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Wie viel Reichtum verhindern Vermögenssteuern?

Die Vermögenssteuer zahlen vor allem die sehr Reichen, bei denen die Vermögen konzentriert sind. Was sind die Konsequenzen davon? Wie stark behindern Vermögenssteuern die Vermögensbildung?
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Wie wirken sich Vermögenssteuern auf die Vermögensbildung von Haushalten aus?[1] Diese Frage ist entscheidend dafür, ob und wie hoch der Staat Kapitaleinkommen und Vermögen besteuern sollte. Zur Besteuerung von Kapitaleinkommen gibt es zwar schon viele wissenschaftliche Arbeiten. Wie Vermögenssteuern die langfristige Vermögensbildung beeinflussen, ist aber noch wenig erforscht. Die Ökonomen Katrine Jakobsen, Kristian Jakobsen, Henrik Kleven und Gabriel Zucman von den Universitäten Kopenhagen, Berkeley und Stanford gehen dieser Frage nach.

Zu diesem Zweck analysieren sie administrative Vermögensdaten aus Dänemark. Dänemark erhob traditionell einen der weltweit höchsten (Grenz-)Steuersätze auf Vermögen. Jedoch senkte es die Vermögenssteuer 1989 drastisch und schaffte sie schliesslich 1997 ganz ab. Für das Forscherteam stellt diese stufenweise Abschaffung ein sogenanntes Quasi-Experiment dar. Anhand diesem können sie analysieren, wie die wohlhabendsten Bevölkerungsschichten auf Vermögenssteueränderungen reagieren und wie sie langfristig ihre Vermögensbildung anpassen.

Dänische Besonderheit: Steuerobergrenze

Dazu verwenden die Wissenschaftler einen Datensatz der dänischen Behörden mit Informationen zu den Privatvermögen aller dänischen Haushalte von 1980 bis 1996. Kaum ein Land verfügt über derart detaillierte Vermögensdaten über einen längeren Zeitraum. Im Fokus der Arbeit stehen die sehr wohlhabenden Haushalte, welche dem reichsten Prozent aller Haushalte entsprechen.

Die Autoren nutzen eine Besonderheit des dänischen Steuersystems, welches eine generelle Obergrenze für alle persönlichen Steuern (z. B. Einkommens- und Vermögenssteuern, Sozialversicherungsbeiträge) vorsieht. Einige der reichsten Haushalte überschreiten diese Obergrenze, so dass ihre Steuerschuld auf den Betrag der Obergrenze «limitiert» ist. Das bedeutet, dass jedes zusätzlich angesparte Vermögen die Steuerschuld nicht weiter erhöhen kann und somit der Grenzsteuersatz auf null fällt. Auf zusätzlich angehäuftes Vermögen bezahlen sie keine Steuern mehr. Haushalte, deren Gesamtsteuerschuld die Obergrenze nicht erreicht und damit «nicht limitiert» ist, müssen dagegen mit zusätzlichem Vermögen auch mehr Vermögenssteuer bezahlen. Sie unterliegen daher einem hohen Grenzsteuersatz.

Im Jahr 1989 beschloss Dänemark eine Steuersenkung, welche den Vermögenssteuersatz von 2,2 auf 1 Prozent mehr als halbierte. Wegen der Steuerobergrenze hatte sie allerdings sehr unterschiedliche Effekte auf die reichsten Haushalte: Die nicht-limitierten Haushalte mit einem Vermögen unterhalb der Grenze profitierten vollumfänglich von der Senkung des Steuersatzes. Ihr Anreiz zu mehr Vermögensbildung wurde dadurch gestärkt. Limitierte, sehr reiche Haushalte, deren Vermögen die Obergrenze überstieg, konnten hingegen nicht von der Steuersenkung profitieren und mussten weiterhin die maximale Steuerschuld bezahlen, die der Obergrenze entsprach. Sie sollten daher weniger stark oder gar nicht auf die Steuersenkung reagieren.

Haushalte reagieren unterschiedlich

Diese Unterschiede unter den Wohlhabenden ermöglicht es den Forschern, die Auswirkungen von Vermögenssteuern auf die Vermögensentwicklung der reichen Bevölkerung Dänemarks zu schätzen. Konkret vergleichen sie das Verhalten von «limitierten» und «nicht limitierten» Haushalten innerhalb des obersten Prozents der Vermögensverteilung. So können sie die Auswirkungen der Steuersenkung quantifizieren.

Die Reform der Vermögenssteuer hat beträchtliche Auswirkungen auf das zu versteuernde Vermögen (siehe Abbildung). Auf der Vertikalen ist die prozentuale Veränderung des steuerbaren Vermögens der sehr wohlhabenden Haushalte abgetragen. Die rote Kurve zeigt das Vermögenswachstum der nicht-limitierten Haushalte, welche die maximale Steuerschuld (Obergrenze) noch nicht erreicht haben und somit auf jedes zusätzliche Vermögen die volle Vermögenssteuer bezahlen müssen. In der Zeit vor der Reform wuchs ihr Vermögen etwas langsamer als das der reichsten Haushalte, deren Steuerschuld durch die Obergrenze limitiert ist und die daher auf zusätzliches Vermögen einen Grenzsteuersatz von Null haben (schwarze Kurve). Dieses Muster kehrt sich unmittelbar nach der Steuersenkung 1989 um: Das Vermögen der nicht-limitierten Haushalte wächst schneller, da sie in vollem Umfang von der Steuersenkung profitieren. Die Autoren deuten diese Trendwende als Evidenz dafür, dass die Vermögensbildung auf niedrigere Vermögenssteuern reagiert und die Haushalte mehr Vermögen aufbauen.

