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Zürich im Wettbewerb der Metropolen

Die Stadt Zürich begegnet Weltstädten wie Kunming und San Francisco auf Augenhöhe. Damit steigt auch der Anspruch, national mitzubestimmen.
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Mit der Kunstbiennale Manifesta setzte sich Zürich 2016 international als Kulturstadt in Szene. (Bild: Keystone)

Auf der Liste der 500 grössten Metropolen der Welt sucht man Zürich vergeblich. Die Stadt mit den schweizweit meisten Einwohnern ist nur knapp halb so gross wie etwa das mexikanische Aguascalientes, das auf dem bemitleidenswerten Platz 479 rangiert.[1] Zürichs Partnerstädte, das chinesische Kunming und San Francisco, sind ebenfalls ungleich grösser als die Limmatstadt – und doch begegnet ihnen Zürich auf Augenhöhe. Die Einwohnerzahl allein ist im internationalen Städteranking nicht alles. Worauf also gründet Zürichs Bedeutung?

Mehr als nur Business-Stadt


Historisch gesehen ist das wertvollste Asset Zürichs wohl das «Business»: Der Gotthard als Verkehrsknotenpunkt des alten Europas hat zur Bedeutung Zürichs als Handelsplatz ebenso beigetragen wie in jüngerer Zeit die Neutralität der Schweiz in einem von Kriegen geschüttelten Europa. Dass Zürich in den Top Ten der Finanzmetropolen mitspielt, verdankt es allerdings nicht zuletzt historischen Glücksfällen im 19. und 20. Jahrhundert und seiner liberalen Gesellschaftsordnung, die zu einer beispiellosen Prosperität führten. Ebenso profitiert Zürich von der sogenannten Swissness. Sie gilt als Ausdruck von Gründlichkeit und Zuverlässigkeit und basiert auf der politischen Stabilität der Schweiz und der Wertehaltung der Schweizer. Hinzu kommen Standortfaktoren wie die Schönheit der Natur, die gute Verkehrserschliessung und eine kalkulierbare Steuerbelastung – eine Kombination, die oft den Ausschlag für die Neuansiedlung eines Unternehmens gibt. Die Hochschulen schliesslich verzeichnen regelmässig Spitzenplätze in weltweiten Rankings, und als Kulturstadt geniesst Zürich Weltruf, etwa in den Sparten Design, Kunst, Theater oder Musik.

Zugegeben: Manche dieser Vorteile wurden schon vor Generationen erworben. Das heutige Zürich und die Schweiz dürfen sich jedoch zugutehalten, dass sie diese nicht leichtfertig verspielt haben. Jedenfalls bis jetzt nicht: Noch garantieren die bilateralen Verträge mit der EU nämlich den ungehinderten Zugang zum europäischen Binnenmarkt und sorgen durch den freien Personenverkehr nicht nur für den Austausch von Waren und Dienstleistungen, sondern auch von Fachkräften und Studierenden. Damit Zürich seinen Spitzenplatz im internationalen Städtevergleich halten kann, bedarf es ununterbrochenen Einsatzes. Insbesondere im Bereich Innovation, in dem Zürich gemäss dem weltweiten Ranking der IMD Business School führend ist.[2] Hier möchte die Stadt wenn möglich sogar noch besser werden. Die Stadtentwicklung Zürich unterstützt die Politik, die Wirtschaft, die Bildungsinstitutionen und die Zivilgesellschaft im Bemühen, international an der Spitze zu bleiben.

