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Die Verbände braucht es auch im Social-Media-Zeitalter weiterhin. Ihre Rolle als Vermittler zwischen Staat und Gesellschaft bleibt unverzichtbar.
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Christoph Mäder, Präsident Economiesuisse, Zürich

Economiesuisse ist der älteste nationale und branchenübergreifende Wirtschaftsdachverband der Welt. Seit nunmehr 150 Jahren vertritt er die Interessen seiner Mitglieder gegenüber Politik, Behörden und Öffentlichkeit – in allen Bereichen der Wirtschaftspolitik und im gesamten politischen Entscheidungsprozess, von der Idee bis zur Volksabstimmung. Mit dem Vermitteln von Sachinteressen beeinflusst Economiesuisse politische Entscheidungen im Sinne der Mitglieder. Damit verkörpert der Verband eine institutionelle Form des klassischen Peer-Influencers.

Während soziale Bewegungen wie etwa die Klimajugend mit Druck von der Strasse auf ein Problem aufmerksam machen, beteiligen sich Verbände mit konkreten Vorschlägen an der Lösung eines Problems. Im politischen System der Schweiz spielen die Wirtschaftsverbände eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung und der Durchsetzung wirtschaftspolitischer Entscheidungen. Mit dem Einbezug der wichtigsten Interessenorganisationen in den politischen Entscheidungsprozess sollen im Vorfeld parlamentarischer Entscheidungen Lösungen erarbeitet werden, die sachlich geboten, kompromisstauglich und vor allem mehrheitsfähig und prinzipiell durchsetzbar sind.

Erosion der Verbände?

Die Vermittlungsfunktion der Verbände scheint nun unter Druck zu geraten. Gelegentlich wird von einer «Erosion des Korporatismus» gesprochen oder gar von einer «Krise der Intermediäre». Die Verbände – wie auch politische Parteien – stehen vor grossen Herausforderungen, die sich in einer Abnahme traditioneller Wertebindungen und Organisationsloyalitäten manifestieren. Diesen Entwicklungen liegen unter anderem die Individualisierung der Gesellschaft und die Ausdifferenzierung der Wirtschaft zugrunde. Dieser Strukturwandel ist Ausdruck veränderter Umwelten und unterwirft die Vermittlungsfunktion von Verbänden einem starken Wandel.

Insbesondere das Aufkommen von Online-Kommunikation und Social Media stellt die traditionellen Verbände in der digitalisierten Netzwerköffentlichkeit vor zusätzliche Herausforderungen und zwingt sie zu einer Professionalisierung ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Economiesuisse zum Beispiel hat im Bereich Online-Kommunikation und insbesondere im digitalen Marketing umfassendes, hochspezifisches Know-how aufgebaut. So gelingt es dem Verband, unterschiedliche Zielguppen auf sozialen Netzwerken durch ausgeklügeltes Micro-Targeting anzusprechen und zu mobilisieren.

Die Verbände passen sich also den neuen Gegebenheiten an: Eine Professionalisierung der Verbände ist heute unverkennbar. Sie manifestiert sich in zunehmender Expertise unter anderem in Fragen des Lobbyings, aber auch der medialen Vermittlungsformen.

Gelegentlich reden Politiker die Bedeutung der Verbände klein – zum Teil auch aus Eigeninteresse. Tatsache bleibt aber, dass Verbände als demokratische Systeme «en miniature» durch ihre Funktion als Vermittler zwischen Gesellschaft und Staat seit je eine unverzichtbare Leistung für das politische System der Schweiz erbringen – gestern, heute und morgen.

Zitiervorschlag: Mäder, Christoph (2020). Verbände sind Vermittler. Die Volkswirtschaft, 21. Oktober.