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«Konfliktmineralien»: Was macht die Schweiz?

Unternehmen, die «Konfliktmineralien» wie Gold und Zinn aus Hochrisikogebieten in die Schweiz importieren, müssen sich bald einer Sorgfaltsprüfung unterziehen. Der Bundesrat arbeitet derzeit an der Umsetzung des indirekten Gegenvorschlags zur Konzernverantwortungsinitiative.
Bei Gold aus Konfliktgebieten ist erhöhte Vorsicht geboten. Goldgräber in der Demokratischen Republik Kongo. (Bild: Keystone)

Natürliche Bodenschätze können wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes beitragen. Deren Abbau ist eine wichtige Beschäftigungs- und Einkommensquelle für die lokale Bevölkerung. Dennoch gelingt es vielen rohstoffreichen Entwicklungsländern insbesondere aufgrund politischer Instabilität und Korruption nicht, ihren Reichtum für einen wirtschaftlichen Aufschwung zu nutzen. Man bezeichnet dieses Phänomen auch als «Rohstofffluch».

Schlimmstenfalls können der Abbau und der Handel mit Rohstoffen zur Finanzierung gewaltsamer Konflikte, zu Korruption und Menschenrechtsverletzungen wie Zwangs- und Kinderarbeit beitragen. Man denke zum Beispiel an die bewaffneten Milizen, die sich Waffen mit dem aus dem Abbau von Rohstoffen erzielten Einkommen gekauft haben und die lokale Bevölkerung in der Demokratischen Republik Kongo terrorisieren. Oder an die sogenannten Blutdiamanten, die in den Neunzigerjahren gewaltsame Konflikte in Liberia und Sierra Leone schürten.

Diese sogenannten Konflikt- und Hochrisikogebiete sind oft von der gewaltsamen Unterdrückung der Bevölkerung, schwachen Institutionen, mangelnder Sicherheit und dem Zusammenbruch der zivilen Infrastruktur geprägt.

Teufelskreis durchbrechen


Für den Frieden und die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes ist es entscheidend, die Verknüpfung zwischen dem Rohstoffabbau und der Finanzierung von Konflikten zu durchbrechen. Zu diesem Zweck hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Jahr 2011 einen Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten für Minerale aus Konflikt- und Hochrisikogebieten veröffentlicht. Die Schweiz war an der Erarbeitung dieses Dokuments massgeblich beteiligt. Mitgewirkt haben unter anderem auch betroffene afrikanische Länder, Branchenverbände und lokale und internationale Nichtregierungsorganisationen.

Der Leitfaden enthält Empfehlungen für eine Sorgfaltsprüfung durch Unternehmen, die Mineralien und ihre veredelten Metallderivate aus Konflikt- oder Hochrisikogebieten importieren oder bearbeiten. Die Sorgfaltsprüfung, die auch die Geschäftspartner in der Lieferkette umfasst, besteht aus fünf Verfahrensschritten (siehe Abbildung): Zunächst erlässt das Unternehmen eine Strategie für eine verantwortungsvolle Handhabung seiner Lieferkette und gestaltet das Managementsystem so aus, dass die Sorgfaltsprüfung umgesetzt werden kann. Dann identifiziert es allfällige Risiken und verhindert oder verringert diese gestützt auf einen Risikomanagementplan. Mit Audits durch unabhängige Dritte wird anschliessend geprüft, ob die Massnahmen zur Erfüllung der Sorgfaltsprüfung eingehalten werden. Schliesslich berichtet das Unternehmen öffentlich über seine Politik und seine Praktiken betreffend die Sorgfaltsprüfung in der Lieferkette.

Schritte der Sorgfaltsprüfung




Ursprünglich beschränkte sich der OECD-Leitfaden auf Zinn, Tantal, Wolfram und Gold, da diese Rohstoffe in Konflikt- oder Hochrisikogebieten besonders häufig vorkommen – inzwischen wurde er aber auf alle Mineralien ausgeweitet. Der Leitfaden diente der Europäischen Union als Grundlage für eine Verordnung zu Konfliktmineralien: Seit Anfang 2021 müssen Importeure in der EU ihre Lieferketten einer Sorgfaltsprüfung unterziehen, um herauszufinden, ob Zinn, Tantal, Wolfram und Gold allenfalls aus Konflikt- und Hochrisikogebieten stammen. Falls dies zutrifft, müssen sie geeignete Massnahmen ergreifen und die Ergebnisse jährlich veröffentlichen.

Schweiz führt neue Regeln ein


In der Schweiz wurde am 29. November 2020 die Konzernverantwortungsinitiative an der Urne abgelehnt. Damit gelangt der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments zur Anwendung, der eine Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie zur Sorgfaltsprüfung und zur Transparenz betreffend Kinderarbeit und Konfliktmineralien vorsieht. Die Bestimmungen zu den Konfliktmineralien orientieren sich an der EU-Verordnung und am OECD-Leitfaden. Damit strebt die Schweiz ein international koordiniertes Vorgehen an.

Die neuen Gesetzesbestimmungen bezüglich Konfliktmineralien betreffen Unternehmen, die Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten in die Schweiz importieren oder hier bearbeiten. Bei diesen Firmen muss eine externe Fachperson prüfen, ob sie die Sorgfaltspflicht eingehalten haben. Eine Verletzung der Berichterstattungspflicht wird mit einer Busse von maximal 100’000 Franken bestraft.

Bundesrat am Zug


Die detaillierte Umsetzung legt der Bundesrat nun in einer Verordnung fest. So muss er beispielsweise definieren, bis zu welcher jährlichen Einfuhrmenge der erwähnten Mineralien und Metalle ein Unternehmen von der Pflicht zur Sorgfaltsprüfung und Berichterstattung befreit ist. Weiter gilt es zu klären, unter welchen Voraussetzungen andere Regelwerke anerkannt werden: Soll etwa ein Unternehmen, das sich beispielsweise bereits an den OECD-Leitfaden oder die EU-Verordnung hält, von der Pflicht zur Sorgfaltsprüfung und Berichterstattung gemäss Schweizer Verordnung befreit werden?

Schliesslich muss der Bundesrat in der Verordnung die genauen Anforderungen festhalten, die in Bezug auf die Sorgfaltspflicht gelten. Dabei geht es vor allem um die Ausgestaltung eines Managementsystems, das eine Lieferkettenpolitik und ein System zur Rückverfolgbarkeit der Mineralien enthalten soll. Zudem ist zu präzisieren, wie die Risiken ermittelt und welche Massnahmen allenfalls ergriffen werden.

Aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Bedeutung dieser Gesetzgebung findet derzeit eine öffentliche Vernehmlassung zum Verordnungsentwurf statt. Demnach sollen die Bestimmungen Anfang 2022 in Kraft treten. Für die betroffenen Unternehmen würde dies bedeuten, dass sie nach der im Obligationenrecht festgelegten Übergangszeit von einem Jahr erstmals über das Geschäftsjahr 2023 berichten müssten.

Zitiervorschlag: Olivier Bovet, Nadja Meier, (2021). «Konfliktmineralien»: Was macht die Schweiz. Die Volkswirtschaft, 31. Mai.