Iris Menn, Dr. rer. nat., Geschäftsleiterin Greenpeace Schweiz, Zürich
Wenn sich Greenpeace-Aktivistinnen und -Aktivisten Kettensägen oder Fischfangflotten in den Weg stellen, sehen sie sich als Anwälte der Bäume, Fische und Menschen, die keine Stimme in den Konferenzsälen der Vorstände von Unternehmen haben. Entlang der Leitlinie «Taten statt Warten» deckt Greenpeace seit den Siebzigerjahren Umweltverbrechen auf, legt Zeugnis am Ort des Geschehens ab, verhandelt mit Firmen und Regierungen, veröffentlicht wissenschaftliche Studien und erarbeitet Lösungsansätze auf rechtlich-politischer Ebene und für das praktische Handeln der Unternehmen. So zeigte eine Greenpeace-Studie auf, in welchem Ausmass eine Grossbank wie die Credit Suisse für CO2-Emissionen verantwortlich ist und wie sie den Klimaschutz umsetzen kann. Oder ein Plastikmüll-Brand-Audit an Stränden deckte auf, dass Nestlé einer der grössten Plastikverschmutzer weltweit ist. Bilder von Meeresvögeln – verhungert mit Mägen voller Plastik oder erstickt durch Sixpack-Ringe – oder von plastikverschmutzten Stränden sprechen ihre eigene Sprache und sind wichtige Kommunikationsmittel im Austausch mit unseren Unterstützenden.
Influencer Javier Bardem
Um Politik und Wirtschaft zum Umdenken bewegen zu können, ist Greenpeace angewiesen zum einen auf schweizweit über 135’000 Spenderinnen und Spender, zum anderen auf Hunderte von Freiwilligen, Aktivistinnen und Aktivisten, die sich mit Standaktionen, Onlineaktivitäten und lokalen Kampagnen in ihrer Freizeit für den Umweltschutz engagieren. Immer wichtiger wird eine wachsende Social-Media-Community, die unsere Inhalte aktiv und passiv unterstützt. Daher ist eine Kampagne ohne speziell für soziale Medien wie Facebook, Instagram, Youtube oder Twitter aufbereitete Inhalte heute undenkbar. Dazu gehören Videos und Fotos, welche die Umweltzerstörung dokumentieren, Interviews mit Betroffenen, Statements von Fachleuten, Petitionen, aber auch der Einbezug von wichtigen Key-Influencern wie dem spanischen Schauspieler Javier Bardem. Der Oscar-Preisträger hat an Bord des Greenpeace-Schiffs Esperanza einen Film über die betörende Schönheit der Antarktis gedreht und sich für den Schutz der Meere eingesetzt.
Das Aufdecken von Umweltverbrechen und das Aufzeigen von Lösungsansätzen sind dringender denn je. Mit dem heutigen Wirtschaftssystem wurde das Mittel des Wirtschaftens – das Geld – zum Zweck gemacht. Während das Wirtschaften ursprünglich dem Gemeinwohl diente, ist heute die Mehrung von Kapital und Marktanteilen zum zentralen Ziel geworden. Wir brauchen eine Transformation unseres Wirtschaftssystems, eine kleine Kurskorrektur reicht nicht aus. Ein erster wichtiger Schritt wäre eine andere Art der Bilanzierung von Wohlfahrt: Unternehmen sollten nicht nur nach Gewinn und Verlust, sondern aufgrund ihrer Gemeinwohlbilanz bewertet werden. Wir haben diese Transformation gemeinsam in der Hand. In diesem Sinne sind Klimastreikende wie Greta Thunberg ein Geschenk für Mensch und Natur. Die Jugend steht auf und kämpft für ihre eigene Zukunft. Greenpeace steht an ihrer Seite.
Zitiervorschlag: Menn, Iris (2020). Taten statt Warten. Die Volkswirtschaft, 21. Oktober.