Suche

Abo

Swiss made versus Made in Germany

Made in Germany ist laut einem Ranking die weltweit stärkste Ländermarke. Im Gegensatz zur Schweiz sind Herkunftsangaben in Deutschland gesetzlich nur vage geregelt.

Swiss made versus Made in Germany

Die wertvollste deutsche Marke ist Mercedes Benz. (Bild: Keystone)

Beim Länderimage rangieren die Schweiz und Deutschland regelmässig auf den Spitzenpositionen. Gemäss dem Made-in-Country-Index des Datenportals Statista aus dem Jahr 2017 belegen Deutschland und die Schweiz mit 100 Punkten respektive 98 Punkten die ersten beiden Plätze. Das Ranking ermittelte die Reputation von insgesamt 49 Ländern sowie der Europäischen Union aufgrund eines durchschnittlichen, gewichteten Anteils positiver Urteile. An der Befragung nahmen insgesamt 43’034 Personen teil. In den Top Ten finden sich hinter dem Spitzenduo die Europäische Union, Grossbritannien, Schweden, Kanada, Italien, Japan, Frankreich und die USA. Das Schlusslicht ist China mit 28 Punkten.

Im Made-in-Country-Index fällt auf, dass die Länder mit spezifischen Eigenschaften assoziiert werden. So ist die Schweiz beispielsweise führend bei Authentizität und Status, während Deutschland vor allem mit hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards in Verbindung gebracht wird. Gemein ist beiden Ländern die Wertschätzung von Konsumentinnen und Konsumenten im Hinblick auf eine hohe Qualität ihrer Produkte.

Zwei Wege


Die Kehrseite der Medaille ist, dass dieses positive Image von Trittbrettfahrern ausgenutzt werden kann und daher missbrauchsanfällig ist. Wenn im Ausland gefertigte Produkte als Swiss made beziehungsweise als Made in Germany bezeichnet werden, schadet dies möglicherweise dem Ansehen einer Ländermarke. Bislang verfolgen die Schweiz und Deutschland zwei unterschiedliche Strategien. Mit der Swissness-Gesetzgebung von 2017 wählte die Schweiz einen proaktiven Weg, indem sie mittels normierter Kriterien einen konkreten gesetzlichen Rahmen vorgab. So müssen beispielsweise bei einem Industrieprodukt mindestens 60 Prozent der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen, damit es als Swiss made bezeichnet werden darf.

Demgegenüber ist die Gesetzgebung in Deutschland allgemein gehalten: Laut dem deutschen Wettbewerbsrecht sind «unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben» unzulässig. Geografische Herkunftsbezeichnungen sind hier eingeschlossen. Ebenso darf eine geografische Herkunftsangabe nach dem Markengesetz im geschäftlichen Verkehr nicht für Waren gebraucht werden, wenn diese nicht aus dem angegebenen Ort beziehungsweise Land stammen und eine Gefahr der Irreführung über die Herkunft besteht. Weiter dürfen geografische Herkunftsbezeichnungen «mit besonderem Ruf» im geschäftlichen Verkehr für Waren anderer Herkunft auch dann nicht verwendet werden, wenn zwar keine Irreführungsgefahr besteht, jedoch etwa der Ruf ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt werden kann.

In welchen Fällen eine Gefahr der Irreführung droht beziehungsweise eine Herkunftsangabe wie Made in Germany ausgenutzt oder beeinträchtigt werden kann, erläutert in der deutschen Gesetzgebung weder das Wettbewerbs- noch das Markenrecht. Im Vergleich zum Schweizer Recht fehlen prozentuale Schwellenwerte, und Begriffe wie Herstellungskosten werden nicht näher skizziert. Daher obliegt es in Deutschland vor allem den Gerichten, die unbestimmten Rechtsbegriffe zu konkretisieren und in Einzelfällen zu entscheiden.

Spannender Direktvergleich


Sollte analog zur Schweiz auch die Marke Deutschland gesetzlich besser geschützt werden? Eine klare politische Antwort steht noch aus, es sei denn, man wertet ausbleibende legislative Schritte getreu der Maxime «Keine Antwort ist auch eine Antwort» als Absage an einen weiter gehenden Schutz der deutschen Herkunftsangabe.

Aufschlussreich wird das nächste Länderranking sein, dessen Zeitpunkt noch unbekannt ist. Denn: Sollte sich die Schweiz im nächsten Made-in-Country-Index vor Deutschland platzieren, dürfte der Ruf nach einer konkreten Regelung lauter werden. Umgekehrt – sollte die Schweiz gegenüber Deutschland zurückfallen – wird vonseiten etwaiger Kritiker  der Swissness-Gesetzgebung möglicherweise der Einwand kommen, dass es der Revision im Schweizer Recht gar nicht bedurft hätte.

Natürlich sind gesetzgeberische Schritte allein für den Erfolg einer Ländermarke noch kein Gradmesser, jedenfalls wird man Swiss made und Made in Germany unter diesem Gesichtspunkt nicht monokausal bewerten können. Gleichwohl könnte die weitere Entwicklung dieser beiden Herkunftsangaben zumindest Anlass für eine Diskussion geben, inwiefern gesetzgeberische Bemühungen hilfreich für ein Länderimage sind.

Was die Debatte auch zukünftig schwierig gestalten könnte, sind die zahlreichen Wechselwirkungen und Einflussfaktoren. So kommt es wohl unter anderem auch darauf an, wie verbreitet Missbräuche in der Praxis sind. Je häufiger dies der Fall ist, umso grösser wird der Handlungsbedarf tendenziell sein. Potenziell schwierig ist es auch, die Verbreitung von Missbräuchen abzuschätzen, wenn mangels konkreter Regeln kaum verlässlich zu sagen ist, welcher Anteil der Unternehmen sich rechtskonform verhält, also zur Nutzung der betreffenden Herkunftsbezeichnung berechtigt ist. In Deutschland dürfte es jedenfalls bei einer vergleichsweise geringen Anzahl von Gerichtsentscheidungen (mit Einzelfallcharakter) besonders schwierig sein, Verstösse einschliesslich der Dunkelziffer zu quantifizieren.

Das Territorialitätsprinzip und die Rechtsdurchsetzung stellen weitere Herausforderungen dar. Kommt es schwerpunktmässig eher zu Rechtsverletzungen im Ausland und erfasst das dortige Recht nicht äquivalent zur eigenen Gesetzgebung ebendiese Missbräuche, könnten nationale Regelungskonzepte nur bis zu einem gewissen Grad für Abhilfe sorgen. Man könnte dann lediglich gegen diejenigen Unternehmen vorgehen, welche im Inland unrechtmässig die betreffende Herkunftsbezeichnung verwenden; weitere missbräuchliche Praktiken ausserhalb davon blieben ungeahndet. Demgegenüber stünde jedoch die Erwägung, dass man umso überzeugender für einen Schutz von Swiss made und Made in Germany – gegebenenfalls auch im Ausland – werben kann, wenn dieser auch im Inland praktiziert wird. Ganz besonders dürfte dies dann gelten, wenn hierfür zugleich auch ein Rahmenwerk existiert, welches eine grundsätzliche Orientierung ermöglicht und im Idealfall aufgrund einer bewährten Praxis Vorbildcharakter entfalten kann. Anders als Deutschland hat die Schweiz hierfür bereits etwas getan.

Zitiervorschlag: Hermann Dück (2021). Swiss made versus Made in Germany. Die Volkswirtschaft, 31. März.