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Sustainable Finance: Die zwei grossen Fragen

Wie sind nachhaltige Geldanlagen definiert? Und: Zahlt sich Nachhaltigkeit aus? Wer sich mit Sustainable Finance befasst, sollte die Antworten auf diese Fragen kennen.
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Konkret messbar bei nachhaltigen Investitionen sind etwa die erzielten Treibhausgaseinsparungen. Solarpanelverkäufer in Uganda. (Bild: Alamy)

Nachhaltigkeit ist zu einem zentralen Thema auf dem Finanzmarkt geworden. Auch in der Schweiz ist der Markt für nachhaltige Geldanlagen in den vergangenen Jahren stark gewachsen.[1] Allein zwischen 2018 und 2019 legte der Markt um 62 Prozent zu. Nachhaltige Investmentfonds machen inzwischen 38 Prozent des gesamten Fondsmarkts in der Schweiz aus. Zwei immer wiederkehrende Fragen dominieren die Sustainable-Finance-Debatte. Die erste lautet: Wie definiert man nachhaltige Investments?

Mit nachhaltigen Investments sind Investitionen gemeint, die Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte («environmental, social and governance»; ESG) in die Anlageentscheidungen mit einbeziehen. ESG findet sich in zahlreichen Marktberichten und bezeichnet dort jede Art von Investition, die diese Nachhaltigkeitsaspekte über reine Risiko-Rendite-Überlegungen hinaus einbezieht – unabhängig vom Umfang und der Tiefe dieser Einbindung. Der Begriff «nachhaltige Investments» lehnt sich zudem an das Nachhaltigkeitskonzept der Vereinten Nationen an, wie es etwa im Brundtlandbericht von 1987 vertreten wird.

Letztlich gilt aber: Die Diskussion darüber, was genau ein wirklich nachhaltiges Investment ist und was nicht, ist fruchtlos. Jede wirtschaftliche Aktivität wird potenziell negative ökologische oder soziale Nebeneffekte oder unbeabsichtigte Folgen erzeugen. Stattdessen muss man feststellen, welche Investitionen eine höhere oder eine niedrigere Wirkung (Impact) haben.

Welche Strategie?


Die ESG-Investments lassen sich in vier Strategien einteilen (siehe Tabelle). Den geringsten Aufwand erfordern sogenannte ESG-gescreente Investitionen, die bestimmte Risiken und ethische Bedenken mindern wollen. Sie konzentrieren sich typischerweise auf bestimmte Ausschlusskriterien. Beispielsweise kann man risikobehaftete Branchen wie Rohstofffirmen oder Erdölfirmen vom Portfolio ausschliessen.

Einen Schritt weiter gehen die ESG-gemanagten Investitionen: Sie beinhalten ebenfalls Ausschlusskriterien, der Ansatz ist aber insgesamt umfassender als bei den ESG-gescreenten Investitionen. So kommt hier mindestens ein weiterer Bewertungsansatz zum Zuge – ein Beispiel ist der sogenannte Best-in-Class-Ansatz, bei dem bewusst in die ESG- Vorreiter in einem Industriesektor investiert wird. Typischerweise liefern ESG-gemanagte Anlagen – basierend auf einem Rating oder einem Score – dem Kunden eine Grundlage für seine Anlagebeurteilung. Idealerweise sollten entsprechende Anlageprodukte extern verifiziert werden, etwa durch ein Audit oder ein Label.

