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Genf verfügt über ein für den Rohstoffhandel bedeutendes Ökosystem. Eine Schlüsselrolle darin spielen die Banken.
Edouard Cuendet, Direktor, Fondation Genève Place Financière, Genf

Standpunkt

Seit Jahrzehnten ist Genf eine wichtige Adresse im globalen Rohstoffhandel. In der Rhonestadt befinden sich Akteure wie Händler, Reedereien, Überwachungsgesellschaften, Rechtsanwälte und Treuhandfirmen. Eine Schlüsselrolle spielen die Banken mit ihrem Know-how in der Handelsfinanzierung.

Die gehandelten Waren dienen den Banken als Sicherheiten für die von ihnen vergebenen Kredite. Sie müssen daher den Warentransport vom Produzenten – über die Lagerhäuser, die Häfen und den Seeweg – bis hin zum Endkunden überwachen: Zu diesem Zweck lassen sich für jede Etappe Angaben zu Menge und Qualität der Ware, Schiffverlad sowie Ankunft der Fracht am Bestimmungsort bestätigen.

Für die Finanzierungsabwicklung verfügen die Banken unter anderem über Spezialisten in den Bereichen Energie (Erdgas, Erdöl, Strom), Getreide (Weizen, Soja), Kaffee, Kakao, Baumwolle oder Metalle. Da rund die Hälfte des weltweiten Kaffee- und Zuckerhandels und ein Drittel des Erdöl- und Kakaohandels über die Schweiz – und namentlich über die Genferseeregion – laufen, sind Banken insbesondere auf Energie- oder Agraringenieure angewiesen: Im Auftrag der Banken reisen diese Fachkräfte um die ganze Welt. Sie treffen Produzenten und inspizieren Häfen sowie Zwischenlager. So kennen die Finanzierungsbanken die gesamte Wertschöpfungskette. Das ist das Markenzeichen der Genfer Banken.

Nachhaltigkeit als Grundvoraussetzung

Hinzu kommt das grosse Spezialwissen der Transaktionsmanager. Um mögliche Betrugsversuche aufzudecken, prüfen sie zum Beispiel «Akkreditive», «Seekonnossements», Mengen- und Qualitätsbescheinigungen. Das Risikomanagement und die Konformitätskontrolle sind besonders wichtig in der Handelsfinanzierung, denn es gilt weltweit Länder- und Währungsrisiken sowie Risiken in Bezug auf die Kreditnehmer richtig einzuschätzen.

Immer wichtiger wird die Nachhaltigkeit: Alle Banken verfügen inzwischen über detaillierte Verfahren, um die Einhaltung bestimmter Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) zu beurteilen. Im Zentrum stehen etwa Firmenvergangenheit, Rohstoffgewinnung, Arbeitsbedingungen und Menschenrechte. Wer diese Kriterien nicht erfüllt, erhält keinen Kredit.

All dies zeigt: Die Genfer Banken verfügen über langjährige Kompetenzen in der Handelsfinanzierung. Sie ruhen sich aber keineswegs auf ihren Lorbeeren aus, sondern setzen bei ihrer Arbeit strenge Nachhaltigkeits­standards um. Und das ist auch notwendig, damit sie in einer sich stetig ändernden Welt langfristig bestehen können.

Zitiervorschlag: Edouard Cuendet (2021). Standpunkt: Viel Rohstoffexpertise in Genf. Die Volkswirtschaft, 31. Mai.