Suche

Abo

Finanzkrise und Frankenstärke: Die Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie ging gestärkt aus vergangenen Schocks hervor.
Schriftgrösse
100%

Jean-Philippe Kohl, Dr. rer. pol., Vizedirektor und Leiter Wirtschaftspolitik Swissmem, Zürich

Gute wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen sind die Voraussetzung dafür, dass die exportorientierte Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie) exogene Schocks erfolgreich bewältigen kann. In den letzten zwölf Jahren durchlebten wir vier solche Krisen: Zunächst führte die Finanzkrise im Jahr 2009 zu einem weltweiten Nachfrageeinbruch. Zwei Jahre später wertete der Franken stark auf, sodass die Schweizerische Nationalbank einen Euro-Mindestkurs einführte. Dieser wurde im Januar 2015 abrupt aufgehoben, wodurch der Franken erneut stark an Wert gewann. Als vierter Schock folgt aktuell die Corona-Krise.

Die Schweizer MEM-Industrie erzielt 80 Prozent ihres Umsatzes im Ausland, davon die Hälfte in der Eurozone. Bei exogenen Schocks brechen die Umsätze weg – während die kurzfristig nur wenig beeinflussbaren Kosten bestehen bleiben. Viele Firmen gleiten deshalb unvermittelt in die Verlustzone ab.

Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen, nutzen die Firmen nach exogenen Schocks das ganze Arsenal an betrieblichen Massnahmen. Kurzfristig sind dies Prozessoptimierungen, Effizienzsteigerungen, striktes Kostenmanagement sowie Arbeitszeitmassnahmen. Bei einem Nachfrageeinbruch – wie bei der Corona-Krise – steht das Instrument der Kurzarbeit im Vordergrund. Bei einem Währungsschock werden mit einer temporären Verlängerung der Arbeitszeit die Lohnstückkosten gesenkt.

Mittelfristig hilft «natural hedging» für eine gewisse «Immunisierung» gegenüber Währungsschocks. Zudem wird die Automatisierung einzelner Produktionsschritte vorangetrieben; sollte dies nicht möglich sein, erfolgt eine Auslagerung ins Ausland. Als langfristig wirkende Massnahme setzen die Firmen auf Produkt- und Prozessinnovationen, zunehmend auch in die Digitalisierung.

Der mit strukturellen Änderungen verbundene schmerzhafte Abbau von Arbeitsplätzen dient letztlich dazu, die verbleibenden Arbeitsplätze am Standort Schweiz wettbewerbsfähig zu halten und mittelfristig sogar wieder auszubauen. Im Jahr 2019 betrug die Zahl der Arbeitsplätze in der MEM-Industrie 325’000. 2004 waren es 310’000.

Sorge tragen

Insgesamt hat die MEM-Industrie die verschiedenen jüngsten exogenen Schocks einigermassen gut absorbieren können. Welche wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sind hierzu hilfreich?

Den Firmen ist der nötige Handlungsspielraum einzuräumen. Im Zentrum steht dabei der relativ liberale Arbeitsmarkt, der eine flexible Anpassung der betrieblichen Strukturen zulässt. Darüber hinaus braucht es ein stabiles makroökonomisches Umfeld, und hierbei sind zwei Institutionen matchentscheidend, die nicht aufgeweicht werden dürfen: erstens Preisstabilität. Das bedingt eine unabhängige Notenbank. Und zweitens solide Staatsfinanzen. Das hat die Schweiz mit der Schuldenbremse erreicht. Tragen wir Sorge zu diesen Institutionen!

Zitiervorschlag: Kohl, Jean-Philippe (2020). Robuste Schweizer MEM-Industrie. Die Volkswirtschaft, 25. Mai.