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Lokale Kredite schützen verletzliche Schuldner

Das Seco fördert in Entwicklungsländern die Kreditvergabe in der lokalen Währung. Das schützt insbesondere finanziell verletzliche Schuldner vor Währungsrisiken und Überschuldung.
Studierende im Aufenthaltsraum eines Wohnheims in Nairobi. Die 7300 Wohnungen wurden mithilfe grüner Anleihen in kenianischer Währung finanziert. (Bild: Acorn Holdings Limited)

Nairobi im Jahr 2020. Die junge Studentin kann sich zu Hause am Küchentisch im Fernunterricht nicht so richtig konzentrieren. Herumrennende jüngere Geschwister, eine schlechte Internetverbindung, zeitweilige Stromausfälle und starker Lärm sind keine förderliche Umgebung für ihr Studium. So wie dieser Studentin geht es vielen Studierenden in Nairobi. Denn wegen Corona sind die Unis auch hier geschlossen. Zwar sind 75 Prozent der kenianischen Bevölkerung unter 35-jährig, und dennoch konzentriert sich der Immobilienmarkt vorwiegend auf Mehrfamilienwohnungen. Nairobi bietet nur sehr wenige erschwingliche, bautechnisch sichere und qualitativ hochwertige sowie umweltzertifizierte Wohnungen für Studierende.

 

Doch das soll sich ändern. Mithilfe des Unternehmens Guarantco hat die Acorn Holdings Limited – der grösste Entwickler von Studentenwohnungen in Kenia – eine grüne Anleihe[1] zur Kapitalaufnahme herausgegeben. Guarantco ist Teil der Private Infrastructure Development Group. Finanziert wird Letztere vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) sowie fünf weiteren Geberstaaten[2] und der Internationalen Finanz-Korporation (IFC), die zur Weltbankgruppe gehört. Die Anleihe stellt Acorn das Kapital in Kenia-Schilling, der lokalen Währung, zur Verfügung, um 7300 Studentenwohnungen zu bauen. Guarantco hat eine Teilgarantie von 50 Prozent für die Anleihe und die technische Assistenz bereitgestellt. Ohne diese teilgarantierte Anleihe wäre der Bau dieser Wohnungen nicht möglich – zumindest nicht zu erschwinglichen Preisen.

Vertrauen von Investoren gewinnen


 

Aufgrund ihrer Risikovorgaben konnten lokale Banken und Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen Acorn keine weitere Finanzierung in der Lokalwährung gewähren. Weshalb nur noch der Kapitalmarkt blieb. Die erstmalige Ausgabe einer grünen Anleihe an der Börse von Nairobi[3] hing nicht nur von der Garantie von Guarantco ab, sondern vor allem auch vom Vertrauen institutioneller Investoren wie lokaler Pensionskassen. Zwar hat die internationale Ratingagentur Moody’s die Anleihe eine Stufe besser bewertet als kenianische Staatsanleihen. Die Einstufung durch eine anerkannte Ratingagentur allein reichte aber trotzdem nicht aus.

 

Es brauchte viel Aufklärungsarbeit von Acorn und Gaurantco, um die Pensionskassen und Regulatoren zu überzeugen. Bei den Pensionskassen ging es insbesondere darum, die Mechanismen, die Risiken und die Rolle der Anlage in ihrem Portfolio zu verstehen. Den Regulierungsbehörden war vor allem eine sichere und korrekte Handhabung der Anlagenklasse wichtig. Der Erfolg gibt dem Instrument letztlich recht: Der Anleihebetrag wurde kurze Zeit nach erstmaliger Ausgabe der Anleihe aufgrund der hohen Nachfrage sogar erhöht.

 

Dank der Transaktion von Acorn in Lokalwährung erhalten 7300 Studierende nun eine neue Wohnung in Nairobi. Ein Währungsrisiko gibt es dank der Anleihe für den Schuldner Acorn nicht. Ein solches Risiko besteht lediglich noch für internationale Investoren. Aber auch dieses Risiko wird dank der Teilgarantie von Guarantco minimiert. So kann Acorn die Preisvorteile aufgrund tieferer Risiken an diejenigen weitergeben, die die Konsequenzen am stärksten spüren: die Studierenden. Sie bezahlen niedrigere Mieten.

