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Die Gesundheitspolitik soll in erster Linie den Interessen der Patientinnen und Patienten dienen. Derzeit finden diese jedoch zu wenig Gehör.
Barbara Gassmann, Beraterin, Mitglied Geschäftsführung ad interim, Stiftung SPO Schweizerische Patientenorganisation, Zürich

Standpunkt

Die Schweizerische Patientenorganisation (SPO) fordert seit Jahren effektive Massnahmen zur Kostendämpfung ohne Qualitätseinbusse bei der Versorgung. Menschen müssen ihnen gebotene Information bewerten können. Sie benötigen sinnvolle Angaben über Behandlungsergebnisse und -alternativen, um einem Vorschlag einer Fachperson informiert zustimmen und eine Therapie langfristig durchhalten zu können. Gesundheits- und digitale Kompetenzen sind wichtige Voraussetzungen dafür.

In unseren Beratungen zeigt sich neben der Sorge um die Behandlungsqualität, dass viele Menschen unter den hohen Gesundheitskosten leiden. 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung verzichten laut Bundesrat aus Kostengründen auf eine notwendige Therapie. Ohnmacht kommt auf, wenn Patienten Rechnungen erhalten, die nur Fachleute verstehen. Prämienzahlende erwarten Unterstützung ihrer Krankenversicherung, um sich gegen verfehlte Forderungen von Gesundheitsdienstleistern zu wehren. Viele sind enttäuscht, weil sie dabei kein Gehör finden.

Zu oft sehen wir unnötige Behandlungen, die finanziell motiviert sind. Die Unterbindung von mengenabhängigen Anreizen für Ärzte im Spital geht in die richtige Richtung. Verstärkt müssen Prozesse und Infrastrukturen konsequent auf den Patientennutzen ausgerichtet werden.

Transparente Rechnungen

Patienten und ihre Organisationen müssen vermehrt in Entscheide einbezogen werden. Zudem fordern die Patientenorganisationen, vom Bund für individuelle Beratungsleistungen beauftragt und entschädigt zu werden.

Das Massnahmenpaket I des Bundesrates zur Kostendämpfung begrüsst die SPO zusammen mit anderen Patienten- und Konsumentenorganisationen weitgehend. Dass die Rechnungskontrolle gestärkt und Gesundheitsdienstleister verpflichtet werden, für Patienten Rechnungskopien zu erstellen – auch da, wo direkt mit der Krankenversicherung abgerechnet wird –, ist dringend nötig. Weiter ist die Einführung eines Referenzpreissystems für patentabgelaufene Arzneimittel und Generika eine wirksame und zumutbare Möglichkeit für Einsparungen. Schliesslich sind Massnahmen im Bereich der ambulanten Tarife und zur Kostensteuerung vorgesehen. Diese ermöglichen die Aktualisierung der Tarife und vermindern unnötige medizinische Interventionen. Letztere werden auf 20 bis 30 Prozent geschätzt.

Angesichts der Corona-Pandemie wird uns mit einer zuvor nicht gekannten Dringlichkeit unsere Abhängigkeit von Infrastruktur, intakten Warenflüssen und von genügend qualifiziertem Fachpersonal bewusst. Um Letzteres zu gewährleisten, sind erhebliche zusätzliche Investitionen in die inländische Ausbildung und in die Attraktivität dieser – als systemrelevant erkannten – Gesundheitsberufe nötig.

Zitiervorschlag: Barbara Gassmann (2020). Standpunkt: Patienten stärken – Kosten senken. Die Volkswirtschaft, 22. Juni.