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Vorsorge-Guide für die Generation Z

Wie soll die Generation Z vorsorgen? Die kurze Antwort: am besten schon heute beginnen.

Vorsorge-Guide für die Generation Z

Bei der Vorsorge fehlt vielen Jugendlichen die Übersicht. (Bild: Alamy)

Wie sehen die Zukunftsaussichten der jungen Menschen, die zwischen 1997 und 2012 geboren wurden – der sogenannten Generation Z –, aus? Diese sind zwar von Beginn weg mit den Vorzügen des Internets und des Smartphones vertraut – gleichzeitig sind sie aber einer fast unbegrenzten Vielfalt von Optionen wie Konsumangeboten, Informationsmöglichkeiten, Lebensentwürfen und Berufsperspektiven ausgesetzt. Da fällt Orientierung zuweilen schwer.

In Bezug auf die Altersvorsorge ist die Generation Z gegenüber anderen Generationen benachteiligt: Sie muss länger arbeiten und mehr einzahlen, bekommt aber weniger Rente. Sie trägt die grösste Last der Umverteilung der Pensionskassen und erlebt die 4-Generationen-Familie als Normalfall. Und sie darf mit einer eigenen Lebenserwartung von an die 100 Jahren rechnen.

Vorsorgen scheint da keinen Spass zu machen, sondern eher Sorgen zu verursachen. Guter Rat scheint teuer.

Die Qual der Wahl

Warum fällt uns Vorsorgen so schwer? Viele Menschen nehmen sich vor, eine Diät zu machen oder regelmässig zu sparen – allzu oft scheitern wir dabei. Die Strasse der gebrochenen Vorsätze ist lang.

Die Finanzpsychologie sagt, dass uns zu viele Wahlmöglichkeiten vom Ziel ablenken. Eine Verhaltensänderung müsse erst zur Gewohnheit werden, bis sie verinnerlicht sei. Zeit also, die positiven Aspekte herauszustreichen – denn diese gibt es durchaus: Die Generation Z hat den längsten Anlagehorizont, profitiert von Transparenz, tiefen Kosten und einfachen Lösungen.

Es geht also um den «Missing Link» zwischen neuen Erkenntnissen und nachhaltiger Umsetzung. Starten wir bei der wertvollsten Ressource: unserer Lebenszeit. Gerade junge Menschen verschleudern sie oder lassen sie sich stehlen (Social Media, Netflix) im Glauben, unbeschränkt viel davon zu besitzen. Wird man älter, kommt man zur Erkenntnis, dass jeder Tag nicht einfach ein weiterer war, sondern ein Tag weniger im eigenen Leben. Wollen wir mit der eigenen Lebenszeit sinnvoll und nachhaltig umgehen?

Vorsorgen mit Youtube

Schon die Millennials der Jahrgänge 1981 bis 1996 schauen sich bei Fragen sogenannte Lifehacks auf Youtube an, zum Beispiel wie man Ordnung in den Kleiderschrank bringt. Wieso soll das für den Finanzhaushalt und die Vorsorge nicht auch auf unterhaltsame Weise funktionieren?

Gesundheit wird heute im Kontext von Konsum, Ernährung und Work-Life-Balance betrachtet: Die Gesundheitsvorsorge wird vermehrt eigenverantwortlich gehandhabt und entwickelt sich zunehmend zu einem Konsumgut. Wieso gibt es noch kein Bewusstsein für finanzielles «Wellbeing»?

Wir tracken heute unsere täglichen 10’000 Schritte, den Kalorienverbrauch und die Schlafstunden. Technisch wäre es genauso möglich, die finanzielle Gesundheit laufend zu überwachen und einen Statusbericht zu liefern. Bei der Wartung von Maschinen gibt es den Begriff der «vorausschauenden Instandhaltung» – diese technische Denkweise braucht es auch bei der Vorsorge.

Das «achte Weltwunder»

Finanzplanerinnen und Finanzplaner predigen noch heute das Mantra «Lebe unter deinen Möglichkeiten» und mahnen zu Konsumverzicht. Kein Wunder, gilt Sparen als uncool und einschränkend. Wie wäre es stattdessen mit dem Etikett «Achtsam die eigene Zukunft gestalten, Handlungsfreiheit erlangen und den eigenen Lebensentwurf realisieren»?

Vorsorgen ist nicht kompliziert. Es ist wie Velofahren – einmal gelernt, geht es von allein, und je früher man startet, desto leichter fällt es einem. Der grösste Hebel besteht im Zinseszinseffekt, weshalb Albert Einstein ihn «achtes Weltwunder» genannt hat: «Wer ihn versteht, verdient daran, alle anderen bezahlen ihn.» Das exponentielle Wachstum beim Zinseszins führt dazu, dass mit minimalem Aufwand ein maximaler Effekt erzielt werden kann – sofern der Start früh genug und mit dem richtigen Anlageinstrument erfolgt.

