Koch in der Luzerner Altstadt. Im Tourismuskanton Luzern fliesst ein Grossteil der Härtefallunterstützungen in die Gastronomie. (Bild: Keystone)
Die Covid-19-Pandemie hat die Schweizer Wirtschaft schwer getroffen. Die Arbeitslosigkeit ist im vergangenen Jahr um rund einen Prozentpunkt gestiegen, und die Gesuche für Kurzarbeit erreichten Rekordwerte. Auch die Konjunkturprognosen mussten erheblich nach unten korrigiert werden: Erwartete man vor der Krise noch ein Wachstum, rechnen die Konjunkturexperten des Bundes für das Jahr 2020 aktuell mit einem Rückgang des BIP um 3,0 Prozent. Besonders stark von der Pandemie betroffen sind Branchen im Dienstleistungssektor, bei denen der persönliche Kontakt zwischen Anbieter und Kunde charakteristisch ist. So etwa die Gastronomie und Hotellerie, die Kultur- und Eventbranche, der Detailhandel oder die Reisebranche. Ebenfalls stark betroffen ist die Industrie – in erster Linie aufgrund der gesunkenen Exportnachfrage.
Die Pandemie durchdringt derart viele Branchen und Wertschöpfungsketten, dass im Endeffekt sämtliche Regionen der Schweiz von der Krise betroffen sind – wenn auch unterschiedlich stark. Hauptgrund für die unterschiedliche Betroffenheit sind die regionalen Unterschiede in der Branchenzusammensetzung: Stark betroffene Branchen haben in gewissen Regionen mehr Gewicht als in anderen.
Bergregionen stark von Lockdown betroffen
Dass insbesondere die Branchenstruktur die regionale Betroffenheit beeinflusst, bestätigt ein Blick auf den Anteil der Beschäftigten, deren Arbeitsstätte aufgrund der «Covid-19-Verordnung besondere Lage»[1] im Januar 2021 schliessen musste. Dieser Anteil ist insbesondere in den Bergregionen hoch (siehe Karte). Der Grund: Die Bergregionen haben überdurchschnittlich hohe Beschäftigungsanteile in den leidenden tourismusnahen Branchen wie der Gastronomie und dem Detailhandel.
Abb. 1: Anteil der Beschäftigten, deren Arbeitsstätte aufgrund der Covid-19-Verordnung im Januar 2021 schliessen musste (nach Arbeitsmarktregion)
Eine pauschale Betrachtung anhand der betroffenen Branchen als Ganzes würde aber zu kurz greifen. Denn auch innerhalb einer Branche kann es zu regional unterschiedlicher Betroffenheit kommen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Tourismusbranche. Zwar wiegt die Tourismuskrise für die Bergregionen aufgrund des hohen Beschäftigungsanteils in tourismusnahen Branchen sehr schwer, bei der Hotellerie stehen die Berggebiete im regionalen Vergleich aber nicht am schlechtesten da; der grösste Rückgang bei den Logiernächten ist in den Städten zu verzeichnen. Der Grund dafür ist, dass in den Städten der Anteil ausländischer Gäste typischerweise höher liegt – diese blieben aber im letzten Jahr aufgrund der Reiseeinschränkungen und des Wegfalls von Messe- und Geschäftstourismus fast komplett aus. In den Berggebieten hingegen wurde der Einbruch durch die inländischen Touristen teilweise aufgefangen.
Der Tourismus stellt keine Ausnahme dar. Auch innerhalb der Industrie gibt es regionale Unterschiede. Schwer gelitten hat beispielsweise die in den Kantonen Jura und Neuenburg stark vertretene Uhrenindustrie. Für diese sind Offline-Vertriebskanäle wie Messen deutlich wichtiger als in anderen Branchen. Im Kanton St. Gallen ist es die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie), welche im vergangenen Jahr deutlich weniger Aufträge erhielt und entsprechend schwere Einbussen zu verzeichnen hatte. Demgegenüber fällt die Zunahme der Arbeitslosigkeit innerhalb des zweiten Sektors in Kantonen wie Graubünden oder Zug viel weniger ins Gewicht. In Graubünden waren vor allem das Baugewerbe und das Gastgewerbe für die steigende Arbeitslosigkeit verantwortlich; in Zug war es der Handel (siehe Abbildung 2). Diese Anteile sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die absolute Zunahme der Arbeitslosigkeit im Industriesektor beispielsweise im Kanton Waadt viel grösser war als im Kanton Appenzell Ausserrhoden.
Abb. 2: Beitrag verschiedener Branchen zum Anstieg der Arbeitslosigkeit, nach Kanton (Feb. 2020 bis Feb. 2021)
Quelle: Regiosuisse / Seco, Amstat / Die Volkswirtschaft
Unternehmen gezielt durch die Krise helfen
Bereits zu Beginn der Krise bauten Bund und zahlreiche Kantone Instrumente zur Unterstützung der Wirtschaft auf. Der Bund unterstützte die Unternehmen insbesondere mit Kurzarbeitsentschädigungen, Corona-Erwerbsersatz für Selbstständigerwerbende und Covid-19-Überbrückungskrediten. Auf kantonaler Ebene wurden betroffene Unternehmen zudem mit Branchenprogrammen für besonders betroffene Sektoren, Mietzinsunterstützungen, Start-up-Förderung, Steuererleichterungen und anderen Instrumenten unterstützt.
