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Wie reguliert man Buchungsplattformen?

Viele Schweizer Hoteliers empfinden Preisparitätsklauseln von globalen Anbietern wie Booking.com und Expedia als Belastung. Ein Verbot dieser Klauseln hätte ökonomisch jedoch einen vernachlässigbaren Effekt. Was tun?
Outdoor-Gästezimmer auf der Dachterrasse des Hotels Widder in Zürich. (Bild: Keystone)

Buchungsplattformen wie Booking.com oder Expedia haben für die Schweizer Hotellerie stark an Bedeutung gewonnen. Zwar wurde in der Schweiz im Jahr 2018 immer noch mehr als jede zweite Logiernacht direkt beim Hotel gebucht – der Anteil ist aber seit Jahren rückläufig. Auffällig ist insbesondere die schwache Entwicklung des Online-Direktvertriebs über die hoteleigenen Websites (siehe Abbildung). Trotz zunehmendem Trend zu mehr Buchungen über das Internet ist der Marktanteil dieses Absatzkanals zwischen 2013 und 2018 nur minimal angestiegen.

Demgegenüber konnten die grossen Buchungsplattformen ihren Marktanteil innerhalb desselben Zeitraums um rund 10 Prozentpunkte ausbauen. Klarer Marktführer im Online-Vertrieb ist Booking.com. Im Jahr 2018 wurde jede fünfte Logiernacht in der Schweiz über diese Plattform gebucht. Heute kann es sich kaum ein Schweizer Beherbergungsbetrieb mehr leisten, nicht auf dieser Plattform präsent zu sein.

Schweizer Logiernächte: Marktanteile nach Absatzkanal (2013 und 2018)




Der Erfolg der Buchungsplattformen ist insbesondere auf deren Marketingstrategie zurückzuführen: Weltweit investiert Booking.com beispielsweise jedes Jahr mehrere Milliarden Franken in Werbeanzeigen bei Google. Zudem sind die Plattformen sehr nutzerfreundlich gestaltet und erreichen damit eine hohe Kundenbindung.

Aus Sicht der Hoteliers haben die Buchungsplattformen sowohl Vor- als auch Nachteile. Einerseits bieten sie eine enorme Reichweite und damit Chancen bei der Gewinnung neuer Kunden, speziell bei Gästen aus fernen Ländern. Andererseits wird für jede über eine Plattform erfolgte Buchung eine Kommission fällig. Diese beträgt in der Schweiz im Schnitt etwa 13 Prozent des Zimmerpreises. Je nach Grad der Abhängigkeit von den Plattformen müssen Hotels somit einen erheblichen Teil ihrer Gewinnmarge für Kommissionen aufwenden. Im Gegenzug entfällt bei den Hotels ein Teil der Marketingausgaben.

Kontroverse Preisparitätsklauseln


Die meisten grossen Buchungsplattformen verwenden sogenannte Preisparitätsklauseln. Damit verlangt eine Plattform von einem Hotelleriebetrieb, dass dessen Angebot auf der Plattform preislich mindestens so attraktiv ist wie auf bestimmten anderen Vertriebskanälen. In der Praxis wird zwischen «weiten» und «engen» Preisparitätsklauseln unterschieden. Bei der weiten Klausel müssen Hoteliers der betreffenden Buchungsplattform den besten Preis über sämtliche Vertriebskanäle garantieren. Das Angebot auf den anderen Plattformen und auch auf der hoteleigenen Website und im Direktverkauf – beispielsweise per Telefon oder E-Mail – darf nicht günstiger sein. Demgegenüber gilt bei engen Klauseln die Preisparität nur für den Online-Direktvertrieb. Sprich: Das Angebot auf der hoteleigenen Website darf preislich nicht attraktiver sein als auf der Buchungsplattform. Das Angebot im Offline-Verkauf – beispielsweise per Telefon, E-Mail und an der Rezeption – kann aber darunterliegen.

