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Lebensmittelhersteller haben dank den Swissness-Regeln einen Anreiz, einheimische Rohstoffe zu verwenden. Das ist für die Bauernfamilien wichtig.
Markus Ritter, Präsident Schweizer Bauernverband (SBV), Brugg AG

Standpunkt

Wann ist etwas ein Schweizer Produkt? Was nach einer einfachen Frage tönt, ist fast philosophisch komplex. Die Schweiz ist ein rohstoffarmes Land. Deshalb sind wir auf Importe angewiesen. Dass eine Markenuhr als Schweizer Produkt vermarktet werden darf, daran zweifelt wahrscheinlich niemand. Schliesslich steckt viel einheimisches Know-how, Technik und Design darin – auch wenn sämtliches Material und wohl auch zahlreiche Einzelteile aus dem Ausland stammen. So ist es wenig erstaunlich, dass sich die Lebensmittelindustrie gegen die 2017 eingeführte Swissness-Regelung bei Lebensmitteln wehrte. Tatsächlich steckt beispielsweise in einem Biskuit auch sehr viel einheimisches Know-how und Design. Aus diesem Grund könnte man es auf den ersten Blick als gerechtfertigt anschauen, dass dieses das Schweizer Kreuz tragen kann, wenn es nach speziellem Rezept in der Schweiz hergestellt wurde.

Nur gibt es bei Lebensmitteln eine relevante Differenz zur Uhr: Es gibt im Inland Rohstoffe. Aus Sicht des Schweizer Bauernverbandes stellt sich daher eine Grundsatzfrage: Wie kann die Landwirtschaft vom Mehrwert der Herkunft Schweiz profitieren, wenn jedes im Inland hergestellte Lebensmittel das Schweizer Kreuz tragen darf? Wie kann sich ein Verarbeitungsbetrieb, der bewusst Schweizer Rohstoffe verwendet, gegenüber der Konkurrenz abgrenzen? Die Antwort: Sie können sich gegenüber den Konsumentinnen und Konsumenten nicht profilieren. Das ist umso störender, als die einheimische Landwirtschaft in Sachen nachhaltiger und tierfreundlicher Produktion dem Ausland um Längen voraus ist. Damit ist die Verwendung von inländischen Rohstoffen bei Lebensmitteln ein echter Mehrwert, der sich auch entsprechend vermarkten lässt. Verschiedene Umfragen zeigen, dass Konsumenten bei Lebensmitteln erwarten, dass Schweiz drin ist, wenn Schweiz draufsteht.

Glaubwürdigkeit stärken

Seit 2017 gilt die bereits erwähnte Swissness-Regelung. Seither dürfen Lebensmittel nur dann das Schweizer Kreuz tragen, wenn mindestens 80 Prozent der enthaltenen Rohstoffe aus dem Inland stammen. Dies unter der Voraussetzung, dass die benötigten Rohstoffe im Inland überhaupt verfügbar sind. Kakao für Schokolade darf beispielsweise nach wie vor in beliebiger Menge importiert werden. Aus Sicht des Bauernverbands war diese neue Auflage dringend nötig. Denn es kam immer häufiger auch zu missbräuchlicher Verwendung, die der Marke Schweiz als Ganzes geschadet und die Glaubwürdigkeit untergraben hat. Für die Schweizer Landwirtschaft sind die Swissness-Regeln essenziell: Nur so können die einheimischen Bauernfamilien auch an der Wertschöpfung verarbeiteter Lebensmittel angemessen teilhaben.

Die Schweizer Landwirtschaft arbeitet darüber hinaus mit der Herkunftsmarke Suisse Garantie. Suisse Garantie steht für kontrollierte und zertifizierte Herkunft, bei der in verarbeiteten Produkten mindestens 90 Prozent der Rohstoffe aus der Schweiz stammen müssen.

Zitiervorschlag: Markus Ritter (2021). Standpunkt: Swissness: Warum Lebensmittel anders sind. Die Volkswirtschaft, 31. März.