Dieser Zinseszins ist die grösste Chance für die Generation Z, deren Rente weniger als die Hälfte ihres bisherigen Einkommens ausmachen wird, wenn sie nichts tut. Der Generation Z fehlt in 50 Jahren – ohne eine nachhaltige Reform der 1. und der 2. Säule – locker eine halbe Million Franken in der Vorsorge.

Statt einer Vorsorgelücke klafft ein Vorsorgekrater. «Aufschieberitis» in der Vorsorge kann also fatale Folgen haben.

200 Franken pro Monat

Fahrlässig wäre es jedoch, das Vorsorgegeld auf ein Sparkonto zu platzieren: Konten sind zwar gut für die Liquiditätsplanung, aber ungeeignet für die langfristige Vorsorge. Stattdessen braucht es eine Anlagestrategie, die mehrheitlich auf Sachwerte wie Aktien und Immobilien setzt, am besten mittels kostengünstiger Indexfonds oder Exchange Traded Funds (ETF). Damit lässt sich eine Rendite von 5 Prozent pro Jahr erzielen.

Wer 50 Jahre monatlich 200 Franken investiert, erreicht mehr als eine halbe Million Franken – notabene mit einem investierten Kapital von lediglich 120’000 Franken. Wer damit noch zehn Jahre zuwartet, erreicht hingegen nicht mal 300’000 Franken. Höchste Zeit also, schon heute damit zu beginnen.

Ruhig Blut

Der US-Ökonom Benjamin Graham sagte einst: «Die Tatsache, dass die meisten Profis bei der Aktienauswahl ziemlich schlecht sind, bedeutet nicht zwangsläufig, dass Amateure es besser können.» Das gilt heute noch. Kundinnen und Kunden sollten nicht mit kurzfristigen Trades und spekulativen Prognosen den Trends nachjagen. Statt Casinomentalität ist eine nachhaltige Strategie gefragt.

Dazu muss man wissen: Über 90 Prozent der Anlagerendite sind der Vermögensstrukturierung und tiefen Kosten geschuldet. Auf die Generation Z bezogen, bedeutet dies, dass sie 10 bis 20 Prozent ihres Einkommens kostengünstig und breit diversifiziert investieren sollte. Dann die Füsse stillhalten und Baldrian trinken.

Leider benutzt die Finanzbranche oft noch eine selbstreferenzielle, verklausulierte Sprache, die die Menschen nicht erreicht. Heute sind fast alle Anlagen nachhaltig, aber viele Finanzprodukte beinhalten immer noch viel «dekorative Verpackung», also zu hohe Vertriebs- und Verwaltungsgebühren, spekulative Elemente oder unnötige Absicherungskosten. Die Nachhaltigkeit, die wir heute bei Anlagen einfordern, sollten wir auch bei der Finanzierung unserer Vorsorgesysteme anstreben – im Restaurant zahlt schliesslich auch jeder seine eigene Rechnung.

Der ultimative Booster

Was tun? Liquidität ist wie Atemluft – man merkt, wenn sie fehlt. Nichts entspannt so sehr wie ein volles Konto. Aber wenn am Ende des Geldes noch Leben übrig ist, ist nichts gewonnen. Wir müssen die Hürden niederreissen, damit das Vorsorgeinvestieren zur Gewohnheit wird.

Weil Verhaltensänderungen anstrengend sind, liegt die Lösung in Vereinfachung, Automatisierung und in Belohnungssystemen. Als Gedankenexperiment sei hier die Idee vom «ultimativen Vorsorgebooster» lanciert. Sprich: Vorsorgeüberweisung werden automatisch an unseren Social-Media- und Onlineshopping-Konsum gekoppelt. Eine «ungesunde Gewohnheit» führt zu automatischem Vermögensaufbau und allenfalls zur Selbstreflexion und zu positivem Feedback. So liesse sich mit minimalen Veränderungen maximale Wirkung erzielen.

Weil im Leben nur die stetigen Veränderungen konstant sind, muss eine gute Finanzplanung diesem Umstand Rechnung tragen: dynamisch, flexibel, in Szenarien, Varianten und Alternativen denkend, den langfristigen Wohlstandsaufbau anstrebend. Eine professionelle Beratung kann hier Orientierung bieten. Für die Generation Z bedeutet der frühzeitige Beginn der Vorsorge vor allem Freiheit und Unabhängigkeit. Mit Sicherheit.[1]

  1. Siehe auch: Bechtiger, Pascal und Spring, Reto (2022). Orientierung statt Moneypulierung. Finanzcoaching: holistisch – bedarfsorientiert – interdisziplinär. []

Zitiervorschlag: Reto Spring (2022). Vorsorge-Guide für die Generation Z. Die Volkswirtschaft, 28. März.