Zürich präsentiert sich der Welt


Dafür stehen der Stadt verschiedene Instrumente zur Verfügung. Vor gut zehn Jahren wurde zusammen mit dem Kanton und der Marketingorganisation Zürich Tourismus ein Konzept entwickelt, das die Stadt und die Region unter dem Label «Zurich Meets…» regelmässig als Standort und Tourismusregion in strategisch wichtigen Destinationen bewirbt. Bisher fanden mehrwöchige Auftritte in New York (2014), London (2016), Hongkong (2017), San Francisco (2018) und Seoul 2019 statt. Der für dieses Jahr in Berlin geplante Event musste aufgrund der Corona-Krise auf 2021 verschoben werden. Neben touristischen und kulinarischen Werbeaktionen sowie kulturellen Veranstaltungen findet dabei jeweils ein hochkarätiger Austausch zwischen den Hochschulen statt, während in Zürich ansässige Firmen mit den Unternehmen vor Ort Kontakte knüpfen. Politische Gespräche auf höchster Ebene sorgen ausserdem für freundschaftliche Beziehungen zwischen den jeweiligen Städten. Doch Zürich ist nicht nur im Ausland zu Gast, sondern bemüht sich auch um eine aktive Rolle als Gastgeberin für internationale Grossanlässe: etwa bei der Leichtathletik-EM 2014 oder der Kunstbiennale Manifesta 2016.

Um vom Wissen anderer Städte zu profitieren, partizipiert Zürich in Arbeitsgruppen von Städtenetzwerken wie Eurocities, wo Best-Practice-Erfahrungen geteilt werden. Zudem nimmt die Stadt im Rahmen der EU-Programme von Interreg und Urbact an Projekten teil, die einen Beitrag zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung leisten. Aktive Kooperationen laufen in humanitären oder auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Netzwerken, wie etwa dem Mayors Migration Council der Open Society Foundation von George Soros und des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). So erarbeitet Zürich etwa zusammen mit der libanesischen Stadt Tyros ein Verkehrskonzept und unterstützt die Stadt Sarajevo bei der Erneuerung ihres Masterplans.

Weil «Zürich» nicht an den Stadtgrenzen endet, werden die Aktivitäten auf zahlreichen Ebenen auch überregional vernetzt. So etwa in der Standortmarketingorganisation Greater Zurich Area (GZA), die auf ihrer Website damit wirbt, dass Technologieführer wie Google, Microsoft, IBM, Disney, ABB, Biogen, Johnson & Johnson oder Roche hier bedeutende Standorte für Forschung und Entwicklung betreiben. Das Einzugsgebiet der GZA umfasst neun Kantone, darunter auch das Tessin, wodurch die GZA auch an die Metropolitanregion Lombardei angrenzt. 20 Prozent der Bruttoansiedlungen und 22 Prozent der Stellen, die dank der GZA zustande kommen, lassen sich in der Stadt Zürich nieder. Dieses Engagement lohnt sich also: Zwischen 2009 und 2018 haben diese neu angesiedelten Unternehmen mit ihren insgesamt 1893 Mitarbeitenden für die Stadt Steuererträge von insgesamt rund 60 Millionen Franken generiert.

Mehr Mitsprache im Inland


Der Metropolitanraum Zürich, der vom Bodensee bis in den Aargau reicht, ist vor dem Arc lémanique und der Metropolitanregion Basel die ökonomisch stärkste Region der Schweiz. 11 Prozent des gesamtschweizerischen BIP werden hier erwirtschaftet, und jeder zehnte Schweizer Arbeitsplatz befindet sich hier. Diese wirtschaftliche Leistungsfähigkeit kontrastiert mit einer eher bescheidenen politischen Mitsprache auf nationaler Ebene. Und dies, obwohl die Stadt eine konstruktive Rolle als Impulsgeberin in Bezug auf Innovation, wirtschaftliche Ökosysteme oder partizipative Planung spielt. Davon profitieren Organisationen wie der Verein Metropolitanraum Zürich, der Planungsdachverband Region Zürich und Umgebung (RZU) oder der Schweizerische Städteverband (SSV).