 

Gleichzeitig haben institutionelle Investoren, lokale Banken und Regulatoren in Kenia mit den grünen Anleihen in Lokalwährung Vertrauen in diese Art von Transaktion gefasst. Der ganzheitliche Ansatz mit finanziellen Anreizen, technischer Assistenz und dem Aufbau von Vertrauen ermöglicht weitere Transaktionen. Das nächste Mal wird die Teilgarantie geringer sein können oder sogar ganz wegfallen.

Kapitalimport oft nötig


 

Strukturell übersteigen die hohen Investitionsbedürfnisse in vielen Entwicklungsländern die dort niedrigen Sparquoten. Ein Kapitalimport ist deshalb die logische – und oft eine sinnvolle – Folge. Gleichzeitig gibt es durchaus Potenzial, bestehende lokale Ersparnisse von Pensionskassen oder der aufstrebenden Mittelklasse vermehrt über den lokalen Markt in Projekte zu investieren. Der Grund, weshalb dies dennoch selten geschieht, sind mangelndes Vertrauen in die lokale Währung, schwache staatliche Institutionen, eine mangelhafte Wirtschafts- und Geldpolitik sowie eine fehlende rechtliche und regulatorische Basis. Ein weiterer Grund können Risikovorgaben von lokalen Banken, institutionellen Investoren oder Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen sein.

 

Die erwartete relative Abwertung der Lokalwährung verteuert das lokale Kapital auf dem Papier und lässt die Fremdwährungslösung kurzfristig als attraktiver erscheinen. Nicht selten haben politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger und Konsumenten einen kurzfristigen Maximierungshorizont. Staaten, Unternehmen oder Konsumenten sehen dann keinen Nutzen darin, Kapital in der Lokalwährung aufzunehmen. Denn die Zinsen für einen Kredit in Fremdwährung sind auf dem Papier tiefer, und die potenziell höheren Kosten eines Fremdwährungskredits fallen erst im Verlauf der Kreditdauer an.

 

Doch langfristig sind die Endkunden mit Kapital in Lokalwährung oft besser bedient. Denn diese Option ist krisenresistenter und weniger abhängig von internationalen Geldflüssen, was langfristige Stabilität bringt. Zur Veranschaulichung: In Schweizer Franken denominierte Hypothekarkredite waren bis zur Finanzkrise in Osteuropa aufgrund der viel niedrigeren Zinsen sehr beliebt. Die starke Abwertung der Lokalwährungen gegenüber dem Schweizer Franken hat die Auslagen für die Kreditnehmer allerdings massiv erhöht und dazu geführt, dass sie ihre Kredite nicht mehr zurückbezahlen konnten.

 

Genau hier setzen die Instrumente des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) an. Sie sorgen dafür, dass die Risiken und die finanziellen Konsequenzen nicht diejenigen tragen, welche am meisten darunter leiden. Denn in Krisensituationen wie der aktuellen Corona-Pandemie kommt es oft zur unverschuldeten Abwertung der Lokalwährung.

Reformen und Dialog fördern


 

Doch Garantien für Anleihen sind nicht der einzige Weg, um Kredite in Lokalwährung zu fördern. Den zuständigen Regulierungsbehörden, Banken und Unternehmen fehlen oft das Bewusstsein für die Vorzüge von Krediten in Lokalwährung und auch das Wissen zur Umsetzung einer Lokalwährungslösung. Unterstützt man sie darin mittels Information und technischer Assistenz, lassen sich Reformen für das bessere Funktionieren der Kapitalmärkte herbeiführen. Deshalb finanziert das Seco auch Projekte wie die «Capital Markets Strengthening Facility» der Weltbankgruppe. Diese Initiative ermöglicht stabile und widerstandsfähige Kapitalmärkte in Sektoren wie Infrastruktur, Wohnungsbau und KMU-Finanzierung, welche für die Armutsreduktion und die wirtschaftliche Entwicklung zentral sind.