Da weite Paritätsklauseln die Differenzierung der Preise zwischen den verschiedenen Buchungsplattformen praktisch verunmöglichen, hat die Weko den drei grossen Plattformen Booking.com, Expedia und HRS im Herbst 2015 verboten, diese anzuwenden. Auf Druck verschiedener europäischer Wettbewerbsbehörden verzichteten die grossen Buchungsplattformen zu diesem Zeitpunkt in Europa allerdings bereits auf weite Klauseln und führten enge Preisparitätsklauseln ein. Solche engen Preisparitätsklauseln sind in den Vertragsverhältnissen zwischen Buchungsplattformen und Beherbergungsbetrieben in der Schweiz und den meisten EU-Ländern bis heute Standard. Rein rechtlich gesehen sind damit unterschiedliche Preise zwischen den Buchungsplattformen möglich.

Parlament macht Druck


Aber auch die engen Preisparitätsklauseln sind Gegenstand kontroverser Diskussionen. Aus Sicht der Hotellerie unterscheidet sich ihre praktische Wirkung kaum von den verbotenen weiten Klauseln. Zudem verunmögliche die Regelung eine effektive Stärkung des Online-Direktvertriebs. Buchungsplattformen begründen die Notwendigkeit von Preisparitätsklauseln mit einem drohenden Trittbrettfahrereffekt. Laut den Plattformbetreibern würden preislich attraktivere Angebote im Online-Direktvertrieb dazu führen, dass Konsumenten die Plattformen nur noch als Suchmaschinen, nicht aber als Buchungskanal nutzen würden. Dies könnte das auf den Buchungskommissionen aufbauende Geschäftsmodell der Buchungsplattformen gefährden.

Im Parlament verlangt eine 2017 angenommene Motion des Solothurner CVP-Ständerats Pirmin Bischof, alle Preisparitätsklauseln in der Hotellerie zu verbieten. Im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) hat das Forschungs- und Beratungsunternehmen Ecoplan eine Regulierungsfolgenabschätzung durchgeführt.[1] Dabei wurde untersucht, ob ein solches Verbot aus ökonomischer Sicht notwendig ist und welche Wirkung es in der Praxis hätte.

Kartellgesetz reicht aus


Die Analyse zeigt, dass die wettbewerbsökonomische Bewertung enger Preisparitätsklauseln stark von der Definition des relevanten Markts abhängt. Im reinen Online-Vertrieb haben enge und weite Preisparitätsklauseln tatsächlich eine ähnliche Wirkung. Wird der Offline-Vertrieb – zum Beispiel am Telefon oder per E-Mail – mit einbezogen, ist die Situation weniger eindeutig. Ausgehend von der heutigen Marktstruktur, besteht damit keine eindeutige Notwendigkeit für ein Verbot enger Preisparitätsklauseln. Das bestehende Instrumentarium im Kartellgesetz ist dafür bereits heute ausreichend. Die Weko könnte intervenieren, sofern sie dies als nötig erachtet.

Die Motion Bischof begründet die Verbotsforderung betriebswirtschaftlich: Ein Verbot sei nötig, um den Direktvertrieb der Hotels zu stärken. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive ist dieses Anliegen nachvollziehbar: Es ist unbestritten, dass in vielen Fällen tatsächlich ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Beherbergungsbetrieb und Buchungsplattform besteht. Aus ökonomischer Sicht rechtfertigt ein solches Abhängigkeitsverhältnis aber nicht automatisch einen staatlichen Eingriff.

Verbot bewirkt nur wenig


In der Studie wurde untersucht, welche Auswirkungen ein komplettes Verbot von Preisparitätsklauseln in der Beherbergungsbranche hätte. Inwieweit würden Hotelleriebetriebe den zusätzlichen formalen Preissetzungsspielraum aufgrund des Verbots tatsächlich nutzen? Würden im Online-Direktvertrieb ohne die Preisparitätsklauseln tatsächlich günstigere Preise als auf den Plattformen angeboten? Basierend auf der wissenschaftlichen Literatur und auf Experteninterviews, kommt die Studie zum Schluss, dass in dieser Hinsicht nur ein geringer zusätzlicher Effekt zu erwarten wäre.