Neben diesen beiden Strategien gibt es auch sogenannte Impact-bezogene Investments. Diese haben zum Ziel, die Nachhaltigkeit messbar zu steigern und gleichzeitig eine finanzielle Rendite zu erzielen. In einer aktuellen Studie unterscheiden wir zwischen «wirkungskompatiblen» und «wirkungseffektiven» Investitionen.[2] Während wirkungskompatible Investitionen ein umfassendes Set von Ausschlusskriterien anwenden und mindestens einen Vor- und einen Nach-Investitionsentscheidungs-Ansatz kombinieren, setzen wirkungseffektive Investitionen auf unterschiedliche Strategien, um eine tatsächliche Veränderung herbeizuführen. Beispielsweise können Investoren bei wirkungseffektiven Investitionen zusätzliches Kapital bereitstellen, das es Firmen oder Projekten ermöglicht, eine soziale oder eine ökologische Wirkung zu erzielen. Weiter können sich die Investoren auf Firmen konzentrieren, die zukunftsweisende Ziele zur Erzeugung von Auswirkungen festlegen. Ebenfalls können Investoren Firmen zu Veränderungen veranlassen, indem sie sich aktiv als Aktionäre einbringen: An Jahreshauptversammlungen können sie beispielsweise soziale und ökologische Themen adressieren sowie ein entsprechendes Engagement (d. h. aktiver Dialog) initiieren.

Für beide Arten von Impact-bezogenen Investments muss ein Nachweis der sozialen beziehungsweise der ökologischen «Wesentlichkeit» erbracht werden. Sprich: Es gilt greifbare, reale Nachhaltigkeitsindikatoren – wie etwa Treibhausgasemissionen oder die Vertretung von Frauen in den Verwaltungsräten von Unternehmen – zu definieren und diese zu messen.  Entscheidend für wirkungskompatible Investitionen ist, dass die bereits realisierte Wirkung gegenüber einem Benchmark dokumentiert wird. Bei wirkungseffektiven Investitionen wiederum muss die intendierte Wirkung klar definiert werden.

Nachhaltige Investments: Vier Strategien






ESG-gescreente Investments ESG-gemanagete Investments Impact-bezogene Investments
Wirkungs-kompatible Investments Wirkungs-effektive Investments
Minderung von ESG-bezogenen Risiken und/oder Berücksichtigung von ethischen Überlegungen im Rahmen von Ausschlüssen. Systematische Reflexion über ESG-bezogene Risiken und Chancen anhand von ESG-Scores und -Ratings. Ausrichtung an sozialen und ökologischen Herausforderungen und Zielen. Vergleich der erreichten Wirkung anhand eines Benchmarks. Aktiver Beitrag zu sozialen und ökologischen Lösungen und Transformationen. Zielformulierung: Welche Wirkung soll erreicht werden?

Es lohnt sich


Die zweite wichtige Frage der Sustainable-Finance-Debatte lautet: Zahlt sich Nachhaltigkeit finanziell aus? In einer Metaanalyse aus dem Jahr 2015  haben wir mehr als 2000 empirische Studien analysiert, die seit den 1970er-Jahren zum Zusammenhang zwischen ESG-Kriterien und der Finanzperformance veröffentlicht wurden (siehe Abbildung).[3]

Sustainable Finance und Performance




Anmerkung: Dargestellt sind die Daten einer Metaanalyse zwischen 1970 und 2014. Berücksichtigt sind einerseits Vote-Count-Studien («Zählstudien»), welche die Zahl der Primärstudien zählen, die einen signifikant positiven, negativen oder nicht signifikanten Zusammenhang zeigen. Anderseits sind ökonometrische Übersichtsstudien, sogenannte Metaanalysen, berücksichtigt.

Quelle: Friede et al. (2015) / Die Volkswirtschaft

Die Ergebnisse der Analyse veranschaulichen eingehend: Knapp die Hälfte aller untersuchten Studien findet einen signifikant positiven Zusammenhang zwischen ESG und Finanzperformance – demgegenüber finden weniger als 10 Prozent einen negativen Zusammenhang. Bei den verbleibenden Studien gibt es keinen beziehungsweise einen nicht signifikanten Zusammenhang.

