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Medikamente spielen in Gesundheitskrisen eine Schlüsselrolle. Produktion und Forschung in der Schweiz müssen gestärkt werden.
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Marcel Plattner, Präsident Vips – Vereinigung Pharmafirmen in der Schweiz, Zug

Bei Krisen muss man zwischen lokal bedingten und globalen Schocks unterscheiden. Solange lokale Schocks global abgefedert werden können, ist die Pharmaindustrie stabil aufgestellt. Bei räumlich begrenzten Ereignissen wie zum Beispiel einem starken Erdbeben zählt, dass die Produktion breit abgestützt ist. Damit können lokal verursachte Produktionsausfälle aufgefangen werden. In der Realität ist dies leider immer weniger der Fall. Seit einigen Jahren verlagern sich immer grössere Teile der weltweiten Arzneimittelproduktion nach Fernost, wo sie sich auf wenige Produktionsstandorte verteilen. Die Abhängigkeit von solchen «Apotheken der Welt in der Arzneimittelgrundversorgung» muss verhindert und darf nicht mit nationalen Zulassungs- und Preisregulierungen noch gefördert werden. Preissenkungen bei Medikamenten – wie sie sich unter anderem aus der dreijährlichen Überprüfung der Arzneimittel und dem derzeit diskutierten Referenzpreissystem ergeben – dürfen nicht so weit gehen, dass die Produkte in der Schweiz aus Rentabilitätsgründen nicht mehr verfügbar sind. Weiterentwicklungen von bewährten Produkten werden durch ein solches Tiefpreisdiktat faktisch verunmöglicht, und es kommt zu einer Ausdünnung des Angebotes. Nur mit einer geschickten Regulierung lässt sich die lückenlose Versorgung sicherstellen – hier ist die Politik gefordert.

Pharma als Hoffnungsträgerin

Nebst Risiken ergeben sich aus gesundheitlichen Krisen Chancen, sind solche Ausnahmesituationen doch immer auch Antrieb für die Forschung. Pharmaindustrie und Universitäten arbeiten in Krisensituationen unter Hochdruck zusammen, um rasch und unbürokratisch Medikamente und Impfstoffe zu entwickeln. Der Industrie kommt als Hoffnungsträgerin eine wichtige gesellschaftliche Rolle zu. Dabei ist interessant, zu sehen, wie die Kostenfrage in den Hintergrund rückt, wenn es darum geht, den explosionsartigen medizinischen Bedarf an dringend benötigten Therapien zu decken. In stabilen Zeiten wird die Pharmaindustrie als Kostenverursacherin angeprangert, in Krisensituationen geht es ums nackte Überleben. Epidemien wie Aids, Ebola oder Hepatitis haben die Pharmaindustrie immer wieder vor grosse Herausforderungen gestellt. Dank unermüdlicher Forschung und medizinischem Fortschritt sind wir heute im Kampf gegen schwerwiegende Erkrankungen besser aufgestellt. Nebst der hoch innovativen Spitzenmedizin geht es aber genauso um die vielen etablierten Therapien der Grundversorgung mit grossem Nutzen für die breite Bevölkerung.

Medikamente leisten auch einen Beitrag zu tragbaren Gesundheitskosten. Im Vergleich zu anderen, teuren Behandlungsoptionen wie etwa langen Kuraufenthalten oder Operationen sind sie häufig die günstigste Behandlungsmethode und damit per se die Lösung zur Kostenersparnis. Der rasche Zugang zu teilweise lebensnotwendigen Medikamenten hat seinen Preis, führt aber letztendlich dazu, dass die Patienten besser und schneller genesen. Dies reduziert nicht nur die individuelle Krankheitslast, sondern auch die gesellschaftlichen Kosten, die auf lange Sicht verursacht werden. Was die volkswirtschaftlichen Auswirkungen sein können, wenn kein geeignetes Medikament zur Verfügung steht, erleben wir aktuell bei Covid-19 schmerzlich.

Zitiervorschlag: Plattner, Marcel (2020). Versorgung mit Medikamenten sicherstellen. Die Volkswirtschaft, 25. Mai.