Dank der Covid-19-Härtefallverordnung[2], die auf dem Covid-19-Gesetz beruht, können seit vergangenem Dezember Unternehmen bei der Überwindung der Krise gezielt unterstützt werden. Die regionalen Unterschiede werden dabei berücksichtigt. Über die Härtefallverordnung beteiligt sich der Bund an Unterstützungen der Kantone an Unternehmen, deren Umsatz um mehr als 40 Prozent zurückgegangen ist oder die auf behördliche Anordnung hin mindestens 40 Tage geschlossen werden mussten. Die Unterstützungen können à fonds perdu oder als rückzahlbare Darlehen, Bürgschaften und Garantien gesprochen werden.
Insgesamt haben Bund und Kantone für die Härtefallunterstützungen 10 Milliarden Franken vorgesehen, wovon 8,2 Milliarden der Bund trägt. Die Umsetzung der Härtefallverordnung läuft über kantonales Recht. Das gibt den Kantonen die Möglichkeit, bei der Unterstützung von kleineren und mittleren Unternehmen bis zu einem Jahresumsatz von 5 Millionen Franken auf die im Kanton spezifischen Herausforderungen einzugehen. Für die Unterstützung an Unternehmen mit mehr als 5 Millionen Franken Jahresumsatz gelten schweizweit einheitliche Bemessungskriterien.
Auswertungen aus dem Berichterstattungstool der Kantone bis Anfang April 2021 zeigen, dass schweizweit der Grossteil der À-fonds-perdu-Härtefallunterstützungen in die Gastronomie (42%) und in die Beherbergung (12%) floss. Im Tourismuskanton Luzern beträgt der Anteil der Härtefallunterstützungen, die in die Gastronomie flossen, gar 60 Prozent und derjenige der Beherbergung 17 Prozent. Luzern konnte das Härtefallinstrument nutzen, um diese besonders betroffenen Sektoren gezielt zu unterstützen.
Kantonale Unterschiede zeigen sich auch bei der Branche «Erbringung von Dienstleistungen des Sports, der Unterhaltung und der Erholung»: In Schaffhausen flossen 24 Prozent der À-fonds-perdu-Härtefallmittel in diese Branche, im Jura waren es nur 4 Prozent und in Uri nur 2 Prozent.
Schnelle Abwicklung in den Kantonen
Die dezentrale Umsetzung der Härtefallverordnung hat sich insbesondere auch beim Abwickeln der Prozesse bewährt. Denn die Kantone, die über die Gesuche entscheiden, kennen ihre Unternehmerlandschaft sehr genau, der Bund hat hier weniger Know-how. Die Kantone hatten aus der Umsetzung anderer Förderinstrumente wie etwa der Neuen Regionalpolitik bereits eingespielte Instrumente zur Unterstützung von Unternehmen und konnten so die erforderlichen Antrags- und Gesuchsprüfungsprozesse rasch aufbauen. Die Umsetzung über die Kantone bringt somit beträchtliche Vorteile.
Verschiedentlich wird kritisiert, dass die kantonal unterschiedliche Vergabepraxis ungerecht sei, weil ähnliche Unternehmen je nach Kanton anders behandelt würden. Diese Kritik ist berechtigt. Die kantonale Hoheit entspricht jedoch dem Wesen des Schweizer Föderalismus und berücksichtigt klare Wünsche des Parlaments und der Kantone nach Gestaltungsfreiheit der Kantone. Viele Standortfaktoren sind kantonal oder sogar kommunal geprägt, beispielsweise die Unternehmensbesteuerung. Durch das Festlegen zentraler Eckwerte auf nationaler Ebene in Gesetz und Verordnung sowie mittels Erfahrungsaustausch wird ein Abgleich zwischen den verschiedenen Kantonen sichergestellt. Zudem werden die Unterstützungen für Unternehmen mit mehr als 5 Millionen Franken Jahresumsatz schweizweit einheitlich berechnet. Bei der Konzeption und der Weiterentwicklung der Verordnung konnte der Bund stets auf eine aktive Mitarbeit der Kantone zählen und von ihren wertvollen Erfahrungen profitieren.
Die Umsetzung der Härtefallverordnung wird auch in den kommenden Monaten einiges an Abstimmungsarbeit zwischen Bund und Kantonen sowie unter den Kantonen erfordern. Dies wird die Unterstützungen laufend verbessern und einen zielgerichteten Einsatz der Mittel ermöglichen. Der Schweizer Vielfalt muss und wird auch mit der Härtefallunterstützung Rechnung getragen, sodass die Unternehmen möglichst gut in die Phase nach der Krise starten können.
Zitiervorschlag: Frank, Julian; Kollbrunner, Sabine; Setz, Matthias (2021). Härtefallverordnung: Dezentrale Umsetzung bewährt sich. Die Volkswirtschaft, 28. April.