Geringerer Effekt bei Aktien


Eine genauere Betrachtung nach Anlageklassen zeigt: Überproportional positive Resultate mit ESG-Kriterien erzielt man mit festverzinslichen Anlagen und Immobilien. Bei Aktien ist die Rendite hingegen leicht tiefer. Ob eines der drei ESG-Kriterien einen vermeintlich grösseren Einfluss auf die Finanzperformance hat, lässt sich allerdings nicht eindeutig ermitteln: Über 60 Prozent aller Studien finden einen positiven Zusammenhang zwischen Governance und der Finanzperformance. Dicht darauf folgen allerdings die Studien zu den Umwelt- und Sozialkriterien, somit spielt es keine Rolle, ob man nun einzeln auf Umwelt-, Sozial- oder Governance-Aspekte fokussiert. Aus Sicht der Finanzperformance sind alle gleich relevant.

Die Ergebnisse belegen, dass sich nachhaltiges Investieren finanziell lohnt. Dieses Ergebnis widerlegt eine weitverbreitete Wahrnehmung unter Investoren. Das Vorurteil, Nachhaltigkeit und Finanzperformance stünden in keinem positiven Zusammenhang, resultiert vermutlich vor allem aus Portfolio-basierten Studien, die vermehrt zu neutralen Ergebnissen gekommen sind. Im Gegensatz zu Studien, die Unternehmenskennzahlen wie Umsatz- oder Eigenkapitalrentabilität als Mass für die Finanzperformance anschauen, fokussieren Portfolio-basierte Studien rein auf Marktentwicklungen an den Börsen. Diese Ergebnisse sollten daher nicht vorschnell als Gesamtzusammenhang verallgemeinert werden.

Zusammenfassend kann festgehalten werden: Der Nutzen von Nachhaltigkeit ist unbestritten. Nachhaltiges Investieren ist für alle Arten von Investoren relevant, um sie bei der Erfüllung ihrer treuhänderischen Pflichten zu unterstützen und gleichzeitig die Interessen von Investoren mit gesellschaftlichen Zielen im Einklang zu halten. Die Herausforderung liegt darin, Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien so in den Anlageprozess zu integrieren, dass einerseits das volle Potenzial von wertsteigernden ESG-Faktoren nutzbar gemacht wird und andererseits reale Impacts generiert werden.

  1. Vgl. hierzu und im Folgenden: SSF (2020). []
  2. Busch et al. (2021). []
  3. Friede, Busch, Bassen (2015). []

Literaturverzeichnis

  • Busch, T., Bruce-Clark, P., Derwall, J., Eccles, R., Hebb, T., Hoepner, A., Klein, C., Krueger, P., Paetzold, F., Scholtens, B. und Weber, O. (2021.) Impact Investments – a Call for (Re)orientation. SN Business and Economics 1 (2): 33.
  • Friede, G., Busch, T. und Bassen, A. (2015). ESG and Financial Performance: Aggregated Evidence from More Than 2,000 Empirical Studies. Journal of Sustainable Finance and Investment 5 (4), 210–233.
  • SSF (2020). Swiss Sustainable Investment Market Study 2020. Swiss Sustainable Finance, Zurich.

Bibliographie

  • Busch, T., Bruce-Clark, P., Derwall, J., Eccles, R., Hebb, T., Hoepner, A., Klein, C., Krueger, P., Paetzold, F., Scholtens, B. und Weber, O. (2021.) Impact Investments – a Call for (Re)orientation. SN Business and Economics 1 (2): 33.
  • Friede, G., Busch, T. und Bassen, A. (2015). ESG and Financial Performance: Aggregated Evidence from More Than 2,000 Empirical Studies. Journal of Sustainable Finance and Investment 5 (4), 210–233.
  • SSF (2020). Swiss Sustainable Investment Market Study 2020. Swiss Sustainable Finance, Zurich.

Zitiervorschlag: Busch, Timo (2021). Sustainable Finance: Die zwei grossen Fragen. Die Volkswirtschaft, 30. April.