Vermögensentwicklung der reichsten Haushalte, limitierte und nicht-limitierte Steuerzahler (1980-1996)

Quelle: Jakobsen et al. (2020), Abb. VI.

Reform beeinflusst Vermögensbildung langfristig

Die Forscher können so zeigen, dass Vermögenssteuern einen deutlichen Einfluss auf das steuerbare Vermögen haben. Dieses Ergebnis überzeugt, da die Vermögenstrends in beiden Gruppen vor der Reform parallel verlaufen und erst danach divergieren. Der Aufbau von Vermögen braucht jedoch viel Zeit. Deshalb wirkt eine Steuersenkung langfristig stärker als unmittelbar nach der Reform. Etwa nach acht Jahren hat die Reform das Vermögen reicher Haushalte, die von der Steuersenkung profitieren konnten, um rund 31 Prozent erhöht.

Auf lange Sicht multiplizieren sich die Auswirkungen der Vermögensbesteuerung. Der Vermögenszuwachs ist nach 30 Jahren sogar mehr als doppelt so gross wie nach acht Jahren. Anhand von Simulationen schätzen die Forscher, dass die reichsten Haushalte, die von der Steuersenkung profitieren konnten, nach 30 Jahren ihr Vermögen um rund 65 Prozent steigerten.

Mechanische Effekte vs. Verhaltensänderungen

Jakobsen und ihre Co-Autoren führen diese Entwicklung sowohl auf verhaltensbezogene als auch auf mechanische Effekte zurück. Selbst wenn die Haushalte gar nicht auf Änderungen der Vermögenssteuern reagieren, wird allein die höhere Rendite nach Steuern rein mechanisch ihr Vermögen im Laufe der Zeit vergrössern. Sie kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass die Verhaltensänderungen der Haushalte die Vermögensbildung wesentlich stärker ankurbeln als die rein mechanischen Renditeeffekte.

Die mechanischen Effekte gewinnen jedoch langfristig aufgrund von Zinseszinseffekten deutlich an Bedeutung. Nach 30 Jahren machen sie etwa ein Drittel des Gesamteffekts aus. Die Verhaltensänderungen umfassen etwa zusätzliche Ersparnisse und höhere Erbschaften. Die Entscheidung darüber, wieviel jemand seinen Erben hinterlassen möchte, ist insbesondere für die Vermögensbildung der sehr Wohlhabenden relevant.

Welche Auswirkungen haben also Vermögenssteuern? Die Studie von Katrine Jakobsen und ihren Co-Autoren macht deutlich, dass Vermögenssteuern die Vermögensbildung stark beeinflussen. Da die Vermögen bei den sehr reichen Haushalten stark konzentriert sind, können auch nur sie von Steuersenkungen profitieren und ihre Vermögen vergrössern. Mittelfristig sind dafür sowohl Verhaltensänderungen wie zusätzliche Ersparnisse als auch höhere Renditen nach Steuern verantwortlich. Vermögenssteuern können daher eine wichtige Stellschraube sein, um beispielsweise langfristige Spar- und Konsumentscheidungen von sehr wohlhabenden Haushalten und die oft ungleiche Vermögensverteilung zu beeinflussen.

  1. Dieser Artikel basiert auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen von Jakobsen, Jakobsen, Kleven und Zucman (2020). []

Literaturverzeichnis
    • Jakobsen, Katrine, Kristian Jakobsen, Henrik Kleven und Gabriel Zucman (2020). Wealth Taxation and Wealth Accumulation: Theory and Evidence from Denmark, Quarterly Journal of Economics 135(1), 329-88.

 


Bibliographie
    • Jakobsen, Katrine, Kristian Jakobsen, Henrik Kleven und Gabriel Zucman (2020). Wealth Taxation and Wealth Accumulation: Theory and Evidence from Denmark, Quarterly Journal of Economics 135(1), 329-88.

 

Zitiervorschlag: Mündlein, Tabea (2020). Wie viel Reichtum verhindern Vermögenssteuern? Die Volkswirtschaft, 26. November.

Serie: Next Generation

Dieser Artikel ist Teil der Reihe «Next Generation». Darin fassen herausragende Studierende der Universität St. Gallen aktuelle und bedeutende Forschungsresultate von international renommierten Wirtschaftswissenschaftlern kompakt zusammen. Betreut und herausgegeben wird die Reihe von Christian Keuschnigg, Professor für Nationalökonomie und öffentliche Finanzen. Weitere Artikel der Reihe finden Sie hier oder auf der Website der Universität St. Gallen.