 

Im Dialog mit den multilateralen Entwicklungsbanken setzt sich das Seco als Anteilseigner ausserdem für nachhaltige Lösungen ein. Ziel ist es, dass nicht die finanziell verletzlichen Schuldner die Fremdwährungsrisiken tragen. Wie das gelingen kann, zeigt eine aktuelle Studie des unabhängigen Londoner Thinktanks Overseas Development Institute.[4] Gemäss diesem können die multilateralen Entwicklungsbanken entweder die Risiken selber tragen oder in derselben Währung Kapital aufnehmen, in welcher dieses als Kredit vergeben wird (zum Beispiel mit einer Anleihe).

 

Eine weitere Möglichkeit ist, mittels Hedging die Risiken extern abzusichern. Zum Beispiel ist The Currency Exchange Fund (TCX) spezialisiert darauf, Währungsrisiken in Währungen abzusichern, in denen es noch keine genügend liquiden Risikomärkte gibt. Das Seco ist Investor in TCX. Mit diesem Beitrag sollen auch Schweizer Akteure, wie etwa die Entwicklungsfinanzierungsgesellschaft des Bundes (Sifem), einen besseren Zugang zu Lokalwährung für die Kapitalweitergabe an KMU in Entwicklungsländern erhalten.

Vor- und Nachteile abwägen


 

Bei allen Projekten soll die Schweizerische Entwicklungszusammenarbeit die Risiken und die Chancen von Lokalwährungs- und Fremdwährungskrediten gegeneinander abwägen. Für Fremdwährungskredite spricht etwa, dass strukturell schwache Staaten mit mangelhafter Regierungsführung nicht nach Lust und Laune Geld drucken und so die eigene Währung abwerten können. Lokalwährungskredite hingegen sind bei einem externen Schock finanziell nachhaltiger.

 

Lokalwährungskredite für private und öffentliche Akteure in Entwicklungsländern müssen deshalb zugänglicher werden als heute. Nur so können Studierende in Kenia und anderswo auch nach der Pandemie bautechnisch sichere, qualitativ hochwertige und erschwingliche Studentenwohnungen mieten.

 

Damit die Schwächsten bei globalen externen Schocks in Zukunft noch weniger Währungsrisiken tragen müssen, braucht es erstens: gemeinsame Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, um bewährte Instrumente auszubauen und so die Währungsabsicherung besser zu diversifizieren. TCX ist ein gutes Beispiel dafür. Zweitens sollen mittels Blending – des Mischens von öffentlichen und privaten Mitteln – vermehrt lokale, regionale oder globale institutionelle Investoren sowie andere private Kapitalgeber dazu beitragen, dass Kredite in lokaler Währung mobilisiert werden. Und drittens muss die Entwicklungszusammenarbeit vermehrt auf grüne Lokalwährungslösungen fokussieren. Denn Klimafinanzierung erzielt oft einen grösseren Entwicklungseffekt, wenn sich die involvierten Parteien über die Wahl der Währung und deren Konsequenzen bewusst sind.

 

Mit einem Fokus auf diese drei Punkte verfolgt die Entwicklungszusammenarbeit konsequent ihr Mandat der nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung.

  1. Bei grünen Anleihen muss das aufgenommene Kapital zweckgebunden für ökologische Vorhaben eingesetzt werden. []
  2. Australien, Deutschland, Grossbritannien, die Niederlande, Schweden. []
  3. Die Parallelnotierung an der London Stock Exchange macht die Anleihe einem breiteren Publikum zugänglich. []
  4. Griffiths, Panizza und Taddei (2020). Reducing Low-income Country Debt Risks, the Role of Local Currency-denominated Loans from International Institutions, ODI, Mai 2020. []

Zitiervorschlag: Christoph Liechti (2021). Lokale Kredite schützen verletzliche Schuldner. Die Volkswirtschaft, 31. März.