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Wie viel Material verbraucht die Schweiz?

In der Schweiz verbraucht jede Person jährlich 10 Tonnen Material. Während fast der gesamte Stahl rezykliert wird, liegt die Quote beim Kunststoff unter 10 Prozent. Was kann jeder Einzelne tun, um den Verbrauch zu reduzieren?
Fast die Hälfte des Materialverbrauchs in der Schweiz geht auf Beton zurück. Staumauerbau beim Grimselpass. (Bild: Keystone)

Bauwerke, Strassen, Brenn- und Treibstoffe: Das Industrieland Schweiz verbraucht Unmengen an Material. Jährlich sind es rund 10 Tonnen pro Einwohner, wie wir im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (Bafu) geschätzt haben.[1] Insgesamt sind es 87 Millionen Tonnen[2] – das entspricht 8700 Eiffeltürmen. Pro Jahr werden 48 Millionen Tonnen importiert, und 56 Millionen Tonnen werden im Inland gewonnen. 15 Millionen Tonnen kommen aus dem Recycling dazu. Unter dem Strich resultiert ein Materialzufluss von 119 Millionen Tonnen pro Jahr. Davon verbleiben 52 Millionen Tonnen in der Schweiz in Form von Infrastruktur und Gütern (sogenanntes Materiallager).

Den Löwenanteil des jährlichen Materialverbrauchs bildet der Beton: Mit rund 40 Millionen Tonnen macht er knapp die Hälfte des jährlichen Materialverbrauchs der Schweiz aus (siehe Abbildung 1). Danach folgen mit insgesamt 17 Prozent die Energieträger in Form von Treib- und Brennstoffen sowie Elektrizität (umgerechnet in Erdöläquivalente). Auf dem dritten Platz findet sich Nahrung für Menschen mit 10 Prozent.[3] Der hohe Materialverbrauch der Nahrungsmittel mag auf den ersten Blick erstaunen, zeigt aber auf eindrückliche Weise, was die Bewohner der Schweiz jährlich «verstoffwechseln». Ebenfalls einen grossen Anteil am Materialverbrauch haben Kies und Sand mit insgesamt 8 Prozent.

Abb. 1: Jährlicher Materialverbrauch in der Schweiz (2018)




Anmerkung: Total wurden 86,9 Millionen Tonnen an Material verbraucht.

Quelle: Matasci et al. (2019) / Die Volkswirtschaft

Bei den 15 Millionen Tonnen, die jährlich dank Recycling in die Volkswirtschaft zurückgeführt werden können, handelt es sich hauptsächlich um Beton, Asphalt, Sand, Kies und Stahl. Beim Stahl beträgt die Rückführungsquote 96 Prozent, beim Beton sind es 85 Prozent. Demgegenüber beträgt die Rückführungsquote bei Holz und Papier nur 40 Prozent, und bei Kunststoffen liegt sie unter 10 Prozent.

Die Kreislaufwirtschaft folgt ökonomischen Prinzipien. Das Recycling harzt deshalb vor allem dort, wo Treiber fehlen und wo staatliches oder wirtschaftliches Handeln diese Lücke nicht füllen. So gehen etwa seltene technische Metalle wie zum Beispiel Indium, Neodym oder Tantal, bei welchen sich Recycling finanziell nicht lohnt, heute weitgehend verloren. Hingegen funktioniert das Recycling bei PET-Kunststoffen, Batterien oder Leuchtmitteln – wo es staatliche Vorschriften gibt – relativ gut.

Benzin und Heizöl


Stellt man den Materialflüssen ihre Umweltbelastungen gegenüber, verschiebt sich das Bild teilweise deutlich. Nimmt man als Messgrösse die CO2-Emissionen, werden die Treib- und Brennstoffe zum Spitzenreiter: Sie machen rund die Hälfte des CO2-Ausstosses der Schweiz aus. Danach folgt bereits die Nahrung für den Menschen mit einem Anteil 18 Prozent. Hingegen fällt Beton deutlich zurück mit noch bescheidenen 3 Prozent. Höher ist der Anteil von Stahl mit 5 Prozent.

Ebenfalls relativ grosse Anteile an den CO2-Emissionen haben Textilien (4,5%), chemische Grundstoffe (4,5%) sowie Elektronik und Batterien (3,3%). Betrachtet man den gesamten nicht erneuerbaren Energiebedarf, sind die Energieträger Elektrizität, Brenn- und Treibstoffe für knapp zwei Drittel aller Emissionen zuständig. Kunststoffe, chemische Grundstoffe und die Nahrung für den Menschen tragen zwischen 5 und 7 Prozent bei.

Noch deutlicher tritt der Beitrag der Nahrung hervor, wenn man als Basis die gesamte Umweltbelastung nimmt: Nun liegt der Anteil der Nahrung mit 29 Prozent praktisch gleichauf mit Treibstoffen, Brennstoffen und Elektrizität mit zusammen 31 Prozent. Metalle, Elektronik und chemische Grundstoffe folgen deutlich abgeschlagen.

