Um die Preise von Produkten in den Supermärkten zu erheben, greift das Bundesamt für Statistik auf Scannerdaten der Kassen zurück. (Bild: Keystone)
Der Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) des Bundesamts für Statistik (BFS) misst monatlich, wie sich die Preise von Waren und Dienstleistungen der privaten Haushalte entwickeln. Er ist damit ein wichtiger Konjunkturindikator.
Um das sich über die Zeit ändernde Konsumverhalten zu berücksichtigen, findet alle fünf Jahre eine Indexrevision statt. Eine Herausforderung ist es, jeden Monat die rund 100’000 Preise termingerecht und fehlerfrei zu erheben. Je nach Produkttyp sind unterschiedliche Erhebungsmethoden nötig. So lassen sich beispielsweise die Preise von Äpfeln, Medikamenten oder Mieten nicht auf vergleichbare Weise erheben.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben die Preiserhebungstechniken erhebliche Veränderungen erfahren. Im Jahr 2000 besuchten die Mitarbeitenden jeden Monat zahlreiche Verkaufsstellen in der ganzen Schweiz, suchten die Produkte im Sortiment und notierten allfällige Preisänderungen auf einer Papierliste. Rund 80 Prozent der LIK-Preise wurden auf diesem Weg erhoben. Die verbleibenden 20 Prozent– darunter insbesondere Mietpreise – erhob das BFS per Post mithilfe von Fragebögen.
Tablets statt Papier
Heute erfolgt weniger als die Hälfte der Preiserhebungen vor Ort (siehe Abbildung). Diese Ladenbesuche sind weiterhin nötig, um regionale Preisunterschiede zwischen den elf Erhebungsregionen ausfindig zu machen.
Seit zehn Jahren setzen die LIK-Mitarbeitenden bei ihren Ausseneinsätzen Tablets ein. Dies hat den grossen Vorteil, dass die erfassten Daten in Echtzeit vor dem Verkaufsregal validiert werden können. Insgesamt haben die Tablets die Erhebungen vor Ort qualitativ verbessert und sind heute ein unverzichtbares Werkzeug für das Erhebungspersonal.
Für den LIK erhobene Einzelpreise (2000 und 2021)
Quelle: BFS / Die Volkswirtschaft
Scanner im Supermarkt
Seit der Jahrtausendwende lösen neue Erhebungsmethoden die traditionelle Preiserhebung vor Ort zusehends ab. Ein Meilenstein war der erstmalige Rückgriff auf Scannerdaten von Verkaufskassen eines Grossverteilers im Jahr 2008. Bei dieser Methode werden die Kassendaten zentral auf Konzernebene aufbereitet und dem BFS übermittelt.
Im Vergleich zur Erhebung im Ladengeschäft hat diese Erhebungsmethode den entscheidenden Vorteil, dass von allen Produkten nicht nur die Preise auf Artikelebene bekannt sind, sondern auch die damit erzielten Umsätze. Dadurch wird für das BFS erkennbar, ob es sich bei einem Produkt um einen Verkaufsschlager oder einen Ladenhüter handelt. Im letzteren Fall ist das Produkt weniger für den LIK geeignet und sollte ersetzt werden.
Inzwischen erhebt das BFS rund ein Fünftel der Preise anhand von Scannerdaten von mehreren Grossverteilern. Beschränkte sich die Auswertung der Scannerdaten zuerst vornehmlich auf Lebensmittel, beinhaltet die Auswahl inzwischen auch Near- und Non-Food-Produkte.
Onlineshops als Quelle
Ein weiterer Game-Changer waren die Onlineerhebungen: Immer mehr Schweizer Firmen verfügen über Onlineshops, welche das Sortiment der physischen Standorte gut abbilden und sich somit als alternativer «Erhebungsort» anbieten. Onlineerhebungen ermöglichen zeitliche Einsparungen, da sie das Auffinden der gesuchten Artikel erleichtern.
Für viele Produkte hat sich der Markt zudem ins Internet verlagert. Noch vor zehn Jahren wurden beispielsweise die Preise für Fotokameras in allen elf Erhebungsregionen vor Ort in spezialisierten Ladengeschäften erhoben. Heute kaufen wir Fotokameras vorwiegend online, und die Preise haben sich schweizweit angeglichen, weshalb eine zentrale Onlineerhebung heute die naheliegende Erhebungsform ist.
Die Corona-Pandemie hat den Trend zu digitalen Erhebungsmethoden beschleunigt. Während der Ladenschliessungen im Frühling 2020 wurde gezwungenermassen auf Onlineshops ausgewichen, um eine nahtlose Preiserhebung zu gewährleisten. In vielen Fällen behielt das BFS diese Praxis bei.
Bei einzelnen Anbietern erfolgt die Onlineerhebung heute automatisiert mit Abfragetools («Webscraping»). Insbesondere bei stabilen Websites von grösseren Anbietern ergibt sich dadurch ein erheblicher Zeitgewinn. Darüber hinaus können relativ unkompliziert zusätzliche Preise erhoben werden. Hier besteht aber noch Potenzial für Weiterentwicklungen.
Auch bei den Fragebögen hat die Pandemie den Digitalisierungsprozess verstärkt. Immer mehr befragte Unternehmen füllen die Fragebögen online aus (E-Survey) – statt diese wie früher per Post oder E-Mail zu beantworten. Gut sichtbar ist dieser Trend bei der Mietpreiserhebung, wo das BFS jedes Quartal rund 10’000 Fragebögen auswertet. Vor allem professionelle Immobilienverwalter scheinen die Onlinetools zu schätzen.
Branchenspezifische Marktdaten
Neben den beschriebenen Erhebungsweisen ergibt sich auf Märkten wie jenen für Medikamente, Autos oder Telekommunikationsdienstleistungen aufgrund von besonderen Anforderungen ein erweiterter Datenbedarf, welcher mit traditioneller Erhebungsweise nicht ausreichend zu erfassen ist. Deshalb greift das BFS hier auf spezifische Datenlieferungen zurück.
Das BFS arbeitet diesbezüglich eng mit Partnern aus den entsprechenden Branchen zusammen, welche neben den eigentlichen Preisdaten oft auch quantitative und qualitative Informationen zur Verfügung stellen. Solche Metainformationen, insbesondere aktuelle Verkaufszahlen, sind für die Indexberechnung in Bereichen mit komplexer Preisgestaltung oft unerlässlich für eine realitätsnahe Preismessung. Mit der zunehmenden Digitalisierung dürften sich in weiteren Branchen Möglichkeiten für partnerschaftliches Zusammenarbeiten ergeben.
Die zusätzlichen Erhebungsmethoden haben die Komplexität für das BFS deutlich erhöht. Letztlich zählt für das BFS jedoch die Qualität der Daten – und diese hat sich auch dank neuen Erhebungsmethoden deutlich verbessert.
Zitiervorschlag: Herren, Hans Markus (2022). Ein Blick in den Warenkorb der Konsumenten. Die Volkswirtschaft, 25. April.