Dies liegt unter anderem daran, dass sich bereits heute ein Teil der Betriebe nicht an die Preisparität hält. Sie bieten auf ihren Websites tiefere Preise an als auf den Buchungsplattformen. Hinzu kommt die empirische Evidenz, dass Hotelleriebetriebe, die im eigenen Online-Direktvertrieb tiefere Preise anbieten, mit einer schlechteren Platzierung in den Suchresultaten der Plattformen rechnen müssen.[2] Denn die Buchungsplattformen wirken der Preisdifferenzierung mittels ihrer Ranking-Algorithmen entgegen. Es ist zwar möglich, dass die Plattformbetreiber mit den Algorithmen nicht unmittelbar auf die Durchsetzung der Preisparität abzielen – die Platzierung kann vielmehr auch an die Buchungswahrscheinlichkeit eines Angebots durch die Kundinnen und Kunden gebunden sein. Dies wäre für die Plattformen betriebswirtschaftlich sinnvoll. Die Auswirkungen auf die Anreize zur Preisdifferenzierung für die Hoteliers sind aber dieselben.

Je nach Grad der Abhängigkeit von den Plattformen hat eine Differenzierung der Preise für einen Hotelier potenziell hohe Buchungseinbussen zur Folge, weil sein Betrieb bei den Suchresultaten nach hinten rutscht. Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass Buchungsplattformen diese Praxis auch nach einem formalen Verbot von Preisparitätsklauseln fortführen.

In diesem Sinne wären der effektiven Preisdifferenzierung zwischen Online-Direktvertrieb und Buchungsplattform auch im Falle eines Verbots von Preisparitätsklauseln weiterhin enge Grenzen gesetzt. Demzufolge ist auch nicht zu erwarten, dass die vorgeschlagene Verbotsregelung eine wesentliche Stärkung des Direktvertriebs der Hotels oder eine generelle Intensivierung des Wettbewerbs zur Folge hätte.

Regulatorische Herausforderungen


Da Algorithmus-basierte Massnahmen die Wirksamkeit einer möglichen Regulierung unterlaufen können, stellt sich die Frage: Wie könnte der Gesetzgeber diesem Phänomen effektiv und effizient begegnen? Um im vorliegenden Fall alle indirekten Gegenmassnahmen durch die Plattformen abdecken zu können, müsste die verbotene Handlung sehr breit formuliert werden und auch die entsprechenden Algorithmen umfassen. Dies würde eine erhebliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Reichweite des Verbots mit sich bringen. Hinzu kommen offene Fragen hinsichtlich der Durchsetzung einer solchen Regelung. Die Beweislast läge in jedem Fall aufseiten der Hoteliers.

Die Diskussionen um die Buchungsplattformen reihen sich in die vermehrt gestellten Forderungen nach der Regulierung von Internetplattformen ein. Solche Forderungen sind in der Branche bereits beim Wohnungsvermittler Airbnb bekannt oder im Bereich des Personentransports bei Uber. All diese Plattformen basieren auf Geschäftsmodellen und Algorithmen, die für den Gesetzgeber nur schwer zu fassen und zu regulieren sind. Es müssen im Online-Bereich daher «smarte» Lösungen gefunden werden, um in den betroffenen Märkten frühzeitig klare Regeln zu schaffen, ohne aber innovative Geschäftsmodelle zu verhindern.

  1. Ecoplan (2020). []
  2. Hunold, Kesler und Laitenberger (2020). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Michael Mattmann, Roman Elbel, (2020). Wie reguliert man Buchungsplattformen. Die Volkswirtschaft, 11. November.