zu gestalten. Es fördert die Integration der Partnerländer in globale Handelssysteme und unterstützt gleichzeitig ein innovationsfreundliches Geschäftsumfeld, das die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen erhöht. Ein solches Umfeld schliesst auch Stadtentwicklung und Infrastrukturversorgung mit ein.

Abb. Die Strategie 2012–2024 in der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit des Seco




Quelle: Seco / Die Volkswirtschaft

Kapitalmarktentwicklung für bessere Infrastruktur


Wie die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz Rahmenbedingungen fördert und sich dadurch private Märkte entwickeln, zeigt auch das vom Seco unterstützte Finanzsektorprojekt «Capital Markets Strengthening Facility», das unter anderem in Kolumbien aktiv ist. Obwohl Kolumbien zu den führenden Wirtschaftsnationen Lateinamerikas gehört, mangelt es dort an Investitionen in die Infrastruktur. Das schränkt das Wirtschaftswachstum entscheidend ein. Aufgrund der anspruchsvollen Topografie und der schlecht ausgebauten Verkehrswege kostet es heute mehr, Waren aus dem kolumbianischen Hinterland an einen Hafen zu transportieren, als von Asien nach Kolumbien zu verschiffen.

Um die mangelnde Verkehrsinfrastruktur auszubauen, brauchte das Land lokale Finanzmärkte, die ausländische Investitionen mobilisieren und institutionelle Anleger wie Pensionskassen anziehen. Traditionelle Finanzierungsquellen wie die öffentliche Hand, Banken und internationale Finanzinstitutionen können den Finanzierungsbedarf allein nicht decken. Vor diesem Hintergrund suchte die kolumbianische Regierung die Zusammenarbeit mit der Weltbankgruppe, um die «Financiera de Desarrollo Nacional (FDN)» ins Leben zu rufen. Diese kolumbianische Entwicklungsbank hat zum Ziel, Investitionen in Kolumbiens Infrastruktur zu fördern und so das Marktversagen zu beseitigen. Gemeinsam mit der Weltbankgruppe beteiligte sich das Seco an der Finanzierung dieses Projektes.

Die 2011 gegründete FDN verzeichnet bereits grosse Erfolge. Unter anderem konzipierte sie ein Programm mit dem Ziel, Kolumbiens Strassennetz zu verbessern und um rund 8000 Kilometer auszubauen. Bis Ende 2019 konnte im Rahmen des Programms bereits für 29 der 33 Verkehrsinfrastrukturprojekte ein Zuschlag erteilt werden, wobei 16,8 Milliarden Dollar an privaten Mitteln mobilisiert werden. Dies entspricht rund dem Zehnfachen dessen, was die Weltbankgruppe und die öffentliche Hand investiert hatten – eine ausgezeichnete Quote. Dabei unterstützte das Seco die kolumbianischen Behörden mit technischem Know-how bei der Ausarbeitung von Standardverträgen, bei der Qualitätskontrolle der Projekte, bei der Entwicklung von Garantien und Finanzprodukten und beim Kapazitätsaufbau in der Finanzmarktaufsicht. Zudem wurde das kolumbianische Finanzministerium bei der Regulierung und der Aufsicht über die entsprechenden Finanzmarktinstrumente begleitet.

Partnerschaften stärken


Die Arbeit der «Capital Markets Strengthening Facility» in Kolumbien zeigt nicht nur, wie das Seco durch wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit Rahmenbedingungen fördert, sie unterstreicht auch den Wert von Partnerschaften mit multilateralen Entwicklungsbanken. Die strategische Ausrichtung 2021–2024 der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit des Seco sieht vor, dass diese Partnerschaften weiterhin wichtiger Bestandteil der Projektarbeit bleiben. Denn die multilateralen Entwicklungsbanken verfügen über zusätzliche Expertise, finanzielle und technische Mittel sowie Möglichkeiten zur politischen Einflussnahme. Diese sind notwendig, um Projekten eine grössere Reichweite und Skalierung zu verschaffen. Dementsprechend ergänzen sich die multilaterale und die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit des Seco – es wird sie weiterhin beide brauchen.

Ebenso will das Seco seine Partnerschaften mit dem Privatsektor, mit den Hochschulen oder mit Nichtregierungsorganisationen weiter vertiefen – wie im eingangs erwähnten Projekt in Indonesien. Indem es die Kernkompetenzen der jeweiligen Partner gezielt nutzt, stellt das Seco sicher, dass die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz auch in Zukunft möglichst wirksam und effizient ist. Um die globalen Herausforderungen unserer Zeit erfolgreich zu meistern, ist das unerlässlich.

Zitiervorschlag: Stefan Brantschen, Rosmarie Schlup, André Pantzer, (2020). Wirtschaftswachstum und nachhaltigen Wohlstand fördern. Die Volkswirtschaft, 21. April.

Die Seco-Strategie 2021–2024

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) zielt mit seiner wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit darauf ab, in seinen Partnerländern einen Beitrag zu Wirtschaftswachstum und nachhaltigem Wohlstand zu leisten. Die UNO-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung stellt dabei einen wichtigen Referenzrahmen dar. Das Seco verfolgt zwei Stossrichtungen:

Erstens fördert es zuverlässige wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, namentlich:

  • eine Wirtschaftspolitik, die sich langfristig positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirkt;
  • ein regelbasiertes Handelssystem, das die Partnerländer besser in die Weltwirtschaft integriert und die Anwendung von Sozial- und Nachhaltigkeitsstandards fördert;
  • ein innovationsfreundliches Geschäftsumfeld, das die Wettbewerbsfähigkeit, die Produktivität und das Wachstum von Unternehmen stimuliert;
  • eine integrierte Stadtentwicklung und Infrastrukturversorgung, welche die urbane Mobilität, die Energieversorgung und die Resilienz gegenüber Naturkatastrophen verbessern.


Zweitens unterstützt das Seco innovative privatwirtschaftliche Initiativen, namentlich:

  • den Zugang zu Finanzierung, die zur Entwicklung des Privatsektors und zur Schaffung menschenwürdiger Erwerbstätigkeiten beiträgt;
  • die Integration von Produzenten und Unternehmen in Wertschöpfungsketten;
  • eine verantwortungsvolle Unternehmensführung, die neben wirtschaftlichen auch soziale und ökologische Aspekte berücksichtigt;
  • marktorientierte Fachkompetenzen, die den Anforderungen der Arbeitswelt im digitalen Wandel entsprechen.


Das Seco setzt auf Partnerschaften mit multilateralen Organisationen, dem Privatsektor und der Zivilgesellschaft, um die Wirksamkeit und die Hebelwirkung seiner Aktivitäten zu erhöhen. Aspekte wie die Geschlechtergleichstellung, das Klima und eine umweltschonende Ressourcenbewirtschaftung berücksichtigt das Seco in seinen Aktivitäten systematisch.