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Big Tech drängt mit seinen Plattformen ins Bankengeschäft. Dies schafft Risiken, bei denen die derzeitige Regulierung nicht greift.
Martin Hess, Dr. rer. pol., Leiter Wirtschaftspolitik, Schweizerische Bankiervereinigung, Basel

Standpunkt

Die Digitalisierung verändert das Bankgeschäft dramatisch: Der Einsatz neuer Technologien wie Blockchain bringt die traditionellen Geschäftsmodelle, Rollen und Funktionen ins Wanken. Dabei führen die «Plattformisierung» und der Markteintritt von globalen Technologiefirmen wie Google, Apple oder Amazon («Big Tech») potenziell zu Disruption, aber vor allem auch zu zusätzlichen Risiken. Benötigt die Regulierung deshalb einen Reset?

Sicher keinen Reset braucht es bei «traditionellen» Regulierungszielen wie Anlegerschutz oder Marktintegrität. Hier haben die Banken ihre Hausaufgaben nach der Finanzkrise gemacht. Der Eintritt von Big Tech ins Bankengeschäft darf jedoch die erzielten Fortschritte nicht rückgängig machen. Diese neue Situation bedarf deshalb einer regulatorischen Neubeurteilung nach klaren Grundsätzen.

In ihrem Konzept für eine gute Regulierungspolitik hat die Bankiervereinigung bereits 2016 festgehalten, dass Regulierung erstens in der beabsichtigten Weise wirksam, zweitens in ihrer konkreten Ausgestaltung verhältnismässig und drittens kostengünstig sein muss. Zudem soll der faire Wettbewerb über wirtschaftlichen Erfolg entscheiden – und nicht die Regulierung.

Gleich lange Spiesse

Es gibt keinen Königspfad zu einer guten Regulierung. Entscheidend ist die Frage, ob neue Player neuartige Risiken mit sich bringen oder sich einfach als Mitbewerber in einem existierenden Markt positionieren. Letzteres muss mit gleich langen Spiessen geschehen. Institutsbezogene Vorschriften führen in dieser Situation für Banken zu Wettbewerbsnachteilen und fördern regulatorische Arbitrage. Hier muss deshalb die aktivitätsbezogene Regulierung nach dem Prinzip «Same risk, same rules» angewendet werden.

Treten jedoch Technologiefirmen in den Markt ein, dürfte dies aus zwei Gründen zu kurz greifen und einen Reset im Sinne einer Neubetrachtung erfordern. Erstens: Die Technologiefirmen können ihre weltweiten E-Commerce- oder Social-Media-Plattformen mit Finanzprodukten skalieren und so im Prinzip rasch Marktmacht und systemische Bedeutung erlangen. Die heutige Regulierung greift hier nicht. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) fordert deshalb Regulatoren zu Recht auf, solchen Konzentrationstendenzen entgegenzuwirken.

Zweitens: Die Behörden sind gut beraten, die Veränderung von Rollen und Funktionen von Anbietern zu analysieren, um rechtzeitig neuartige Risiken zu erkennen, die eine konzeptionell unterschiedliche Regulierung erfordern.

Bei den Behörden stehen diese Fragen richtigerweise weit oben auf der Agenda, denn Stabilität und Marktintegrität sind für den Finanzplatz Schweiz zentral. Die Banken bringen sich hier aktiv in den Diskurs ein. Es darf nicht sein, dass sie allein die Last der Regulierung spüren. Eine unvoreingenommene Herangehensweise zur Regulierung der Zukunft ist nötig, um Wettbewerbsverzerrungen und verfehlte Regulierungsziele im Markt für Bankdienstleistungen zu vermeiden.

Zitiervorschlag: Martin Hess (2021). Standpunkt: Bankenregulierung: Zeit für einen Reset. Die Volkswirtschaft, 23. Dezember.