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Administrative Entlastung – ein Dauerthema beim Bund

Seit den Neunzigerjahren kämpft der Bundesrat gegen zu viel Bürokratie für Unternehmen. Davon zeugen zahlreiche Massnahmenpakete. Viele parlamentarische Vorstösse halten die Verwaltung aber weiterhin auf Trab.
Das Seco lanciert im November 2017 die Plattform Easygov, um Unternehmen die Wege zur Verwaltung zu vereinfachen. Damals: Bundesrat Johann Schneider-Ammann (2. v. l.) sowie rechts von ihm Jean-Francois Rime, Präsident Schweizerischer Gewerbeverband, und Pierre Maudet, Staatsrat Kanton Genf. (Bild: Keystone)

Seit der wirtschaftlichen Stagnationsphase Mitte der Neunzigerjahre beklagen bürgerliche Parteien und Wirtschaftsverbände regelmässig eine zu hohe und stetig wachsende Zahl an Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen, welche die Tätigkeit von Unternehmen einschränken und sogenannte Regulierungskosten verursachen.[1] Als Reaktion auf den politischen Druck haben die zuständigen Bundesbehörden in den vergangenen 25 Jahren das Ziel der administrativen Entlastung kontinuierlich verfolgt.

Im Jahr 1997 legte der Bundesrat einen ersten Zwischenbericht zur administrativen Entlastung vor. Parallel dazu lancierte das damalige Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit Forschungsprojekte zum Schwerpunkt «Regulierungsdichte und KMU» und vereinfachte in zahlreichen Bereichen bestehende Regulierungen und Verfahren. Ein Jahr später schuf der Bundesrat mit der Regulierungsfolgenabschätzung (RFA), dem KMU-Verträglichkeitstest und dem KMU-Forum Instrumente, um auch neu zu schaffende Rechtserlasse auf ihre Auswirkungen auf Unternehmen zu prüfen.

Wachstum durch Entlastung


Seit 2006 ist die Entlastung von Unternehmen ein ständiges Element der Wachstumspolitik des Bundes. In diesem Jahr lancierte der Bundesrat das Aktionsprogramm «Vereinfachung des unternehmerischen Alltags». Dieses umfasste die Einführung von vertieften Regulierungsfolgenabschätzungen, den Ausbau des elektronischen Datenverkehrs zwischen Unternehmen und Verwaltung und den Abbau von bundesrechtlichen Bewilligungsverfahren. Zudem setzte der Bundesrat ein internes Organ zur Koordination der Politik des Bundes zugunsten von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ein.

Bisher hat der Bundesrat sieben Berichte zur administrativen Entlastung von Unternehmen erstellt. Nach anfänglichen punktuellen Verfahrensanpassungen legte er zwischen 2006 und 2019 vier Pakete vor, die insgesamt 217 Massnahmen umfassen.

Neben diesen Massnahmen zur administrativen Entlastung von Unternehmen hob der Bundesrat 2007 in einem Deregulierungspaket zahlreiche überflüssige oder veraltete Vorschriften in Einzelbestimmungen und ganze Erlasse auf. Dies blieb die einzige umfassende «Entrümpelungsaktion» des Bundesrechts.

Kosten vor Augen


In den vergangenen 15 Jahren hat sich die Verwaltung wiederholt mit den Regulierungskosten beschäftigt. Eine departementsübergreifende Arbeitsgruppe entwickelte mit dem «Regulierungs-Check-up» eine Methode zur Schätzung der Kosten von Regulierungen sowie zur Identifizierung von Potenzialen zur Kostenreduktion. Zwei bundesrätliche Berichte (2013 und 2016) enthalten mehrere Massnahmenvorschläge, welche teilweise schon umgesetzt sind. Dabei ging es darum, Steuerregimes und verschiedene Verfahren im Verkehr zwischen Unternehmen und staatlichen Behörden zu vereinfachen und gewisse Vorschriften zu verschlanken.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) führte in dieser Zeit auch drei Unternehmensbefragungen («Bürokratiemonitor») durch. Diese zeigen, dass die subjektive Wahrnehmung der administrativen Belastung der Unternehmen über die Jahre nicht abgenommen hat. Zur Höhe und Entwicklung der effektiven Kostenbelastung von Unternehmen liegen jedoch keine objektiven Daten vor.

