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Grenzgänger sind für das St. Galler Rheintal wichtige Arbeitskräfte – das Verhältnis ist dabei unverkrampft.
Beat Tinner, Regierungsrat, Vorsteher Volkswirtschaftsdepartement, Kanton St. Gallen

Standpunkt

Auf den ersten Blick scheint es wenig: Grenzgängerinnen und Grenzgänger machen im Kanton St. Gallen lediglich 3 Prozent aller Arbeitskräfte aus. Die rund 10’000 Personen stammen hauptsächlich aus Österreich, Deutschland und dem Fürstentum Liechtenstein – wobei Letztere keine Grenzgängerbewilligung benötigen. Auf den zweiten Blick zeigt sich aber: Während Grenzgänger im gesamten Kanton – etwa im Toggenburg und im Linthgebiet – nur eine untergeordnete volkswirtschaftliche Rolle spielen, kommt ihnen im Rheintal mit seiner weltweit beachteten Präzisionsgüterindustrie eine Schlüsselfunktion zu. Dort stellen Grenzgänger rund 11 Prozent der Arbeitskräfte. Ohne sie ginge dort in den zahlreichen exportorientierten Betrieben nichts mehr.

Die Situation im Kanton St. Gallen unterscheidet sich grundlegend von der Ausgangslage in anderen Landesteilen. Sieht man von vereinzelten, mehr technischen Diskussionen zur Quellenbesteuerung von Personen mit Wohnsitz in der Schweiz, die nach Liechtenstein pendeln, ab, treten Spannungen und Probleme, welche andernorts existieren, hier nicht zum Vorschein. Die Gründe dafür sind nebst kulturellen Gemeinsamkeiten ökonomischer Natur. Ein Blick über die Grenze zeigt, dass sich auch in Vorarlberg, im Fürstentum Liechtenstein und in den deutschen Grenzgebieten die Wirtschaft in der Vergangenheit gut entwickelt hat und auch dort zahlreiche neue Arbeitsplätze entstanden sind.

Zwar hat die Zahl der Grenzgänger auch im Kanton St. Gallen seit 2010 in der Tendenz kontinuierlich zugenommen. Der Grund dafür liegt am attraktiven Stellenangebot im Grenzraum Rheintal. Das Lohngefälle zwischen Vorarlberg, aus dem der überwiegende Teil der Grenzgänger stammt, und dem St. Galler Rheintal ist aber weniger gross als landläufig vermutet. Man darf also festhalten: Im Zusammenhang mit der Grenzgängerthematik ist weder ein Verdrängungswettbewerb noch Lohndumping feststellbar.

Funktionierender Arbeitsmarkt

Auf das Qualifikationsniveau bezogen, machen die Fachkräfte sowie die Führungskräfte und Akademiker den grössten Teil der Grenzgänger aus. Betrachtet man jedoch die Entwicklung seit 2016, so zeigt sich eine deutliche Zunahme vor allem im Bereich der Hilfsarbeitskräfte. Die Anzahl der Fachkräfte und Techniker hat sich seit 2016 nur geringfügig verändert.

Da die St. Galler Arbeitgeber bei der Besetzung offener Stellen nicht explizit nach Grenzgängern suchen und die regionalen Stellenplattformen grenzüberschreitend funktionieren, ist es nachvollziehbar, dass sich bei entsprechenden Angeboten auch Interessenten aus Vorarlberg auf offene Stellen bewerben und den Zuschlag erhalten. Die Entwicklung beweist, dass der Arbeitsmarkt im gewünschten Mass spielt.

Zitiervorschlag: Beat Tinner (2021). Standpunkt: Ohne Grenzgänger steht das Rheintal still. Die Volkswirtschaft, 02. März.