Zürich arbeitet in verschiedenen Gremien des SSV und in der Tripartiten Konferenz mit. So können die kommunalen Anliegen frühzeitig in die politische Entscheidungsfindung auf Bundesebene einfliessen. Die Stadt vertritt so systematisch ihre Interessen bei wichtigen regionalen Themen wie dem Flughafen Zürich oder dem Innovationspark Dübendorf und auf kantonaler Ebene im Verbund mit anderen Städten sowie mit Agglomerationsgemeinden.

Metropolen immer bedeutender


Heute leben fast 60 Prozent der Weltbevölkerung in Städten. Gemäss Prognosen der OECD werden es im Jahr 2100 sogar 85 Prozent sein. Waren New York und Tokio im Jahr 1950 noch die einzigen Ballungsräume mit mehr als zehn Millionen Einwohnern, wird es 2030 weltweit voraussichtlich 41 solche Megastädte geben.

2015 erinnerte auch Michael Møller, Generaldirektor der UNO in Genf, die Vertreter der Schweizer Städte daran, dass die Metropolen auf globaler Ebene immer wichtiger würden, und bezeichnete sie als elementare Partner in der internationalen Zusammenarbeit. Und Martin Tschirren – damaliger stellvertretender Direktor beim Städteverband und heutiger Direktor des Bundesamtes für Wohnungswesen – stellte 2018 in einem Meinungsbeitrag in der NZZ fest, die Teilnahme an Netzwerken sei typisch für aussenpolitische Aktivitäten von Städten.[3] Diese eher informelle, pragmatisch ausgerichtete «Paradiplomacy» zeichne sich durch eine enge Zusammenarbeit mit NGOs und der Privatwirtschaft aus. Ein Beispiel dafür sind die substanziellen Mittel für die internationale Entwicklungszusammenarbeit, welche die Stadt Zürich per Volkswillen erhalten hat. Diese werden auch in Stadt-zu-Stadt-Kooperationen fliessen, wie sie bereits mit der libanesischen Stadt Tyros oder Sarajevo bestehen.

Dass Städte sogar Einfluss auf Supermächte wie China haben können, lässt sich an der Städtepartnerschaft zwischen Kunming und Zürich ablesen. Die 1982 weit unter dem Radar der nationalen Diplomatie als kulturelles Projekt lancierte Partnerschaft entwickelte sich nach und nach zu einer fachtechnischen Zusammenarbeit, die auch bei den Verhandlungen für das 2014 abgeschlossene Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der Volksrepublik China gewürdigt wurde.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis städtische Agglomerationen wirtschaftlich stärker sein werden als einige OECD-Länder. Ihre nationalen Regierungen sollten deshalb ein Interesse daran haben, diese Umwälzungen mit angepassten Strukturen zu begleiten. Funktionen, die am besten auf Ebene des städtischen Ballungsraums wahrgenommen werden, sollen auch dort angesiedelt werden. Denn die grossen Herausforderungen manifestieren sich nirgendwo so klar wie in den urbanen Räumen – entsprechend müssen die Städte umsetzbare Lösungen finden für Migration und Integration, sie müssen nachhaltige Mobilitätskonzepte finden und Wohnraum schaffen für alle Bevölkerungsschichten.

Trotzdem: Zürich wird auch im Jahr 2100 nicht zu den grossen Megacitys dieser Welt gehören. Aber wenn die Limmatstadt weiterhin so erfolgreich ist, stehen die Chancen gut, dass sie ihnen auch dann noch auf Augenhöhe begegnen wird.

  1. Siehe Seite «Liste der Millionenstädte». In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 6.5.2020. []
  2. Siehe IMD (2019). World Competitiveness Ranking 2019[]
  3. Martin Tschirren (2018). Die Städte der Welt sollten ihr Potenzial zu einer pragmatischen Aussenpolitik nutzen, NZZ vom 29.10.2018. []

Zitiervorschlag: Schindler, Anna (2020). Zürich im Wettbewerb der Metropolen. Die Volkswirtschaft, 18. Juni.