Das Seco erstellte ausserdem einen Leitfaden zur Schätzung von Regulierungskosten im Rahmen der Regulierungsfolgenabschätzung.[2] Des Weiteren ist ein Monitoring geplant: Der Bundesrat soll die Entwicklung der Regulierungsbelastung für Unternehmen verfolgen und so die wichtigsten Problembereiche identifizieren. Dieses Monitoring soll mit dem Unternehmensentlastungsgesetz umgesetzt werden, das sich derzeit in der Vernehmlassung befindet.[3]

Institutionelle Ansätze


In jüngerer Zeit haben sich die Bundesbehörden auch mit institutionellen Ansätzen befasst, welche die Regulierungstätigkeit bremsen sollen. Verschiedene Verbände und parlamentarische Vorstösse schlugen zum Beispiel im Jahr 2015 vor, eine unabhängige Regulierungsprüfstelle zu schaffen oder verschiedene Formen von Regulierungsbremsen in den Gesetzgebungsprozess zu integrieren.[4] Die Schaffung einer Prüfstelle lehnte der Bundesrat 2018 aus Effizienzüberlegungen ab, zur Regulierungsbremse lancierte er im April 2021 eine Vernehmlassung.[5]

Diese institutionellen Vorschläge stellen ein Novum dar. Der Bund kennt bisher praktisch keine gesetzlichen Bestimmungen, die den Ablauf der vorparlamentarischen Phase des Gesetzgebungsprozesses regeln.[6] Es besteht auch keine zentrale, von der Regierung koordinierte «Gesetzgebungspolitik». Aufgrund des Departementalprinzips und der hochdifferenzierten Aufgabenteilung der Bundesverwaltung verfügen die einzelnen Ämter über eine ausgeprägte Autonomie. Institutionelle Ansätze zur Einschränkung der Regulierungstätigkeit der Verwaltung sind deshalb nur begrenzt umsetzbar.

Regulierung als Balanceakt


Der kurze historische Überblick zeigt, dass der Bundesrat seit Ende der Neunzigerjahre die Regulierungsfolgenabschätzung als Kernelement seiner Politik zugunsten einer effizienten Regulierung sieht und weiter stärken will. Er erliess zuletzt 2020 neue Richtlinien zu diesem Instrument und baute es mit neuen Elementen aus: Neu sollen die für Rechtsetzungsvorhaben zuständigen Ämter möglichst früh im Prozess einen sogenannten Quick Check erstellen. Darin gilt es, den Handlungsbedarf, mögliche Alternativen und die erwarteten Auswirkungen einer Vorlage darzulegen. Es sollen mehr vertiefte Regulierungsfolgenabschätzungen erfolgen als bisher, und es sind künftig die Regulierungskosten neuer Vorhaben zu schätzen und auszuweisen.

Der Bundesrat erachtet es somit als Querschnitts- und Daueraufgabe der Verwaltung, bei ihrer Regulierungstätigkeit stets die potenziellen Auswirkungen auf Unternehmen zu berücksichtigen. «Beschränkung auf das Notwendige» und «Kostengünstigkeit und KMU-Verträglichkeit» sind denn auch Kriterien für qualitativ gute Rechtsetzung.[7] Bei der Regulierungstätigkeit sind sie jedoch mit weiteren gesetzgebungstechnischen Qualitätskriterien und öffentlichen Interessen in Einklang zu bringen. Der Bundesrat strebt deshalb nicht per se wenig Regulierung oder tiefe Regulierungskosten an, sondern ein optimales Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen von Regulierungen.[8]

Haben die skizzierten Massnahmen ihre Ziele erreicht? Seit 2005 haben sich verschiedene Evaluationen mit der Anwendung der Regulierungsfolgenabschätzung und des KMU-Tests befasst[9], und der Bundesrat hat 2019 eine Bilanz zur Umsetzung der Massnahmenpakete zur administrativen Entlastung der Unternehmen gezogen. Eine empirisch fundierte Analyse der Wirksamkeit der verschiedenen Massnahmen steht allerdings bisher noch aus.

Die politische Diskussion zeigt, dass Regulierung weiterhin als Belastung wahrgenommen wird. Zugleich fordert aber das Parlament in immer mehr Vorstössen zusätzliche Regulierungen und gesetzliche Massnahmen. Die Bundesbehörden werden deshalb auch künftig gefordert sein, die Balance in diesem Spannungsfeld zu finden.

  1. Rüefli (2017a), Rossat-Favre (2017). []
  2. Siehe Beitrag von Philipp Imhof in dieser Ausgabe. []
  3. Siehe Beitrag von Nicolas Wallart und Roger Küttel in dieser Ausgabe. []
  4. Rüefli (2017a); Bundesrat (2021). []
  5. Siehe Beitrag Wallart/Küttel. []
  6. Ausnahmen bilden das Vernehmlassungsgesetz (VIG) und Art. 141 des Parlamentsgesetzes (ParlG), siehe Rüefli (2017b). []
  7. Bundesrat (2010). []
  8. Bundesrat (2021). []
  9. Siehe auch EFK (2017). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Christian Rüefli (2021). Administrative Entlastung – ein Dauerthema beim Bund. Die Volkswirtschaft, 02. Juli.