Stephan Mumenthaler, Dr. rer. pol., Direktor Scienceindustries – Wirtschaftsverband Chemie, Pharma und Lifesciences, Zürich
In den medialen Berichterstattungen bei Wirtschaftskrisen standen Chemie, Pharma und Lifesciences in der Vergangenheit nur selten im Vordergrund. Dass dies nicht auf eine mangelnde Relevanz zurückzuführen ist, zeigt ein Blick auf die Aussenhandelszahlen: Die Branche hält aktuell einen Anteil von über 50 Prozent an den Schweizer Warenexporten. Vielmehr rührt das bescheidene Medieninteresse daher, dass chemisch-pharmazeutische Güter vergleichsweise schwach auf Konjunkturschwankungen reagieren – dank ihrer hohen Bedeutung für das Gesundheitssystem und anderer wichtiger wirtschaftlicher Prozesse.
So zeigten sich Chemie, Pharma und Lifesciences in der Finanzkrise von 2008 und 2009 insgesamt erstaunlich robust und halfen damit, die Konjunktur in der Schweiz zu stabilisieren. Dies gilt insbesondere für die Pharmaindustrie, da die weltweite Nachfrage nach Gesundheitsartikeln und Medikamenten aufgrund von demografischen Trends und Fortschritten in der Medizin auch in Krisen anhält. Entsprechend wies die Pharmaindustrie als einzige Exportbranche ein Wachstum aus.
Etwas stärker auf exogene Schocks reagiert die Chemieindustrie, zum Beispiel wenn die Nachfrage der Automobil- und der Bauindustrie nach chemischen Grundstoffen und Spezialitäten sinkt. Dank der hohen Spezialisierung zeigt sich aber auch die Chemieindustrie insgesamt robust.
Auch in der aktuellen Corona-Krise dürfte die Schweiz froh sein über ihre vergleichsweise starke branchenmässige und geografische Diversifikation und die hohe Bedeutung von Chemie, Pharma und Lifesciences im industriellen Portfolio.
Wichtige Forschung
Nichtsdestotrotz erhöhen Krisen den Preisdruck in allen Bereichen massiv. Nach der Finanzkrise reagierten Unternehmen aus Chemie, Pharma und Lifesciences unter anderem mit Kostensenkungsprogrammen oder Zusammenschlüssen – beispielsweise erwarb Merck Schering-Plough, und Pfizer übernahm Wyeth. Letzten Endes sind die erfolgreiche Krisenbewältigung und das Gedeihen im Aufschwung auf erfolgreiche Innovationen zurückzuführen. Innovationen ermöglichen trotz internationaler Konkurrenz eine steigende Nachfrage nach Produkten zu konkurrenzfähigen Preisen.
Die Unternehmen investieren entsprechend: Die Forschungsausgaben der chemisch-pharmazeutischen Industrie in der Schweiz beliefen sich 2017 auf 6,2 Milliarden Franken, was 41 Prozent der gesamten privaten Forschungsgelder entsprach.
Die Schweizer Wirtschaft – und speziell unsere regulierten Industrien – kann in schwierigem wirtschaftlichem Umfeld nur mithalten, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Neben der unverändert hohen Bedeutung der Bildung und Forschung stehen für die Chemie-, Pharma- und Lifescience-Industrie der möglichst freie Marktzugang, eine attraktive und stabile Steuerpolitik sowie der flexible Arbeitsmarkt im Vordergrund. Auch unter dem Blickwinkel der Krisenresistenz lohnt es sich, zum Umfeld für Chemie, Pharma und Lifesciences Sorge zu tragen.
Zitiervorschlag: Mumenthaler, Stephan (2020). Scienceindustries trotzen den Krisen. Die Volkswirtschaft, 25. Mai.