Interessant ist der Vergleich der direkten CO2-Emissionen mit den in den Materialien vorhandenen grauen Emissionen. Während die direkten Emissionen aus dem Energieverbrauch stammen, bezeichnen die grauen Emissionen diejenigen Emissionen, die durch die Produktion von Gütern entstehen und quasi in diesen «eingebettet» sind. Dabei zeigt sich: Die Produktion von Gütern, welche in der Schweiz verbraucht werden, verursacht gleich hohe Triebhausgasemissionen wie unser Energiekonsum.

Wenn man die direkten und grauen Emissionen einzelner Konsumbereiche gesamthaft darstellt, zeigt sich, dass die Ernährung mit 18,6 Millionen Tonnen CO2-Aquivalenten den grössten CO2-Ausstoss zur Folge hat, gefolgt vom Personenwagenverkehr mit 15,6 Millionen Tonnen und der Industrie mit 13,4 Millionen Tonnen CO2-Aquivalenten (siehe Abbildung 2).

Abb. 2: Direkte und indirekte (graue) Emissionen in einzelnen Konsumbereichen (2018)




Anmerkung: Total wurden 98,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausgestossen.


Quelle: Matasci et al. (2019) / Die Volkswirtschaft

Was kann ich tun?


Als Konsumenten können wir den Materialverbrauch zu einem gewissen Grad mitbestimmen: Jede Person hat die Möglichkeit, den Konsum bewusster zu gestalten und den Materialverbrauch zu reduzieren. Trotzdem gibt es klare Grenzen: Während der Einzelne sein Konsumverhalten in der Mobilität oder in den Bereichen Wohnen, Ernährung, Bekleidung weitgehend selbst bestimmen kann, ist der Gestaltungsraum bei staatlichen oder privatwirtschaftlichen Vorhaben deutlich kleiner. So haben wir nur beschränkten Einfluss auf Investitionen der öffentlichen Hand in den Strassenbau, den Gesundheitssektor oder die Energieversorgung. Auch in der Privatwirtschaft können wir kaum über die Herstellungsart und die Menge der produzierten Güter entscheiden.

Als Folge davon kann selbst eine sehr umweltbewusste Lebensweise die CO2-Emissionen niemals auf null reduzieren, weil alle Einwohner auf gemeinsam genutzte Infrastrukturen wie Strassen, Schulen und Spitäler angewiesen sind. Wo liegen also die Einflussgrenzen eines einzelnen Einwohners?

Um Antworten auf diese Frage zu finden, wurden in unserer Studie fünf Gruppen von Konsumententypen unterschieden. Diese reichen vom sehr umweltbewussten Einwohner bis zum Einwohner, der kein umweltbewusstes Verhalten kennt. Für jeden Konsumbereich wurde festgelegt, wie gross der Anteil des direkten und des indirekten Einflusses auf den Materialkonsum ist. Direkt ist der Einfluss, wenn der Einwohner persönlich entscheiden kann, was er konsumiert. Indirekt ist der Einfluss, wenn er beispielsweise nur über sein Verhalten bei politischen Entscheidungsprozessen Einfluss nehmen kann.

Dabei zeigt sich: Selbst wenn alle Einwohner der Schweiz sich wie die umweltbewussteste Konsumentengruppe verhalten würden, könnten die gesamten CO2-Emissionen lediglich um 16 Prozent reduziert werden. Umgekehrt steigen die Emissionen um 17 Prozent, wenn sich alle wie die am wenigsten umweltbewusste Gruppe verhalten.

Das Fazit der Studie lautet somit: Ohne Steuerungen durch eine aktive Umweltpolitik können die CO2-Emissionen der Schweiz nicht in dem Masse reduziert werden, dass die Einhaltung der internationalen Verpflichtungen gewährleistet ist und die Klimakrise abgewendet werden kann. Die Politik ist insbesondere gefordert, die Anstrengungen Richtung Kreislaufwirtschaft zu verstärken.

  1. Matasci et al. (2019). []
  2. Diese Zahl bezieht sich auf den inländischen Materialkonsum (DMC). Der DMC ist international definiert, berücksichtigt aber den Rückfluss von Sekundärmaterialien (ca. 15 Mio. Tonnen pro Jahr) nicht. Die Pro-Kopf-Zahlen basieren ebenfalls auf dem DMC. []
  3. Vgl. Beitrag von Saskia Sanders und Laura Tschümperlin (Bafu) zu Food-Waste in diesem Schwerpunkt. []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Heinz Böni, Marcel Gauch, Cecilia Matasci, (2021). Wie viel Material verbraucht die Schweiz. Die Volkswirtschaft, 01. November.